Interview | Kinderbetreuung und Arbeitsrecht - "Versuchen Sie, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen"

Schulen und Kitas in Berlin werden wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Was sollen Eltern tun, wenn sie wegen fehlender Kinderbetreuung nicht zur Arbeit können? Mit dem Arbeitgeber reden, rät Fachanwältin Livia Merla. Eine rechtliche Regelung gibt es nicht.
rbb: Wenn mein Kind nicht zur Schule gehen kann, weil die Schule oder die Kita geschlossen ist - kann ich meinem Arbeitgeber dann sagen, ich komme nicht zur Arbeit?
Livia Merla: Aktuell gibt es noch keine gesetzliche Lösung dafür. Wir würden jedem raten, am Morgen mit dem Arbeitgeber zu sprechen – am besten auch nochmal hinzufahren, nicht einfach zu Hause zu bleiben, sondern das Gespräch zu suchen. Wenn es möglich ist: Urlaub beantragen und Überstunden abbauen. Es gibt eine rechtliche Regelung aus dem BGB, wonach man für kurze Zeit zu Hause bleiben darf, das ist aber eigentlich nicht auf diese Fälle bezogen, sondern auf individuelle Einzelfälle. Hier ist aber eine Vielzahl von Fällen betroffen, und deshalb wird das nicht anwendbar sein. Es ist aktuell umstritten, bisher hat noch niemand die perfekte Lösung gefunden.
Was würden Sie Eltern raten?
Sie sollten mit ihrem Arbeitgeber sprechen, vielleicht auch über eine Home-Office-Vereinbarung - sofern das in dem betreffenden Berufszweig auch möglich ist, das ist die nächste Frage. Auf jeden Fall sollte man melden, dass man die Kinderbetreuung nicht sicherstellen kann und versuchen, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.
Was kann mir denn passieren, wenn ich einfach nicht zur Arbeit gehe?
Es ist halt die Frage, ob das schon in den Bereich der Leistungsverweigerung fällt. Verständige Arbeitgeber dürften das nicht so auffassen, das wäre unangemessen, denn es ist ja keine absichtliche Leistungsverweigerung. Aber wir könnten tatsächlich in den Bereich kommen, eben weil es dafür aktuell keine gesetzliche Grundlage gibt - und auch keine Rechtsprechung, die das schon einmal entschieden hätte.
Was denken Sie, wie kulant Arbeitgeber in dieser Hinsicht sind? Denken Sie, dass man auf Verständnis stoßen kann, wenn man sagt: Ich weiß noch nicht, wie ich die Betreuung meiner Kinder sicherstellen kann?
Ich denke definitiv, dass aktuell viele verständig sind. Und es ist ja auch im Interesse des Arbeitgebers, dass der Betrieb weiterläuft. Wir stellen aktuell alle auf Home Office um, um für den Fall vorbereitet zu sein, damit uns der Betrieb nicht zusammenbricht. Ich denke, dass beide Seiten Interesse haben, das irgendwie einvernehmlich zu regeln. Ich denke, dass die meisten dafür zur Zeit auch offen sind.
Das Interview mit Livia Merla führte Max Kell, Abendschau.
Sendung: Abendschau, 12.03.2020, 19:30 Uhr