Ausstellung am Brandenburger Tor - Was Liebermann zeichnete

Mi 14.12.22 | 14:00 Uhr
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Archivbild: Ein Skizzenbuch von Max Liebermann am 27.10.2022 in der Akademie der Künste ausgestellt (Quelle: dpa/Christophe Gateau)
Audio: rbbKultur | 13.12.2022 | Sigrid Hoff | Bild: dpa/Christophe Gateau

Von Max Liebermann sind vor allem farbenfrohe Gemälde bekannt. Eine Ausstellung des Kupferstichkabinetts zeigt jetzt eine andere Seite des impressionistischen Malers: Sein zeichnerisches Werk. Von Sigrid Hoff

Max Liebermann gilt als der Begründer des deutschen Impressionismus - das zeigt sich in vielen seiner Bilder der holländischen Küste, aber auch in den farbenfrohen Gemälden des Wannseegartens seines Sommerhauses im Südwesten Berlins. Als Zeichner ist der Berliner Maler weniger bekannt. Dabei widmete er sich zeitlebens dieser Kunstform, die er wegen ihrer Frische und Spontaneität liebte und sie zum Leitmedium seiner Kunst erkor.

Mit "Liebermann zeichnet" stellt erstmals eine Ausstellung des Kupferstichkabinetts den Berliner Maler mit seiner Zeichenkunst in den Mittelpunkt. Sie bietet mit 90 Einzelblättern und zwei Skizzenbüchern Einblick in alle Schaffensphasen des Künstlers. Gezeigt wird die Ausstellung ab dem 16. Dezember 2022 im Max Liebermann Haus am Brandenburger Tor – sie entstand in Kooperation mit der Stiftung Brandenburger Tor.

Liebermann interessierten die einfachen Leute

Für Max Liebermann stand die Zeichnung am Anfang seiner Kunst. Das zeigt ein erstes Skizzenbuch aus dem Besitz der Liebermann-Erben, das hier als jüngste Erwerbung von 2020 präsentiert wird. Gegenüber sind Vorstudien zu Gemälden wie Die Gänserupferinnen (1872) zu sehen, sowie Skizzen zu dem Bild Schusterwerkstatt. Es zeigt den Meister mit einem Gesellen am Tisch, beide sind in die Arbeit vertieft.

1882 malte Max Liebermann die Szene in Öl, bereits wenige Jahre später gelangte das Bild in die Berliner Nationalgalerie. Da galt er dem Kaiser noch als "Rinnsteinkünstler", weil er sich für die einfachen Menschen interessierte und ihre Arbeitswelt zu seinem zentralen Thema machte. In seinen Skizzen arbeitet Liebermann mit der Perspektive, widmet sich einzelnen Details wie den Händen, probiert Licht- und Schatteneffekte aus.

Naturstudien in Holland

Die Kreidezeichnung einer Schafhirtin ist dagegen ein eigenständiges Werk, entstanden in Holland, wohin Liebermann mehrfach reiste, um die Natur zu studieren. Das Mädchen in langem Rock mit Haube und Holzpantinen steht an einem Deich, unter ihm grasen Schafe. Doch es ist ganz vertieft in die Strickarbeit in seinen Händen: "Das ist ein sehr starkes Blatt, gerade weil er intensiv in die ruhige, kontemplative Situation eintaucht und sie, ohne Pathos, ohne soziale Wertung, Kritik aber auch ohne Sentimentalität zeigt", beschreibt Andreas Schalhorn, Kurator vom Kupferstichkabinett, diese Zeichnung.

Kreide löste den Bleistift ab

Die thematisch nach Liebermanns Motiven gehängte Ausstellung macht die Entwicklung des Malers deutlich: Zunehmend begreift Liebermann die Zeichnung nicht allein als Vorarbeit für Gemälde, sondern entwickelt sie als eigenständige Kunst. "Zunehmend löst er sich von der strengen Linie, wird freier", urteilt Evelyn Wöldicke von der Stiftung Brandenburger Tor, die die Schau mitkonzipiert hat. "Auf einmal legt sich über die Linie eine Fläche, er fängt an, Kreide zu benutzen, die den Bleistift mehr ablöst, er geht in die Breite, er reibt diese Kreide auch wunderbar ins Papier, das sind schon fast Gemälde, als Zeichenkunst richtige Bildwerke."

Linien, die über Papier tanzen

Die Ausstellung schlägt den Bogen von den frühen Studien über die Landschafts- und Naturbilder bis hin zu den Porträts und Familienbildern.

Die meisten Skizzen entstanden in Holland, wo Liebermann bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Sommermonate verbrachte. Die Landschaft an der Küste, die Wolkenstimmungen, das Wetter mit allen Schattierungen von hell bis dunkel, aber auch die Betonung von Freizeitaktivitäten, die man aus seinen Gemälden kennt, wie die Reiter am Strand oder Menschen in Biergärten sind Motive seiner Zeichnungen.

An ihnen lässt sich Liebermanns künstlerische Entwicklung zum deutschen Impressionisten nachvollziehen, wie Evelin Wöldicke betont: "Wir haben es nicht mit einer Linie zu tun, die das Gemälde vorbereitet, sondern mit einer ganz freien Linie, die über das Papier tanzt."

Liebermann neu entdecken

Insbesondere in den 1920er Jahren war Liebermann ein gefragter Porträtist der Gesellschaft. Die Zeichnungen bildeten den ersten Zugang zu der Person. Bei den Familienbildern sind es hingegen intime Detailstudien, etwa von der Tochter Käthe, die lesend mit dem Familiendackel an sich gekuschelt auf dem Sofa sitzt. Für Evelin Wöldicke weist diese Skizze bereits in die Abstraktion. Dass Liebermann ein Vorreiter der Moderne in Deutschland war, lasse sich an den Zeichnungen nachvollziehen. Kurator Andreas Schalhorn: "Endlich haben wir die Chance, nur auf die Zeichnungen zu schauen", sagt Kurator Andreas Scholz. "Anders als die Gemälde zeigen sie diesen ersten Impuls der Intimität."

Mit der Konzentration auf die Zeichnung ermöglicht diese Ausstellung, die Kunst des Malers Max Liebermann auf neue Weise zu entdecken.

Sendung: rbbKultur, 13.12.2022, 16:10 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Was für eine lange Zeit, dauerhaft schönes Speichermedium, doch ein Buch ist....

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