Angespannter Lehrstellenmarkt - Mehr als 3.000 Bewerbern fehlt in Berlin ein Ausbildungsplatz

Do 03.11.22 | 12:48 Uhr
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Archivbild: Die Auszubildende in der Firma "Hruby Werbetechnik GmbH" im Bezirk Kreuzberg. (Quelle: dpa/W. Kumm)
Audio: radio Fritz | 03.11.2022 | Matthias Gindorf | Bild: dpa/W. Kumm

Zwar ist zuletzt das Angebot an Ausbildungsplätzen in Berlin gewachsen - der Bedarf liegt jedoch weit höher, wie aus aktuellen Zahlen hervorgeht. Für Brandenburg könnte dies eine gute Nachricht sein.

Die Lage auf dem Berliner Ausbildungsmarkt bleibt angespannt. Mehr als 3.000 Bewerber haben zwischen Oktober 2021 und Ende September 2022 in Berlin keine Lehrstelle gefunden, wie die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag mitteilte.

Mit insgesamt 20.902 Jugendlichen suchten in diesem Zeitraum demnach etwa 100 mehr als noch im Vorjahr in Berlin einen Ausbildungsplatz. Zwar stieg im selben Zeitraum auch das entsprechende Angebot der Arbeitgeber um 7,4 Prozent an. Mit insgesamt 15.016 Ausbildungsstellen konnte der Bedarf aber trotzdem nicht gedeckt werden, heißt es in der entsprechenden Mitteilung der Arbeitsagentur.

Gleichzeitig konnten wegen fehlender fachlicher Voraussetzungen oder mangelnden Interesses an bestimmten Ausbildungsberufen bis Ende September rund 1.500 Lehrstellen nicht besetzt werden.

Brandenburg sucht händeringend Bewerber

Arbeitssenatorin Katja Kipping (Linke) sprach deshalb am Donnerstag von einer "weiterhin deutlichen Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage". Rechnerisch kämen auf jede gemeldete betriebliche Ausbildungsstelle 1,4 Bewerberinnen und Bewerber. "Wir können nicht hinnehmen, dass so viele junge Menschen ohne berufliche Perspektive bleiben", so Kipping. Man wolle deshalb noch stärker daran arbeiten, das Angebot an Ausbildungsplätzen zu erweitern und bestehende Hindernisse zu beseitigen.

Die Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, Ramona Schröder, betonte, die Zahl der Ausbildungsstellen in Berlin habe zwar "erfreulicherweise wieder zugenommen". Das Niveau von vor Corona sei aber noch nicht erreicht worden. Sie riet - wie schon am Mittwoch das Land Brandenburg - darum, sich in Berlins Nachbarland für Ausbildungsplätze zu bewerben.

In Brandenburg gibt es aktuell etwa 2.000 offene Lehrstellen. Die Brandenburger Landesregierung will deshalb künftig mehr Jugendliche auch aus Berlin für eine Ausbildung in Brandenburg gewinnen, wie Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) am Mittwoch ankündigte.

Debatte um geplante Ausbildungsumlage

Die stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, Nele Techen, forderte mehr Engagement von Unternehmen in Berlin, "denn noch immer bieten viel zu wenige von ihnen Ausbildungsplätze an, trotz des beklagten Fachkräftemangels". Berlin brauche eine Ausbildungsumlage sowie erweiterte Konzepte zur Berufsorientierung. Der rot-grün-rote Senat will eine solche Umlage einführen. Konkret sollen alle Unternehmen einen Prozentsatz ihrer Bruttolohnsumme in einen Fonds einzahlen. Ausbildungswillige Betriebe sollen mit Geld aus diesem Fond bei den Ausbildungskosten entlastet werden.

Gegen eine solche Ausbildungsumlage spricht sich Stefan Spieker, Vizepräsident Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, aus. Eine Ausbildungsplatzumlage werde die Situation nicht verbessern, "sondern die Unternehmen bestrafen, die heute schon ausbilden wollen, aber keine Bewerber finden", teilte Spieker am Donnerstag mit.

