Interview | Premiere des neuen "Indiana Jones"-Films - "Abenteuerfilme kommen nicht aus der Mode"
Am Donnerstag feiert der neue "Indiana Jones"-Film in Berlin Deutschland-Premiere. Was die anhaltende Faszination an der Filmfigur ausmacht, erklärt Thomas Walden. Er ist Fan seit Teenager-Tagen und hat seine Habilitation dem Helden gewidmet.
Noch vor dem offiziellen Kinostart feiert der neue "Indiana Jones"-Film am 22. Juni seine Deutschlandpremiere in Berlin - und das in Anwesenheit von Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridge, Mads Mikkelsen und Thomas Kretschmann.
Bereits seit Anfang der 1980er Jahre ist Harrison Ford in der Figur des Archäologen und Actionhelden Indiana Jones unterwegs. Nun ist der mittlerweile 80 Jahre alte Schauspieler zum fünften Mal in die Rolle geschlüpft. In "Rad des Schicksals" wird zwar wieder ein Schatz gesucht und auch diesmal sind die Nazis der Gegner, doch nun soll auch das epische Finale erreicht werden.
Der Medienwissenschaftler Thomas Walden, der an der Universität Bielefeld lehrt, war bereits als Teeanager ein Fan der Abenteuerreihe. In seiner Habilitation befasste er sich mit dem pädagogischen und didaktischen Potential der Heldenreise und untersuchte Figurenkonstellation, die in diversen Blockbuster-Filmen auftauchen, wie in "Star Wars" oder "Indiana Jones".
rbb|24: Herr Walden, funktioniert der Charakter Indiana Jones 42 Jahre nach dem ersten Teil der Saga immer noch?
Thomas Walden: Indiana Jones ist ein archetypischer Charakter. Und es ist eine typische Trickster-Figur, also eine Figur, die sehr menschlich ist. Sie hat ihre Schwächen. Sie hat einen gewissen moralischen Kompass, ist aber nicht zu abgehoben. Von daher glaube ich schon, dass die Figur auch nach 42 Jahren noch funktioniert, weil sie neue Generationen ansprechen wird, die sich damit identifizieren können und die Abenteuer, die dann als Blockbuster-Achterbahn daherkommen, schauen werden.
Der letzte Teil erschien vor 15 Jahren. Kommt man als Fan noch richtig in Stimmung auf eine Fortsetzung? Der neue Teil wurde bereits vor sieben Jahren, also 2016, das erste Mal angekündigt ...
Man könnte fast sagen, es ist eine perfekte Marketingstrategie. Seit 2016 wurde über diesen Film in den sozialen Netzwerken, allüberall, gesprochen. Das Interesse in den Fan-Lagern war immer hoch und ist auch immer noch hoch. Insbesondere in den letzten anderthalb Jahren, seitdem die Dreharbeiten laufen, wurde in den sozialen Netzwerken der Film komplett medial begleitet. Man konnte schon seit mindestens einem Jahr lauter Drehorte und Szenen sehen oder Harrison Ford am Drehort und so weiter. Insbesondere zur Premiere in Cannes haben sich die Fan-Gruppen überschlagen vor Begeisterung.
Ist der neue "Indy" nur was für alte Fans?
Abenteuerfilme kommen nicht aus der Mode, wenn es einen Kampf Gut gegen Böse gibt. Das wird immer funktionieren. Das funktioniert seitdem Menschen sich Geschichten erzählen. Und daher reiht sich "Indiana Jones" da auch prima ein und wird weiterhin neue Zielgruppen ansprechen und Fans generieren.
Welcher "Indiana Jones" ist der bessere: der junge oder der alte?
