Marode Stromleitungen - Wie gefährlich eine veraltete Hauselektrik für Mieter werden kann

So 12.02.23 | 10:34 Uhr | Von Bendrik Muhs
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Esther Verma fotografiert die alte STromleitung.(Quelle:rbb)
Video: Super.Markt | 30.1.2023 | Bendrik Muhs | Bild: rbb

Ein Brand hat die Mietwohnung einer Berliner Familie unbewohnbar gemacht. Zu dem Unglück kam es offenbar durch veraltete Stromleitungen. Und die sind gerade auf dem Berliner Wohnungsmarkt weit verbreitet. Von Bendrik Muhs

  • Nach Schätzungen sind in rund einem Viertel der Berliner Wohnhäuser die Stromleitungen marode
  • Vermieter von Privatwohnungen sind nicht verpflichtet, Leitungen regelmäßig zu prüfen
  • Marode Stromleitungen können Brände auslösen

Esther Verma kann es immer noch nicht glauben: Von ihrer gemütlichen Familienwohnung in Berlin-Friedenau sind nur Ruß verseuchte Räume geblieben. Im September vergangenen Jahres kam es bei der fünfköpfigen Familie zur Brand-Katastrophe, mutmaßlich ausgelöst durch eine Verteilerdose an der Wand. Als das Feuer ausbricht, ist nur die 20-jährige Tochter von Esther Verma zu Hause. Der Brand entwickelt sich innerhalb von wenigen Sekunden. Die Tochter habe noch überlegt, ob sie mit dem kleinen Feuerlöscher den Brand löschen soll. "Aber sie meinte, es war eine Feuerwalze. Es war viel zu groß von Anfang an", erinnert sich Esther Verma. "Sie sagte, es war eine Sache von einer Minute. Und dann ist sie raus, hat die Leute aus den Wohnungen getrommelt. Aber ich war so geschockt, weil klar war, wie knapp das war. Ich hatte Angst gehabt ohne Ende, ich war so froh, dass meine Kinder noch leben."

Ein Teil der Hauselektrik ist rund 100 Jahre alt

Die genaue Brandursache ist bis heute, knapp fünf Monate nach der Katastrophe, immer noch umstritten. Aber Esther Verma ist überzeugt: Alte Stromleitungen haben den Schmorbrand verursacht. Schon vor gut zwei Jahren war es an einer anderen Dose zu einem Schmorbrand gekommen.

Während die Hausverwaltung immer noch prüft, entscheidet sich Esther Verma, eine private Zustandsbewertung anfertigen zu lassen. Der Elektriker kommt zu einem schockierenden Ergebnis – in einer Wohnung, in der sich sogar noch alte Holzlichtschalter finden: "Ein Teil der vorhandenen Leitungen sind sogar noch stoffummantelt und damit geschätzt circa 100 Jahre alt. Die vorgefundene Elektroinstallationsanlage entspricht nicht dem heutigen Stand der Technik. Die Anlage ist überlastet und in Teilen falsch ausgeführt", so der Bericht.

Fachmann: Ein Viertel aller Berliner Mietshäuser mit veralteten Elektro-Installationen

Mike Heider, Mitglied der Elektro-Innung Berlin, ist mit seiner Firma spezialisiert auf den Aufbau und die Sanierung von Elektro-Anlagen. Er schätzt den Sanierungsstau in Berliner Mietshäusern auf bis zu 25 Prozent. Mit anderen Worten: Rund ein Viertel aller Wohnungen wird mit elektrischen Leitungen betrieben, die veraltet sind und dringend ausgetauscht werden müssten. Die Gefahr für Leib und Leben trägt der Mieter.

"Wir haben natürlich das Problem, dass sich Vermietung heute nach ganz anderen Dingen richtet", sagt Heider. Ganze Straßen werden gekauft und in irgendwelchen Fonds nachher eingelagert. Und da geht es in erster Linie darum, Gewinne zu erwirtschaften für die Anleger, und da gibt es dann natürlich den Sanierungsstau, denn ich gebe nicht für etwas Geld aus, was in erster Linie Geld erwirtschaften soll."

Und das ist sogar gesetzlich erlaubt: Denn nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes von 2008 sind Vermieter von Privatwohnungen nicht verpflichtet, die Elektrik zu überprüfen. Bei Büro und Gewerberäumen sind diese Checks hingegen alle zwei Jahre verpflichtend. "Ein Arbeitnehmer ist am Arbeitsplatz sicherer als in seiner vermieteten Wohnung", sagt Heider.