Der Berliner IHK-Vizepräsident sieht auch keine Lehrstellenlücke. Eine solche sei "auf dem Berliner Ausbildungsmarkt nicht zu erkennen. Vielmehr müssen suchende Bewerberinnen und Bewerber mit den noch freien Ausbildungsstellen besser zusammengeführt werden." Er forderte eine noch umfangreichere Berufsorientierung, beispielsweise durch mehr Praktika.

Sendung: rbb24 Abendschau, 3. November 2022, 19:30 Uhr

Auch unser Youtube-Format "Explainer" hat sich mit dem Thema Ausbildung beschäftigt:

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44 Kommentare

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  1. 44.

    Entschuldigung, aber die ständig vorgeschobenen Kranken und Behinderten sind doch nur ein Scheinargument. Diese stellen, zumal hier in Berlin, den kleinsten Anteil an Sozialleistungsempfängern dar. Fakt ist seit langem, dass Arbeitslosigkeit "vererbt" wird und ganze Familien bis in die dritte Generation lieber das süße Nichtstun genießt, statt jeden Morgen pünktlich aufzustehen und sich zur Arbeit zu quälen, auch wenn man mal gerade keine Lust drauf hat. Der Staat muss Anreize zum (Wieder-) Einstieg in den Arbeitsmarkt bieten und dies auch konsequent anwenden und bei Zuwiderhandlung sanktionieren, wenn wir unseren Sozialstaat, den ich sehr schätze, längerfristig erhalten wollen. Stattdessen werden immer mehr falsche Anreize gesetzt und mit Ausnahmeschicksalen argumentiert. Selbst in der ach so sozialen DDR gab es eine Arbeitspflicht, die deutlich härter durchgesetzt wurde. Das brauchen wir sicher nicht, aber auch keine Fehlanreize.

  2. 43.

    Das ist nicht richtig! Die staatlichen Leistungen berechnen sich nicht am Durchschnittslohn sondern am Niedriglohn. Das Abstandsgebot besagt schlicht, dass die Berechnung der staatlichen Grundsicherung im Ergebnis den durchschnittlichen Lohn für Geringverdiener nicht übersteigen soll, um falsche Anreize zu vermeiden und außerdem zwingend niedriger sein muss, als das steuerfreie Einkommen. Heil hat nun aber auf seinem Irrweg einseitig an den staatlichen Unterstützungen geschraubt. Daher besteht sehr wohl politischer Handlungsbedarf bzw. bei der Steuer sogar Zwang.
    Eine staatliche Unterstützung soll keine Dauerlösung sein, dafür ist der Sozialstaat nicht da. Es soll eine Überbrückungsleistung sein. Bevor jetzt wieder das Argument der Arbeitsunfähigen und Kranken kommt: Die haben in diesem Topf nichts zu suchen, das war ein Fehler der Hartz-Reformen. Alle Anderen sollen einen Anreiz haben, wieder so gut und schnell wie möglich für ihr Einkommen selbst zu sorgen.

  3. 42.

    Man muss mit den jungen Menschen heute ganz anders umgehen. Es braucht eine gute Beratung, fast schon Psychologen. Das kann keine Schule und kein Arbeitsamt stemmen. Und die meisten Eltern ohnehin nicht.

    Früher hat man einfach irgendwas gelernt. Etwas, das einen/ den Eltern als adäquat erschien. Mir sagte meine Oma: du lernst Steuerfachangestellte, denn Steuern gibt's immer. Sollte mein Schaden nicht sein, heute bin ich Steuerberaterin.

    Schaue ich in mein Umfeld, fällt mir auf, dass die Kinder nach einem Ideal im Beruf suchen, dass den meisten AN verwehrt bleibt. Sehr viele Menschen gehen einfach nur arbeiten und können sich mit ihren Job anfreunden, versuchen weitere Qualifikation zu erreichen. Man richtet sich mit dem Job ein.

    Die Ansicht, einfach mal loszulaufen fehlt leider. Man kann auf seinen Weg jederzeit abbiegen, die Gesellschaft ist für Neustarts und Individualität so offen wie noch nie. Aber man sollte in Bewegung bleiben.

