Die Stimmung ist angespannt. Die Menschentraube um den Hintereingang des Hyatt-Hotels wird immer größer. Im Gemurmel der Fotografen fällt immer wieder ein Name: Helen Mirren. Die Oscar-Preisträgerin soll in dem Hotel neben dem Berlinale-Palast eine Pressekonferenz geben. Man steht und wartet. Der kalt-nasse Februartag kriecht langsam durch die Schuhsohlen, doch niemand bewegt sich vom Fleck. Es wäre doch zu ärgerlich, diesen Moment zu verpassen. Unter den Wartenden ist an diesem Tag auch Lorena Kanders, bereit für den einen magischen Augenblick.

Lorena Kanders (24) studiert im ersten Semester Film und Fernsehen an der SRH Universität in Berlin. In Kooperation mit der Berlinale organisiert ihre Hochschule schon zum sechsten Mal die Ausstellung "On Scene", die jedes Jahr im Anschluss an die Berlinale eröffnet wird. Die Ausstellung läuft bis zum 7. März in der Galerie subjectobject (Grunewaldstraße 79, 10823 Berlin). Die Bilder von 24 Jungfotografen der SRH sollen einen ganz persönlichen und künstlerischen Blick auf das Filmfestival einfangen. Keine leichte Aufgabe.

Unterstützung bekommt Lorena Kanders von Chris Dumser, der schon das zweite Mal für "On Scene" fotografiert. Er konnte schon letztes Jahr Berlinale-Erfahrung sammeln und weiß, dass man sich gerade als junger Fotograf manchmal behaupten muss. Er bestärkt Lorena, sich auch mal vorzudrängeln: "Wenn ihr gute Fotos haben wollt, dann müsst ihr euch durchsetzen", sagt er. Als eine Fotografin sich frech mit einer Leiter in den Händen in die erste Reihe schiebt und diese an die Absperrung lehnt, lacht er: "Die Leiter ist in der Welt der Fotografen wie das Handtuch im Hallenbad. Da ist jetzt reserviert."

Lorena Kanders kann es manchmal noch nicht fassen, dass das Fotografieren am Roten Teppich jetzt zehn Tage zu ihrem Alltag gehört. Die Studierenden werden eingeteilt, wann sie bei den Premieren an den Absperrungen stehen dürfen. In der restlichen Zeit sind sie selbstständig unterwegs. Lorena ist an diesem Tag nachmittags am Berlinale Palast, abends am Zoo Palast. Am meisten freut sie sich auf William Dafoe. Der Schauspieler hat sie in ihrer Kindheit geprägt. "Manchmal muss ich auch einfach die Kamera runternehmen und realisieren, dass die jetzt wirklich vor mir stehen. Sonst schau ich die Fotos abends an und merke, dass ich die nur durchs Objektiv gesehen habe". Schulterblick hier, strahlendes Lächeln da. Dann sind die meisten auch schon wieder weg.

Einen besonderen Reiz hat es, die Stars abseits des Roten Teppichs zu erwischen, zum Beispiel am Hintereingang des Hyatt-Hotels – weniger offiziell, dafür viel näher dran. Hier wechseln die Stars das ein oder andere Wort mit ihren Fans, sind noch nicht voll in Schale geworfen, stehen einfach nur da und warten, bis die Schauspielkollegin oder der Schauspielkollege nachkommen. Solche Momente wollen Chris Dumser und Lorena Kanders einfangen. Denn diese Facetten der Berlinale würden in Boulevard-Magazinen oft zu kurz kommen. "Dafür ist kein Platz", bedauern die beiden. Dabei gehe viel verloren. "On Scene" will mehr zeigen. Die Stimmung, die Emotionen, das was bleibt, wenn alle Besucher schon gegangen sind.

Helen Mirren lässt sich an diesem Tag nicht mehr blicken. Chris Dumser und Lorena Kanders nehmen es gelassen. Sie haben in der Zwischenzeit den Cast vom Wettbewerbsfilm "Totém" abgelichtet. Niemand stand in der Fan-Area. Die Schauspieler sind ziemlich unbekannt. Sie haben sich gegenseitig zugejubelt. Die kleine Hauptdarstellerin kann ihre Begeisterung nicht unterdrücken und reckt die Faust in die Luft. Sie jubelt. Großartige Bilder, viel Emotion. Berlinale eben, in all ihren Facetten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.02.2023, 18:45 Uhr