Nach fünf Monaten noch keine Aussage über Schadensersatz

Zurück zu Esther Verma: Sie hat inzwischen ihren Vermieter wegen fahrlässiger Brandstiftung und Körperverletzung angezeigt. Ihre Familie ist notdürftig in zwei kleinen Wohnungen untergekommen. Seit fünf Monaten befindet sich ihr Leben im Ausnahmezustand. Der Vermieter, den der rbb um eine Stellungnahme gebeten hat, gibt keine Auskunft. "Es ist anstrengend für mich, ich konnte nicht gut arbeiten mit dieser ganzen Geschichte. Jetzt sind ungefähr fünf Monate vergangen, und uns wurde noch kein Schadensersatz angeboten", sagt Esther Verma.

Doch zumindest, was den Anspruch auf Schadensersatz angeht, ist man beim Berliner Mieterverein zuversichtlich. Denn einen Trumpf hat Esther Verma in der Hand: Sie hatte den Vermieter mehrfach auf die fehlerhafte Elektrik in ihrer Wohnung hingewiesen.

Werde dem Vermieter ein Mangel angezeigt und komme er der Aufforderung, diesen zu überprüfen, nicht nach, "dann befindet sich der Vermieter im Verzug. Und wenn es tatsächlich zu einem Wohnungsbrand kommt, dann sind Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter möglich", sagt Wibke Werner von Berliner Mieterverein.

Den aktuellen Anforderungen nicht gewachsen

Der Brand bei Esther Verma ist kein Einzelfall. Auch die Statistik belegt das Problem: Knapp ein Drittel aller Brände entsteht durch Elektrizität. Alte Stromleitungen sind für die Vielzahl unserer elektrischen Geräte nicht gemacht und werden schnell überlastet. Verschärft wird die Lage jetzt noch durch die Energie-Krise: Heizlüfter waren etwa der Renner der letzten Saison. Gepaart mit den alten Elektroleitungen können sie zur potenziellen Gefahr werden.

Geht man davon aus, dass so eine alte Leitung mit 10 Ampere gesichert ist, so ergibt sich eine Leistung von 2.300 Watt. Schließt man nun einen Heizlüfter mit 1.700 Watt und eine herkömmliche Kaffeemaschine an diese Leitung an, kommt es schon zur Überlastung. Im besten Fall springt die Sicherung raus.

"Wenn der Winter jetzt wieder kälter wird, dann steigt natürlich auch das Risiko von Bränden, klar", sagt Mike Heider von der Elektro-Innung Berlin.

Mit einem "E-Check" auf der sicheren Seite

Wer als Mieter auf Nummer sicher gehen will, dem bleibt nur der 1996 eingeführte E-Check. Für rund 200 Euro erhält der Mieter von einem zertifizierten Elektro-Unternehmen einen Bericht über den Zustand seiner Leitungen. Werden hier eklatante Sicherheitsmängel festgestellt, hat der Mieter etwas in der Hand, mit dem er seinen Vermieter unter Druck setzen kann. Einziger Nachteil: Die Kosten für den E-Check müssen die Mieter selbst tragen.

Für Esther Verma und ihre Familie geht es nun auch darum, andere zu warnen. Denn sie glaubt nicht, dass es sich bei ihrer Wohnung um einen Einzelfall handelt, in der Millionenmetropole Berlin: "Das wird in vielen Häusern in Berlin so sein, und ich möchte wirklich, dass die Menschen darauf aufmerksam werden, dass sie von ihren Hauseigentümern einen Nachweis fordern: Wie alt ist meine Elektrik? Wann ist da das letzte Mal etwas gemacht worden? Und das Ganze bitte immer schriftlich. Denn alles, was mündlich gesagt wird, zählt gar nichts, selbst wenn man Zeugen hat, ist es schwer."

Viele Berliner Altbaumieter müssen sich also, so traurig es ist, selbst um ihre Elektro-Sicherheit kümmern. Frei nach dem Motto: Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner.

Sendung: Super.Markt, 30.01.2023, 20:15 Uhr

Beitrag von Bendrik Muhs

20 Kommentare

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  1. 20.

    Eine Sanierung ist noch keine Verbesserung.Erst wenn diese Eintritt kann die Miete angehoben werden.Eigentum verpflichtet und muss auch instand gehalten werden.Da der Mieter keinen Zugriff auf die unter Putz liegenden Leitungen hat,hat er auch keinerlei Verpflichtung sie im Sinne von Schönheitsreparaturen oder Anderen zu reparieren.Die Kosten trägt allein der Vermieter ,auch die Folgekosten.Ein guter Rechtsanwalt,plus Versicherung wirken da Wunder.

  2. 19.

