Warnstreiks in Berlin und Brandenburg - Stadtreinigung, Verwaltungen, Kitas und Bäder werden bestreikt

Do 23.03.23 | 13:47 Uhr
  141
Symbolbild: Ein Warnstreik der verdi am 13. März 2023 (Quelle: IMAGO/Rainer Keuenhof)
Audio: rbb 88,8 | 23.03.2023 | Malte Döbert | Bild: IMAGO/Rainer Keuenhof

Um ihren Forderungen für den öffentlichen Dienst Nachdruck zu verleihen, hat die Gewerkschaft Verdi zu neuen Warnstreiks aufgerufen - Tausende folgten am Donnerstag dem Aufruf. Ein Überblick für Berlin und Brandenburg.

  • Tausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst legen Arbeit nieder
  • In Berlin sind Stadtreinigung, Krankenhäuser, Bäder und Schleusen betroffen
  • In Brandenburg sind Mitarbeiter in Verwaltungen und Kitas zum Ausstand aufgerufen

In Berlin und Brandenburg haben am Donnerstag wieder tausende Beschäftigte im Öffentlichen Dienst gestreikt, um wenige Tage vor der nächsten Tarifrunde den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. Die Warnstreiks sind auch für Freitag geplant.

In Berlin beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaft Verdi etwa 7.000 Menschen an Arbeitsniederlegungen. Davon seien 5.000 zu einem Demonstrationszug vom Innenministerium zum Invalidenpark gekommen, hieß es. Die Polizei sprach von bis zu 3.000 Teilnehmern.

Von den Warnstreiks betroffen sind in Berlin die Berliner Stadtreinigung (BSR), die Wasserbetriebe, kommunale Krankenhäuser wie die Charité, die Bäderbetriebe sowie Bundesbehörden wie die Deutsche Rentenversicherung. Die BSR hatte vorsorglich darauf hingewiesen, dass Bio-, Restmüll-, und vielerorts auch Wertstofftonnen erst ab Samstag wieder geleert werden könnten. Die Recyclinghöfe bleiben voraussichtlich bis Samstag geschlossen.

Arbeitskampf auch in Brandenburg

Das Wasserschifffahrtsamt und die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft beteiligen sich an den Warnstreiks. Sämtliche Schleusen in Berlin und Brandenburg sollen am Donnerstag geschlossen bleiben, so die Gewerkschaft.

In Brandenburg sind an beiden Tagen zudem Verwaltungen und Kitas in kommunaler Trägerschaft betroffen. Am Donnerstag muss etwa in Kitas und Stadtverwaltungen in Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt mit Einschränkungen gerechnet werden. Nach Angaben eines Sprechers von Verdi in Nordostbrandenburg beteiligten sich rund 300 Beschäftigte an einer Kundgebung vor der Stadtverwaltung in Frankfurt (Oder).

Verdi sieht "stärksten Warnstreik seit Jahren"

Verdi-Vertreterin Gisela Neunhöffer von der Bundesverwaltung für den Fachbereich Gesundheit sagte dem rbb, man sehe bundesweit und auch in Berlin die stärksten Warnstreiks seit Jahren. Die Beschäftigten kämpften für einen Ausgleich des Reallohnverlustes. Die Bereitschaft sei sehr groß, den Arbeitskampf fortzusetzen, sollten die Arbeitgeber kommende Woche kein gutes Angebot vorlegen.

Auch bei den kommunalen Krankenhäusern in Berlin beteiligten sich am Donnerstag zahlreiche Menschen am Warnstreik. Verdi-Gewerkschafter Max Manzey sprach am Donnerstagmorgen von über 1.000 Streikenden bei der Berliner Charité, den Vivantes Kliniken und dem Jüdischen Krankenhaus. Allerdings fahren laut Verdi bei Vivantes die Häuser auf Vollast. Das setze die Streikenden unter Druck, ihr Recht wahrzunehmen.

