Berlin-Mitte - Friedrichstraße wird ab Juli wieder für Autos freigegeben

Di 23.05.23 | 21:36 Uhr
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Symbolbild: Mitarbeiter eines Planungsbüros tragen am 01.02.2023 Sitzelemente für Bänke auf der Friedrichstrasse. (Quelle: dpa/Carsten Koall)
Video: rbb|24 | 23.05.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa/Carsten Koall

Ein langes Gezerre geht in die nächste Runde: Ab Juli sollen wieder Autos durch die Berliner Friedrichstraße fahren dürfen. Allerdings nur unter Vorbehalt: Im Herbst sollen Anwohner dann über die Zukunft der Straße mitentscheiden.

  • Sperrung der Friedrichstraße wird ab Juli aufgehoben
  • Neues Konzept soll ab Herbst erstellt werden - mit Beteiligung der Anrainer und für einen größeren Bereich mit Gendarmenmarkt und Checkpoint Charlie
  • Grünen-Bezirksbürgermeisterin Remlinger gegen Freigabe für Autoverkehr
  • Kritik von den Grünen, Lob von FDP und AfD
  • Jahrelanges Hick-Hack mit offenem Streit im damaligen Senat

Die Berliner Friedrichstraße wird vorerst ab 1. Juli wieder für den Kfz-Verkehr freigegeben. Das teilte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt am Dienstag mit.

Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) revidiert damit die Verkehrspolitik des Vorgänger-Senats an der Friedrichstraße. "Wir streben für die Friedrichstraße und angrenzende Bereiche ein städtebauliches Konzept zur bestmöglichen Entwicklung und Gestaltung des Gebietes an, das den Bedarf und die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner sowie Gewerbetreibenden berücksichtigt", so Schreiner.

Neues Gesamtkonzept mit Anrainern ab Herbst

Ab Herbst soll dann ein Beteiligungsverfahren mit Anwohnern beginnen, um dieses Konzept zu erarbeiten, wie die Senatsverwaltung weiter mitteilte.

Schreiner reagiert mit ihrer Entscheidung auf mehrere Widersprüche von Anwohnern und ein Eilverfahren vor Gericht. Anrainer versuchen auf diesem Wege, die vom Bezirk Mitte verfügte sogenannte Teileinziehung anzufechten. Sie ist die rechtliche Basis für die Sperrung der Straße für Autos. Schreiner sprach von einem "Moratorium", das sie den Beschwerdeführern angeboten habe.

Der Verkehrssenatorin zufolge geht es bei der zukünftigen Planung ab Herbst um einen größeren Bereich und nicht nur den wenige hundert Meter langen Abschnitt der Friedrichstraße. Die historische Mitte im Umfeld des Gendarmenmarktes, der Friedrichstraße und des Checkpoint Charlie müsse "gemeinsam gedacht" werden, so Schreiner.

Grünen-Bezirksbürgermeisterin sieht Zurück zum Autoverkehr skeptisch

Die Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Mitte, Stefanie Remlinger (Bündnis 90/Die Grünen), kritisierte im rbb die Pläne des Senats, die Friedrichstraße wieder für den Autoverkehr freizugeben. Sie sagte der rbb24Abendschau am Dienstag, sie bezweifle, dass dies helfe, die Straße zu beleben und den Konsum anzukurbeln: "Davon, einfach nur Verbrenner wieder durchzuschicken, wird sicher nicht das (Kaufhaus) Lafayette boomen und die Frauen wieder Escada kaufen", so Remlinger.

Verkehrssenatorin Schreiner hatte ihren Einspruch gegen die Sperrung auch mit rechtlichen Bedenken begründet. Die Friedrichstraße war vom Bezirk sofort für den Autoverkehr gesperrt worden. In diesem "sofort" hatte die Senatorin Anlass gesehen, hier einzugreifen. Für dieses "sofort" sei eine Dringlichkeit erforderlich, so Schreiner. "Wir als Widerspruchsbehörde haben die nicht gesehen haben."