Diese Fragen können wir beantworten, wenn wir den neuen Teil gesehen haben. Die Figur Indiana Jones lebt ein ganzes Stück weit von den ikonografischen Momenten, die mit ihr verbunden sind. Davon gibt es viele, die sich ein Stück weit ins Gedächtnis gebrannt haben. Wenn das im neuen Film auch entsprechend umgesetzt wird, dann kann ich mir vorstellen, dass der alte Indiana Jones auch gut sein wird. Wobei wir an manchen Stellen gar nicht unterscheiden können, welcher alt und welcher neu ist, weil die "De-Aging"-Technologie angewandt wurde. Wir werden im Kino wohl auch einen jungen Harrison Ford sehen, auch wenn er nur computergeneriert ist.
Welche ist Ihre Lieblingsszene aus den bisherigen Filmen?
In jedem "Indiana Jones"-Film habe ich eine Lieblingsszene. Im ersten Teil, also "Jäger des verlorenen Schatzes", ist es die Verfolgungsjagd durch die Wüste, wo er auf dem Schimmel hinterher reitet. Im zweiten Teil ist es die Szene, in der Indiana Jones aus dem Schlaf von Kali Ma aufwacht und dann unter den Bösewichten aufräumt. Im dritten Film ist es die Auseinandersetzung mit seinem Vater, als sie von Schloss Brunwald fliehen. Diese Szenen haben sich einfach eingebrannt ins popkulturelle Gedächtnis.
Die Fans kamen auch in Berlin mit Peitsche und Hut zur Premiere des letzten Teils. Wer macht so was? Und warum?
Zum einen Fans natürlich. Ich glaube, hat es mit Identifikation mit der Figur Indiana Jones zu tun. Man möchte vielleicht selbst ein bisschen Indiana Jones sein. Andererseits kennt man das auch aus der Auseinandersetzung mit Mangas. Dieses Cosplay-Phänomen [dabei spielen Fans eine Filmfigur nach, Anm.d.Red.] ist ziemlich stark gewachsen in den letzten Jahren. Vielleicht sind Indiana-Jones-Fans in der Hinsicht auch Cosplayer, die gerne in Kostümen auf Events auftauchen und sich selbst inszenieren.
Ganz oft ist das der Fedora-Hut [eine bestimmte Art Filzhut, Anm.d.Red.], der sich auch bei Hobbyarchäolog:innen oder Abenteuerurlauber:innen sehr stark durchgesetzt hat. Ich denke da insbesondere an [die Felsenstadt] Petra in Jordanien, eine Kulisse aus "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug". An diesem Stein-Eingang werden immer wieder Leute mit Indiana-Jones-Kostüm auf dem Pferd sitzend abgelichtet. Die stellen dann ihre Fotos online. Man kann darüber ein Stück weit Identifikation herstellen für sich selbst, aber auch für andere und eben auch Aufmerksamkeit generieren.
Was macht den Spaß an den Filmen aus?
Der Spaß an den "Indiana-Jones"-Filmen ist im Prinzip die Achterbahnfahrt, in die man da hineingesetzt wird. Man hat einen rund zweistündigen, mitreißenden Ritt und wird von einem Event zum nächsten geführt – mit spannenden Momenten, Cliffhangern und atemberaubenden Szenen.
Regisseur Steven Spielberg hat auch diesen "Indiana-Jones"-Film mitproduziert. Bei der diesjährigen Berlinale wurde er für sein Lebenswerk geehrt. Ist "Indiana Jones" auch ohne Spielberg denkbar? Und wenn, was wäre anders?
Spielberg hatte schon eine Handschrift, wie er Filme gemacht hat. Die haben halt einen besonderen Look. Die "Indiana-Jones"-Filme zeichnen sich auch durch die Farbgebung, durch sehr viel Wärme aus. Neulich hat Steven Spielberg in einem Interview gesagt, eigentlich hat er gedacht, er wäre der Einzige, der "Indiana Jones" verfilmen könnte. Aber er hat jetzt diesen Film gesehen und sagt: Es gibt mindestens noch einen - und das ist James Mangold.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Thomas Walden führte Sebastian Hampf für rbb|24.
Sendung: rbb24 Abendschau, 22.06.2023, 19:30 Uhr