  4. 41.

    Muss doch kein Widerspruch sein. In Berlin fehlt es an Ausbildungslätzen, anderswo dagegen an geeigneten Bewerbern. Wer sich nicht bewegt, bleibt dann eben ohne Ausbildungsplatz und genießt lebenslang das neue Bürgergeld.
    Bevor hier jemand kommt mit "unzumutbar" oder so: Das Problem haben und lösen viele Andere bundesweit auch.

  5. 40.

    Es fehlen nicht junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen. Hauptsächlich suchen Firmen, allen voran Handwerksbetriebe, zwar Mitarbeiter, sind aber nicht bereit, die Ausbildung derselben zu übernehmen.
    Mein Sohn hat vor einigen Jahren sehr intensiv einen Ausbildungsplatz als Hotelfachmann gesucht, aber keinem Hotel in Berlin war er gut genug. Hilton in München hat ihn dann sofort genommen. Dann ist er natürlich im Westen geblieben. Es ist auch der Berliner Größenwahn, der das Problem verursacht.

  6. 39.

    Es fehlen Azubis. Das liegt aber daran. dass es kaum geeignete!!! Bewerber gibt.

    Zu einem fehlen vielen Azubis grundlegende Kenntnisse der Allgemeinbildung. Von Sozialkompetenz ganz zu schweigen

  7. 38.

    Anstatt Bürgergeld eine Ausbildungspflicht?

    Ein behinderter Bürger in den 50ern soll eine Ausbildung machen?

    Das das Bürgergeld etwa 120 Euro zu niedrig ist. dürfte ja jedem bekannt sein. Siehe Paritätischem

  8. 37.

    Wieso sollte sich ein Bewerber nicht ins Grenzgebiete zu anderen Bundesländern begeben? Was ist so schlimm daran?

    Wenn man in einem Bundesland keine Lehrstelle findet - es gibt ja noch 15 andere. Wer wirklich eine Lehrstelle sucht. findet auch eine.

  9. 36.

    Schon mal was von Eigeninitiative gehört? Selbst auf mögliche Ausbildungsbetriebe zugehen und nicht warten. bis einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.

    Wieso sollte der ÖD keine gezielte Filter einsetzen um so schon vorab die Spreu vom Weizen zu trennen? Auszubilden kostet sehr viel Geld. Daher muss jeder Unternehmer dieses Kostenrisiko schon vorab genau einschätzen

    Azubis wollen viel Gehalt - aber was tun sie bzw bieten sie dafür?

  10. 35.

    Wie wäre es denn, wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten? Durchaus möglich und absolut zumutbar.

  11. 34.

    Naja. diese Unflexibilität vieler Bewerber ist ein Problem. Wenn es in Berlin keine Lehrstelle gibt. dann vielleicht in einem anderen der 15 Bundesländer?

    Wenn dann noch die Sozialkompetenz vorhanden ist. dann klappt es auch mit der Lehrstellensuche

    Wer wirklich einen Ausbildungsplatz sucht. der findet auch einen

  12. 33.

    Ich würde jedem, anstatt sich mit einer langen Ausbildung zu quälen und kleinem Geld rumzukrepeln, die soziale Hängematte empfehlen und sich möglichst wenig in diese Richtung zu bewegen, Das spart auch noch Energie...

  13. 31.

    Und warum sollte man das nicht erwarten dürfen? Unser Sohn ist für seine Traumlehrstelle mit 16 von Nordbrandenburg nach südlich von Berlin gezogen. Er hat einen großartigen Ausbildungsbetrieb gefunden. Umgekehrt dürfte es in Randbrandenburg leichter sein, an bezahlbaren Wohnraum zu kommen. Nach erfolgreicher Ausbildung kann man ja immer noch überlegen, ob man nach Berlin zurückkehren will. Mobilität und Flexibilität machen nicht an der Stadtgrenze Halt.

  14. 30.