Kritik und Zustimmung

Die Entscheidung wird unterschiedlich bewertet. Während der Koalitionspartner SPD sich hinter die Senatorin stellte, kritisieren die Grünen eine "Symbolpolitik", die am Ende vor allem der Friedrichstraße schade.

Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Tino Schopf, nannte die angekündigte Aufhebung der Sperrung richtig. "Das jetzige Erscheinungsbild der Friedrichstraße ist nicht einladend", sagte er. Ähnlich wie zuvor die Verkehrssenatorin plädierte Schopf dafür, einen größeren Stadtraum in den Blick zu nehmen. Neben der Friedrichstraße müssten auch stark frequentierte Orte wie das Brandenburger Tor, der Checkpoint Charlie und der Gendarmenmarkt in die Planung einbezogen werden.

Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, nannte die Öffnung der Straße für Autos dagegen "nichts weiter als Symbolpolitik, die am Ende der Friedrichstraße selber schadet". Es sei vollkommen unnötig eine funktionierende Fußgängerzone zu schließen, kritisierte Kapek. "Vor allem wenn im Sommer sehr viele Touristen in die Stadt kommen werden und am Ende des Tages die Gewerbetreiben die Leidtragenden sind, wenn die Attraktivität der Friedrichstraße für den Tourismus sinkt", gab die die Grünen-Politikerin zu bedenken.

Der Generalsekretär der Berliner FDP, Lars Lindemann, sprach von einem gescheiterten Experiment. Es sei daher folgerichtig, dass die Straße wieder für alle Verkehrsteilnehmer freigegeben werde. Lindemann forderte mit Blick auf neue Planungen: "Alleingänge, die nur zu Frust und Spaltung führen, darf es nicht mehr geben."

Auch die AfD begrüßte die Freigabe. Die Friedrichstraße sei die einzige bezirksübergreifende Nord-Süd-Verbindung zwischen Tiergartentunnel und Alexanderplatz und "ist daher für einen funktionierenden Individualverkehr in der Mitte Berlins unverzichtbar", teilte die Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker mit.

Nutzung der Friedrichstraße seit Jahren heiß diskutiert

Die Nutzung der Friedrichstraße ist seit Jahren umstritten: Der Bereich war ab August 2020 für mehr als zwei Jahre im Rahmen eines Verkehrsversuchs für Autos gesperrt. Dieser Versuch endete im Oktober 2021, die Sperrung wurde aber aufrechterhalten.

Eine Händlerin aus der parallel verlaufenden Charlottenstraße klagte gegen die Sperrung für Autos - und war damit im Oktober 2022 vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich. Zwar hatte die Verkehrsverwaltung nach dem Ende des Verkehrsversuchs beantragt, den Teil der Friedrichstraße dauerhaft umzuwidmen - für die Zwischenzeit durfte der Senat aber nicht aus städtebaulichen Gründen die Sperrung anordnen, urteilte das Gericht. Dies sei nur aus Gründen der Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr möglich, hieß es. Vor dem Abschluss des Umwidmungs-Verfahrens scheide eine Sperrung daher aus.

Ende Januar 2023, also kurz vor der Wiederholungswahl zum Berliner Senat am 12. Februar, kam es dann zu einem offenen Streit im Senat. Die Friedrichstraße wurde auf Betreiben der damaligen Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) und des Bezirks Mitte zu einer Fußgängerzone umgewidmet und erneut für Autos gesperrt. Die damalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kritisierte ihre Koalitionspartnerin.

Sendung: rbb24 Abendschau, 23.05.23, 19:30 Uhr

140 Kommentare

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  1. 140.

    Soll das etwa heißen, dass eine häufigere Nutzung von einem Verkehrsmittel dazu führt, dass es öfters an Unfällen beteiligt ist? Das hat doch bestimmt die CIA herausgefunden...