Auch am kommenden Montag (27. März) soll es an der Charité, bei Vivantes und am Jüdischen Krankenhaus einen weiteren Warnstreik geben. Die Charité kündigte an, dass erneut planbare, nichtdringende Eingriffe verschoben werden müssten. Zeitkritische Tumoroperationen, Transplantationen, Operationen von Kindern, die Versorgung von Patientinnen und Patienten nach Schlaganfall, Herzinfarkt und anderen Notfällen sollen hingegen durchgeführt werden. "Die wiederholten Warnstreikmaßnahmen innerhalb kurzer Zeit stellen die Krankenversorgung der Charité vor große Herausforderungen", teilte ein Sprecher mit.

Der Arbeitgeberverband KAV Berlin bezeichnete die Warnstreiks in den kommunalen Krankenhäusern als "unverhältnismäßig". Sie seien mit Blick auf die Patientenversorgung unangemessen. "Dreitägige Warnstreiks unmittelbar vor der Fortsetzung der Tarifverhandlungen auf Bundesebene, die zur Schließung von Betten und damit im Ergebnis zu Einschränkungen der Patientinnen- und Patientenversorgung führen können, sind nicht zielführend", hieß es in einer Mitteilung.

Anfang März hatte es zuletzt einen Warnstreik im öffentlichen Dienst gegeben. Da hatten tausende Mitarbeiter unter anderem in den Krankenhäusern, bei der Berliner Stadtreinigung und in den Schwimmbädern gestreikt. Hintergrund des Warnstreiks sind Tarifverhandlungen für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen.

Verdi und der Beamtenbund dbb fordern für die bundesweit 2,5 Millionen Beschäftigten 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr Lohn. Die Arbeitgeber hatten in der zweiten Verhandlungsrunde Ende Februar ein Angebot vorgelegt. Es umfasst unter anderem eine Entgelterhöhung von insgesamt fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2.500 Euro. Die Gewerkschaften wiesen dies aber umgehend zurück. Das Angebot sei "nicht einigungsfähig", teilte Verdi mit. Die dritte Verhandlungsrunde beginnt am Montag.

Aktuelle Tarifkonflikte

Verdi und Beamtenbund dbb: Für die bundesweit 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst mehr Lohn. In den vergangenen Wochen waren verschiedene Bereichen in Berlin und Brandenburg von Warnstreiks betroffen: kommunale Krankenhäuser, Kindertagesstätten, Wasserbetriebe, Bäderbetriebe und Stadtreinigung, Wasserschifffahrtsamt, Studierendenwerk und Arbeitsagenturen - bis hin zum Nahverkehr und dem Flughafen. Die Gewerkschaften fordern konkret 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr Lohn. Die Arbeitgeber bieten schrittweise fünf Prozent mehr bei zweijähriger Laufzeit sowie 2.500 Euro Einmalzahlung. Die dritte Verhandlungsrunde beginnt am 27. März.

Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG): Sie verhandelt zurzeit mit bundesweiten Bahn- und Busunternehmen über Tarife. Die Gewerkschaft fordert unter anderem bei einer Laufzeit von einem Jahr Lohnerhöhungen von insgesamt zwölf Prozent, mindestens aber 650 Euro als "soziale Komponente". Die Deutsche Bahn bot in der zweiten Runde insgesamt fünf Prozent mehr Lohn in zwei Schritten vor, außerdem Inflationsausgleichsprämien. Nächster regulärer Termin für Tarifverhandlungen für 180.000 Beschäftigte bei der DB ist der 24. und 25. April.

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): Sie fordert kleinere Klassen in den Berliner Schulen und Verhandlungen mit dem Senat über einen Tarifvertrag. Seit 2021 organisierte die GEW für ihr Anliegen bereits mehrere Warnstreiks. Der Berliner Senat verweist jedoch darauf, dass Berlin der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) angehört. Ohne Zustimmung der Tarifgemeinschaft könne der Senat keine Tarifverhandlungen über die Klassengröße aufnehmen - und die TdL lehne solche Verhandlungen ab. In Berlin gibt es rund 34.000 Lehrerinnen und Lehrer, viele davon sind Angestellte und dürfen - anders als Beamte - streiken.