    Warum sollten Berliner Jugendliche nicht nach MV, Sachsen oder sogar NRW gehen? Eben diese Bequemlichkeit ist einer der Gründe, warum die Jugendlichen keinen Ausbildungsplatz finden. Es gibt eben nicht jeden Wunschberuf direkt in der Nachbarschaft.

  15. 29.

    "Und wie soll der zukünftige Azubi die freien Le(h)erstellen finden?" Allein diese Frage.... Es gibt Zeitungen (beim Jobcenter liegen die zur kostenlosen Nutzung aus); viele Zeitungen machen rechtzeitig Anzeigenkampagne, beim Jobcenter gibt es Fachzeitschriften und Computer zur kostenlosen Nutzung, da kann man alle Jobangebote einsehen. Es gibt regelmässig Jobbörsen, Ausbildungsbörsen (auf denen die Berufe vorgestellt werden). Das alles komplett analog! Ein bissi bewegen müssen sich die Schüler schon; der Ausbildungsbetrieb wird nicht zu ihm kommen.

  16. 28.

    Was hat das Abstandsgebot mit dem Artikel zu tun? Zudem verzerren sie das, was darunter verstanden wird. In der Soziologie meint es einen Abstand zwischen Sozialleistungsempfangenden und dem durchschnittlichen Verdient von Werktätigen. Aber die Höhe von Sozialleistungen ist nur eine Variable und im Übrigen auch mit Inflationsausgleich am Rande der Verfassungswidrigkeit aufgrund der soziaeln Härte, die sie für viele bedeutet. Die andere Variable, ohne die das Abstandsgebot nicht definiert werden kann, ist der durchschnittliche Lohn. Ist Ihnen eventuell in den letzten 20 Jahren aufgefallen, dass in der Bundesrepublik der Niedriglohnsektor förmlich explodiert ist; dass ausbeuterische, nicht tarifgebundene Gehälter die Regel sind; dass Entsolidarisierung mit der Agenda 2010 einherging? Wenn ja, dann haben Sie soeben Niedriglöhner*innen sowie Sozialleistungsberechtigte verächtlich gemacht. Die Löhne müssen steigen, nicht die Sozialleistungen verfassungswidrig abgesenkt werden!

  17. 27.

    Ob eine geplante Ausbildungsumlage wirklich zielführend ist oder auch rechtlich unproblematisch, bleibt fraglich. Allerdings ist es bitter amüsant, wie sich sogar die IHK an der Realität vorbeireden möchte - zu wenige Ausbildungsplätze, zu wenige ausbildende Betriebe, das ist die Regel. Dass die uninteressantesten und unattraktivsten Berufe ohne Nachwuchs bleiben, liegt grds. an den Bedingungen sowohl der Ausbildung - Ausbildungsplan, schonmal gehört? - als auch an späteren Arbeitsbedingungen, in erster Linie, was die inflexiblen, unklar eingehaltenen Arbeitszeiten angeht, insbes. mit Blick auf Vereinbarkeit von Famlile und Beruf. Wer Arbeit nicht in einer 38- bis 40-Stundenwoche regeln kann, organisiert schlecht.

    Statt so einer Zwangsabgabe nachzugehen, sollte man gemeinsam über- und außerbetrieblich auf Lösungen kommen, die beiden Seiten helfen. Die Ausbildungsaufgabe kann nicht von Betrieben sowie staatl. Schulen allein gelöst werden. Es braucht eine Lösung von außen.

  18. 26.

    Hat Ihr Enkel einen frankierten Rückumschlag beigelgt? Bedenken Sie etwas länger, die sich daraus ergebenden Vorteile....

  19. 25.

    Wenn ein Schüler nicht gut lernt, ist es nicht die Schuld der Schule sondern die der Eltern. Ebenso fehlt oft die Sozialkompetenz. Diese ist Bestandteil der Erziehung und alleinige Aufgabe der Eltern.

    Die heutigen Azubis wollen eine tolle Ausbildung mit hohem Gehalt, sind aber nicht bereit dafür was zu tun. Und zwar über das normale Maß hinaus.

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