    Falls ja, könnte man die ja auch mal fragen, welches Verkehrsmittel bei den meisten Unfällen mit Fahrrädern Verursacher ist. Insbesondere bei jenen Unfällen mit Personenschäden. Aber Achtung: Die Antwort könnte Teile der Bevölkerung verunsichern.

  2. 139.

    Kirche im Dorf.

    Sie stellen die F-Str als Paradies dar, welches sie nie war. Na dann. Bitte achten sie darauf, wie oft sie nochmal hinfahren werden, wenn es wieder eine Autostrasse ist.

  3. 138.

    Richtig!

    Paris macht die Innenstadt zur Verkehrsberuhigten Zone.

    Wien hat ein 365€ Ticket für den ÖPNV eingeführt.

    Es machen echt alle Grossstädte was für die Mobilitätswende nur Berlin baut ne Autobahn. Mien Kollegen aus der Schweiz und Schweden lachen uns aus. Es ist peinlich.

  4. 137.

    hö? Ist das ihr ernst? Was meinen Sie wofür es ein Fahrradticket gibt?

    Oder was wollen sie genau sagen?

  5. 136.

    "Dafür kenne ich die Friedrichstraße noch aus Zeiten, als sie noch besuchenswert war."

    Dann müssen sie mindestens 100 Jahre alt sein. Im Krieg und erst recht danach in der SBZ/DDR war die Friedrichstraße grau und tot. Was nach 1989 nicht besser wurde.

  6. 135.

    "Ist schon schlimm genug, dass S-und U-Bahnen zu Fahrradtransportern geworden sind !"

    Warum, die bezahlen doch dafür.

  7. 134.

    Wie sieht eigentlich die Unfallstatistik 2021/2022 aus??? 2013 iwar fast die Steinzeit! Laut Krankenkassen gab es 2021 einen 8 fachen Anstieg Radfahrer/Radfahrer, Fußgänger/Radfahrer 6 Fach. Auto/andere Verkehrsteilnehmer rückläufig!

  8. 133.

    Sie haben vollkommen Recht. Seit ich 65 bin und nichtmehr arbeiten gehe, meide ich die Innenstadt. Es ist einfach nichtmehr meine Stadt :-( Und ja - ich bin älter und nicht nur an Spasshaben interessiert. Dafür kenne ich die Friedrichstraße noch aus Zeiten, als sie noch besuchenswert war.

  9. 132.

    "Max, einfach mal 100-120 Jahre zurück schauen. Da haben schlaue Planer und Politiker eine Menge Geld für den Bau von U-Bahn und S-Bahn in Berlin in die Hand genommen."

    Vor 100 Jahren hatten wir das beste Verkehrsnetz der Welt und bei weiten nicht so viel Autoverkehr!

    "Nur Bus und Bahn zu denken ist ein bisschen zu eng gedacht." Wir brauchen die Verkehrswende jetzt und nicht in 30 Jahren, mal abgesehen wie irre teuer ein U-Bahn Kilometer ist.

    "Individualer Verkehr entsteht, wenn Menschen aus den Außenbezirken oder der Peripherie in die Innenstadt kommen."

    Damals war Berlin auch nicht so zersiedelt, Die Leute wohnen im Speckgürtel oder der Peripherie weil sie im Grünen leben wollen oder sich die Miete nicht mehr leisten können. Das muß sich ändern.

    Dann erübrigt sich aich die schlechte Anbindung des Speckgürtels. Für die Außenbezirke wäre Bahnen und Busse auch die schnellste Lösung... wenn sie nicht im Stau stehen weil Pendler aller vollstauen.

  10. 131.

    Also bleibt die Friedrichstraße offen. Die Diskussion mit Anwohner und Konzepterarbeitung (ab Herbst) sind nur Zeitfresser. Dann muss daraus ein Konzept erarbeitet werden, abgestimmt, finanziert und geprüft werden. Das wird in dieser Amtszeit nichts, aber dann kann man es ja nochmal zum Wahlkampf rausholen oder wenn es vergessen wird, muss man ja auch nichts mehr machen.
    Bisher müssen sich bei dem neuen Senat wieder die schlechtergestellten Verkehrsteilnehmer weiter einschränken. So viel zum "Ausgleich".