Gewerkschaft Marburger Bund: Der Marburger Bund fordert für rund 55.000 Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken einen Inflationsausgleich für die Zeit seit der jüngsten Entgelterhöhung im Herbst 2021 sowie zusätzlich eine Gehaltsanhebung um 2,5 Prozent. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) wies das bisher aus zu hoch zurück. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 3. und 4. April 2023 angesetzt.

Luftsicherheitsbeschäftigte an Flughäfen: In diesem Tarifkonflikt, der zuletzt am 12. März zu einem Warnstreik auch am BER-Flughafen geführt hatte, stehen sich die Beschäftigten der Luftsicherheit und der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) gegenüber. Die Gewerkschaft Verdi fordert unter anderem einen Zuschlag für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsschichten. Entsprechende Verhandlungen gibt es seit Jahren.

Sendung: rbb 88.8, 23.03.2023, 06:00 Uhr

141 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 141.

    Ich habe schon mehrfach über dieses Thema geschrieben. Ich weiß jeder der hier schreibt hat seine eigene Meinung,so wie ich auch.

    Ich habe die Befürchtung dass wir hier Italienische Verhältnisse bekommen werden wie in den 70er Jahren. So etwas was wir jetzt erleben kann nicht gut gehen! Wir werden alle Gewinner und gleichzeitig Verlierer sein.

    Könnte es sein dass wir zu lange in Wohlstand und Frieden gelebt haben? Es ist alles nicht mehr normal!!

  2. 140.

    Wie kommen eigentlich die ganzen gewerkschaftler zu ihren streikbereichen oder Demonstrationen wenn alles still steht.
    Nun ja generalstreik ist die dümmste Idee ever, und dieses ganze vorgeplänkel jetzt könnte man sich auch komplett sparen.
    Am Ende wird es für alle teurer.

  3. 139.

    Gewerkschaften sind sehr wohl Inflationstreiber.
    Höhere Löhne führen zwangsläufig zu höheren Preisen. Und darunter leiden dann die Arbeitnehmer, die nicht in der Lage sind ihren Arbeitskampf auf dem Rücken der Gesellschaft durchzuführen.

  4. 138.

    "... Wer treibt die Preise? Gestiegene Rohstoffkosten! Haben Sie in der Vergangenheit nicht mitbekommen, dass Unternehmen mit Preissetzungsmacht zB im Lebensmittelbereich höhere Preise durchgesetzt haben? ..."

    Ihre Schlussfolgerung aus gestiegenen Rohstoffkosten (und höhere Energiekosten) ist, dass die Unternehmer die Preise erhöhen?
    Die Preise werden auf den Verbraucher umgelegt. Ein ganz normaler Vorgang.

    Oder habe ich Sie einfach nur falsch verstanden?

  5. 137.

    LOL! Soviel ökonomischen Unsinn habe ich selten gelesen. Sie lesen wohl keine Wirtschaftsseiten? Wer treibt die Preise? Gestiegene Rohstoffkosten! Haben Sie in der Vergangenheit nicht mitbekommen, dass Unternehmen mit Preissetzungsmacht zB im Lebensmittelbereich höhere Preise durchgesetzt haben? Gehen Sie garnicht einkaufen? Da gab es auch eine nette Artikelserie auf RBB24 in der die Lebensmittelpreise verglichen werden!

  6. 136.

    Das sind politische Beamte mit festen Arbeitsverträgen. Die kann man nicht einfach so entlassen, nur weil eine andere Partei die Wahl gewann. Muss man aber wissen! ;-)

  7. 135.

    Ökonomischer Unfug

    Höhere Löhne haben immer höhere Dönerpreise zur Folge.

    Die Angebotsseite nutzt die neue Kaufkraft aus, ist auch richtig so.

    Daher steigen auch die Mieten und Flugpreise.

    Das Leben ist hart.

  8. 134.