    Übrigens gibt es Wohnungsunternehmen (z. B. Genossenschaften), die zumindest die Sicherungskästen in ihren Mietwohnungen halbwegs regelmäßig checken lassen (Stichwort FI-Schalter). Und komisch, warum soll etwas bei Mietwohnungen nicht funktionieren, was in Büros klappt? Da stehen gewöhnlich auch Möbel rum, und trotzdem werden die Steckdosen gecheckt. Muß in Privathaushalten ja nicht alle vier Jahre sein, aber alle 20 (und/oder Komplettcheck verpflichtend vor Neuvermietung)wäre ja schon mal ein Fortschritt!

  3. 17.

    Es geht nicht nur um den Strom, sondern auch um Anforderungen an die Elektroinstallation die mit dem Anschluss einer PV-Anlage zu erfüllen sind. Damit Mieter und andere nicht zu Schaden kommen. Das sind Technischen Parameter wie Isolation, Schleifenwiderstände und Potentialausgleich etc. Diese Anforderungen können >30 Jahre alte Installationen nicht erfüllen. Der Fachbetrieb haftet auch für Schäden und das sogar Strafrechtlich wenn Menschen zu schaden kommen.

    Eine Modernisierung führt immer zu einem Mehrwert für den Mieter und dieser lässt sich nur umlegen. Ist die Anlage zu alt und kann auch unter den Bedingungen des Bestandsschutzes nicht im Ordnungsgemäßen zustand gehalten werden zahlt der Vermieter. Das mit den Bestandsschutz ist bei Elektroanlagen eine heikle Sache, wenn sie so eine PV-Anlage einbinden kann es dazu führen das dieser erlöscht und sie die Elektroanlage neu errichten müssen!

  4. 16.

    Ich glaube, dass es einfacher ist, diese Leistung als Mieter zu beauftragen"
    Verstehe.
    Dann ist also künftig der Mieter für den ordnungsgemäßen Zustand der vermieteten Sache zuständig.
    Könnte man ja auch noch erweitern: Der künftige Mieter kommt im voraus für die Baukosten auf.

  5. 15.

    Wie wieder alle glauben sie könnten für 3,50 € kalt goldene Stromleitungen und Wasserhähne, 3fach verglaste Fenster, neue Dächer - Treppenflure, Strangsanierung und all sowas haben. Willkommen in der Realität. Falls das im Sozialismus noch nicht angekommen ist.. die Firmen verlangen dafür Geld. Momentan BSR, Lehrer usw fordern 2 stellige Tarifzuwächse. Handwerker nicht? Die verdienen 1000 Jahre das selbe? Die ganzen Preissteigerungen wegen der sinnlosen Sanktionspolitik und Energieverweigerung gegenüber Russland tut ihr übriges.
    Deswegen haben Gemeinden damals dieses "Geschäft" abgestoßen. Und das Selbe wird in absehbarer Zeit weider passieren. Weil die politisch möglichen Mieten nicht für den Unterhalt ausreichen. Auf 10 Milliarden Schulden beziffert sich das Defizit der Landeseigenen Wohnungsgesellschaften = über 30.000 für jede einzelne Wohnung von denen.
    Wären Wohnungen so leistbar wie manche sich einbilden, dann hätte ja jeder seine eigene.

  6. 14.

    Eine Erneuerung ist keine Instandhaltung!!
    Bei einer Erneuerung müssen die Wände im ganzen Gebäude aufgeklopft werden, die alte Leitungen raus,neue rein, zusätzlich dem heutigen Bedürfnissen erweitert, danach müssen die Wände zugespachtelt werden, geglättert,und neu tappeziert und gestrichen werden, das Ganze nennt sich Sanierung.
    Jede Sanierung kann auf die Miete umgelegt werden.
    Die Überprüfung der Elektroleitungen obliegt dem Mieter, so hat das BGH 2008 entschieden, ergo trägt der Mieter die Kosten.
    Auch Wartungskosten können auf die Mieter umgelegt werden, Reparaturkosten nicht, bis auf Kleinreparaturen innerhalb der Wohnung, bis zu einen in Mietvertrag festgelegten Betrag, meist um die 100 Euro..

  7. 13.

    Ich glaube, dass es einfacher ist, diese Leistung als Mieter zu beauftragen als selbst mit dem Werkzeugkasten durch die eigene Wohnung zu laufen.

  8. 12.

    Bedeutet das, das die ordnungsgemäße Instandhaltung der Stromleitungen zu den umlagefähigen Mietnebenkosten gehört?
    Bedeutet das, das die Überprüfung der Elektroleitungen nur im Rahmen einer Sanierung der gesamten Wohnung möglich ist?