  11. 130.

    Hmm, warum erst so spät? War die Sperrung vielleicht doch nicht gar so unsinnig?

  12. 129.

    Die Berliner Innenstadt ist regelrecht durchsiebt von schienengebundenen und anderen ÖNVP-Angeboten. Zuverlässiger könnte das Angebot schon sein, aber Hunderttausende nutzen täglich dieses auf keinen Fall unattraktive Angebot, andere quälen sich lieber durch die Staus, obwohl direkt an ihrem Arbeitsplatz ein U-Bahn-Eingang liegt.

  13. 128.

    Ist Ihnen mal aufgefallen, dass es wie immer nur um die Innenstadt innerhalb des S-Bahn Rings geht, ich wohne in Bohnsdorf, sowieso schon täglich mindestens 3 Stunden Fahrzeit und dann eine total tote Friedrichstraße? Die ist zur "Ghost City " mutiert. Gruselig. Für den ÖPNV in den Stadtrand wird bis jetzt....NICHTS! getan. Ich habe mittlerweile die Nase voll, jetzt noch SEV an den Stadtrand, ich werde mir jetzt doch wieder ein Auto kaufen. Der " Klimaschutz" ersetzt mir keine sinnlos vergeudete Zeit, und wenn man dann abends noch Angehörige zu pflegen hat, muss man Prioritäten setzen, und der Klimaschutz ist es nicht . Aber die Friedrichstraße ist einfach ein gutes Beispiel für sinnlose grüne Verkehrspolitik. Außer wenige Touris und einige wenige, offensichtlich sehr gut verdienende ausländische Büroangestellte sitzt dort niemand auf den Bänken, schon garkeine Berliner, und für die sollte doch eigentlich die Stadt zuerst einmal ein "zu Hause sein " Ort sein.

  14. 127.

    Die Straßenbahn fürs Fahrrad ? Ich dachte, Strassenbahnen sind für Fußgänger, Kinderwagen und Rollstuhlfahrer ......Ist schon schlimm genug, dass S-und U-Bahnen zu Fahrradtransportern geworden sind !

  15. 125.

    Ihr "Kommentar" ist überflüssig und somit kindisch. Wer sind denn "Andere" und schädigen die damit die Allgemeinheit, die das auch noch finanziert? Ich glaube kaum.

  16. 124.

    Max, einfach mal 100-120 Jahre zurück schauen. Da haben schlaue Planer und Politiker eine Menge Geld für den Bau von U-Bahn und S-Bahn in Berlin in die Hand genommen. Davon profitieren wir heute noch. Nur Bus und Bahn zu denken ist ein bisschen zu eng gedacht. Individualer Verkehr entsteht, wenn Menschen aus den Außenbezirken oder der Peripherie in die Innenstadt kommen. Dort fehlt es an Angeboten, vernünftig mit ÖPNV in die Stadt zu kommen.

  17. 123.

    Die Friedrichstraße hat neben dem Friedrichstadtpalast kein nennenswertes Alleinstellungsmerkmal. Sie wurde nach der Wende als Ku'Damm-Konkurrenz gehypt, konnte die Erwartungen aber nie erfüllen.

    Die RRG-Maßnahmen in der F. sind dabei auch nur ein Ersatz für die ursprünglich angedachte "Flaniermeile" auf dem "Prachtboulevard" Unter den Linden.

  18. 122.

    Und warum??? Weil Eine bis Zwei Fahrspuren entgegen den Rechtsstaat zwangsvereinnahmt wurden!!! Und trotzdem benötigen die Menschen vom Dorf noch die Busspur, Fußweg und ganz besonders die Straßenbahn für's Fahrrad!!!

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