    Ich gönne allen Beschäftigten des öD eine kräftige Gehaltserhöhung. Viele andere Branchen haben diese bereits durch entsprechende Tarifabschlüsse erhalten. Auch der Staat sollte seine Beschäftigten ordentlich bezahlen. Für viele andere Sachen ist ja auch immer frisches Geld da. Dann bitte auch für die Mitarbeiter des öD, die die wirkliche Arbeit machen.

  9. 133.

    Dass der öffentliche Dienst ein sicherer Hafen ist, ist auch nur ein Mythos. Zu Wowereits Zeiten wurde der ÖD personell entkernt. Wenn sie wirklich im ÖD arbeiteten, so kennen sie ja die Abkürzung "KW" (kann weg)in der Personalakte.

  10. 132.

    Das eine hat mit dem anderen nichts zutun.

    Gewerkschaften = Inflationstreiber

  11. 131.

    STADTRÄTE UND BEZIRKSBÜRGERMEISTER BEKOMMEN FÜR 3JAHRE WEITER IHR VOLLES GELD! Und hier beleidigt man die Streikenden, die wenigstens auf den Inflationsausgleich pochen? Da hört's bei mir auf. Viel Erfolg den Streikenden!!!

  12. 130.

    Auf Berlin, sie haben natürlich recht, ich habe auf ein Kommentar von Manfred geantwortet. Natürlich ist es nicht so das die Renten genau wie die Löhne steigen, den es gab auch schon null Runden.

  13. 129.

    Ja dort hört die Solidarität auf oder soll ich auf eine Lohnerhöhung verzichten und alles der Ukraine zukommen lassen??
    Ich glaube eher weniger.

  14. 126.

    Die Zeiten scheinen vorbei zu sein, in denen sich die sogenannten Arbeitgeber bequem zurücklehnen konnten und mit einem Spruch wie "Machs zu meinen Bedingungen, machs für weniger Geld oder lasses. Draußen warten Hunderte auf Deinen Job" die Belegschaft zum Kuschen bringen konnten.
    Und das ist auch gut so!

  15. 125.

    Bei allem Respekt vor ihrer Tätigkeit als Reinigungskraft, sie machen den Dreck der Angestellten weg? Klar, das ist ja auch ihr selbst gewählter Job. Ihre schlechten Arbeitsbedingungen sollten sie mit der Gründung einer Gewerkschaftsgruppe in ihrer Firma verbessern können. Die Mitarbeiter der Büros, in denen sie arbeiten, können nichts für ihre Arbeitssituation, wobei Miese Sprüche gegen sie geht gar nicht.

  16. 123.

    Tja, schämen muss sich schon mal gar niemand dafür, dass er für sein Recht und sein Auskommen kämpft. Und nur weil du nicht gewerkschaftlich organisiert bist (deine Schuld) und du daher keine Lohnerhöhungen gemäß Tarif bekommst (wärste mal gewerkschaftlich organisiert) müssen andere ja nicht auf ihr Recht verzichten. Was du gerade anzettelst, ist nichts anderes als eine Neid-Debatte. Und ja, hättest du was anderes gelernt, hättest du vermutlich ein anderes Einkommen. Letztendlich ist jeder seines Glückes Schmied. Niemals würde ich auf unsere Reinigungskräfte herabblicken, niemals würde ich sagen, es ist ein geringerer Beruf, lasse mir aber von denen auch nicht sagen, dass ich mich schämen soll, weil ich mein Recht erstreike. Das steht jedem zu und Arbeitskampf ist das einzige Mittel, notwendige Dinge durchzusetzen.

  17. 122.

    Violetta, genau so sehen es sehr viele, die Gewerkschaften sind maßlos geworden und brauchen eine Daseinsberechtigung, denn es sind große Unternehmen. Die Wahrheit ist, wir schaden uns alle selbst! Schaut nach Frankreich und ihr könnt sehen was passiert, wenn die Gewerkschaften zum Streik aufgerufen. Alles nur Hetze!

Nächster Artikel