  9. 11.

    Die meisten wissen leider nicht wie aufwändig und teuer eine Modernisierung der Elektrik ist. Mieter schreien schon auf wenn sie hören, dass die Wände aufgestemmt werden müssen. Inklusive neuem Zähler etc. dauert das auch eine Weile.

  10. 10.

    Eine Sanierung wird von den Mietern meistens nicht gewollt, und der Senat schützt auch gerne Mieter in veralterten Gebäuden vor einer Sanierung.

    Ergo, beide Seiten nehmen lieber dieses Risiko auf sich, man muss ja eine Mietehöhung verhindern.

  11. 9.

    Und schon sehe ich das Bild vor mir: Tausende alte Ommas laufen zwei mal im Jahr mit dem Werkzeugkasten durch die Wohnung und reparieren ihre Elektroinstallationen.
    Der Vermieter soll ja auch nun wirklich keine Arbeit haben. Es reicht ja schon, wenn er jeden Monat den Mieteingang kontrolliert.

  12. 8.

    ich denke das viele Mieter zu viele elektrische Geräte betreiben und dabei nich wissen wollen wie viel Stromabgabe ( Geräte)stattfindet und die Sicherungen durch stärkere Sicherungen aus( ge)tauschen. Die Leitungen sind veraltet 2,5 mm²Alu oxidiert bzw. leiden unter Alterung. Laut VDE 100 sollten schon in den 1980 Jahren diese ausgetauscht werden wozu leider der Vermieter nicht verpflichtet war, weil fehler der Staatlichen Verwaltung/ Politik als betreiben.

  13. 7.

    Was sollen die verarmten Immobilienkonzerne noch alles stemmen?
    Will man das ändern bleibt nur eine verpflichtende Prüffrist für Mietwohnungen.
    Als Hausbesitzer kümmert man sich selbst darum dann ist eine PV Anlage auch kein Problem.

  14. 6.

    Übrigens gibt es Vermieter die diese Prüfung regelmäßig veranlassen, weil sie von ihrer Gebäudeversicherung dazu vertraglich verpflichtet werden oder sich Beiträge also Risiken senken lassen. Eine Sanierung einer Elektroanlage in einer bewohnten Wohnung ist nahezu unmöglich. Die Lösung mit Kabelkanälen (Aufputz) wird vom Mieter kaum akzeptiert und selbst die erzeugt jede Menge Dreck und Unmut. Wie schon erwähnt ist selbst die Prüfung für alle beteiligten mit hohen Stress verbunden, wenn Möbel zu entfernen sind und Leuchten abgeklemmt werden müssen um eine Prüfung erst zu ermöglichen. Einige Elektrounternehmen lehnen diese Aufträge auch dankend ab...

  15. 5.

    Wenn die Leitung nicht mal 600 Watt der PV Anlage (nur unter absolut optimalen Bedingungen) aushält, dann sollten sie auch nicht z.B. ihren Heizlüfter einschalten.
    Größere PV Anlagen als die Balkonkraftwerke unterliegen sowieso weiteren Prüfungen und Auflagen.

  16. 4.

    Als Nutzer muss man sich kümmern. Die Kabelklemmen in Verteiler- u. Steckdosen nachziehen reicht aus. Dann brennt auch nichts. Sieht man auf dem Bild...
    Ich würde gar nicht auf die Idee kommen, dass andere das für mich zu machen haben.

  17. 3.

    Können denn Mieter nicht ihre Leistungen regelmäßig durch einen Elektriker überprüfen lassen? Wenn es einem wichtig ist, muss man es halt selbst machen.

  18. 2.

    Das Problem ist ja auch jenen das in einer Vermieteten Wohnung der Austausch von Leitungen schwierig und Aufwändig ist. Mit dem Interessen einen bewohnten Wohnung nicht zu vereinbaren. Alleine die Prüfung der Anlage stellt den Fachmann vor Schwerwiegenden Problemen. Verstellte Betriebsmittel etc.. Für 200€ ist so eine Prüfung gerade wenn Betriebsmittel abgeklemmt werden müssen nicht zu machen. Genau deswegen sind alle Beteiligten froh damit sich nicht beschäftigen zu müssen. Man hat das auf dem Mieter abgeschoben und wie solle eine Leihe beurteilen ob die Anlage in einem Ordnungsgemäßen zustand ist? Nun kommen noch private PV-Anlagen hinzu!

  19. 1.

    "Bei Büro und Gewerberäumen sind diese Checks hingegen alle zwei Jahre verpflichtend."
    Falsch. Bei ortsfesten E-Anlagen sind es 4 Jahre.

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