Rund 1.000 Teilnehmer - Brandenburger Mittelstandsinitiative protestiert in Cottbus gegen Bundesregierung

Mo 29.01.24 | 13:12 Uhr
Kundgebung der Initiative auf dem Cottbuser Altmarkt (Bild: Aspasia Opitz/rbb)
Audio: rbb24 Inforadio | 27.01.2024 | Isabelle Schilka | Bild: rbb/Opitz

Rücktritt der Bundesregierung, ein Ende der Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland - mit diesen und weiteren Forderungen protestierten am Freitag hunderte Menschen in Cottbus. Aufgerufen hatte die Mittelstandsinitiative. Von I. Schilka und F. Ludwig

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen hat die Brandenburger "Mittelstandsinitiative" zu einer Demonstration in Cottbus aufgerufen. Dem Aufruf folgten am Freitag nach Schätzungen mehrerer rbb-Reporter etwas mehr als 1.000 Teilnehmer. Die Mittelstandsinitiative hatte zuvor mit etwa 2.500 Teilnehmern gerechnet und sprach gegenüber der Deutschen Presse-Agentur von 3.500 bis 4.000 Teilnehmern. Die Polizei wollte keine offiziellen Teilnehmerzahlen veröffentlichen.

Nach einer Kundgebung auf dem Cottbuser Altmarkt, bei der auch der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) als Redner auftrat, bewegte sich der Demonstrationszug gegen 13.30 Uhr an der Cottbuser Stadthalle vorbei und führte über die Bahnhofstraße und Spremberger Straße schließlich wieder zurück zum Altmarkt.

Steinbach war nach eigenen Angaben auf eigene Initiative zu der Kundgebung gekommen und nicht von der Mittelstandsinitative eingeladen worden.

Gegen "Idiotie und Ideologie" und die Unterstützung der Ukraine

Die Mittelstandsinitiative hatte unter dem Titel "Aufstand gegen Idiotie und Ideologie" aufgerufen, gegen die Politik der Bundesregierung zu demonstrieren. Zu den Forderungen gehören etwa eine "Verbesserung der wirtschaftlichen und energiepolitischen Situation für Deutschland" und "Planungssicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sowie Anerkennung und Wertschätzung der Leistungen".

Zu den Forderungen gehört auch ein Rücktritt der Bundesregierung, wie der Sprecher der Initiative, Thomas Knott, der Deutschen Presse-Agentur sagte. Auch ein Ende der Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland wird auf der Webseite der Initiative gefordert. "Es muss klar sein, dass wir als aktive Mitte der deutschen Gesellschaft dies nicht mittragen und nicht dulden werden", heißt es dort.

In ihrem Demonstrationsaufruf für Freitag äußerte die Initiative, man beobachte seit Jahren eine "Abwärtsspirale" in Deutschland. Die Medien würden "Propaganda" verbreiten und seien "Handlanger" der Regierung. "Das ist bereits erwiesen", heißt es in dem Aufruf. "Auch wenn der eine oder andere Begleiter der Demonstrationen eine etwas härtere Wortwahl findet, so ist dieser noch lang nicht rechtsextrem", heißt es von der Initiative zudem.

IHK und Wirtschaftsminister distanzieren sich

Zur Begründung für seinen Auftritt bei der Veranstaltung erklärte Wirtschaftsminister Steinbach: "Wenn wir unsere Demokratie in irgendeiner Form erhalten wollen und sie hier nicht den Bach runtergehen soll, dann muss man sich dieser Diskussion stellen, so unangenehm sie auch immer ist. Das heißt, man muss hingehen, wo es weh tut, und das habe ich heute praktiziert." Bei seiner Rede wurde er von massiven Buhrufen gestört.

"Die vorgefasste Meinung, das ist aus den Reden auch hervorgegangen, beruht leider Gottes nicht auf den richtigen Fakten", sagte Wirtschaftsminister Steinbach nach der Kundgebung. Die Vorwürfe, die auf der Bühne in Richtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben worden seien, seien unsäglich. Ein Rücktritt der Regierung würde die Probleme des Mittelstands nicht lösen, so Steinbach gegenüber dem rbb weiter.

Reporter des rbb wurden bei der Veranstaltung als Vertreter der "Lügenpresse" bezeichnet. Meinungen und Forderungen der Teilnehmer wirkten teils diffus auf die anwesenden rbb-Journalisten. Ein Teilnehmer bezeichnete die Ampelregierung als Nazis, eine andere Teilnehmerin äußerte sich gegenüber dem rbb offen ausländerfeindlich. Ein weiterer Demonstrant erklärte, in Deutschland gebe es keine Demokratie.

Ein Redner sprach auf der Bühne vom "Bevölkerungsaustausch", der im Gange sei. Dabei handelt es sich um eine rechtsextreme Verschwörungserzählung, laut der die deutsche Bevölkerung durch Ausländer "ausgetauscht" werden soll.

"Die meinen das nicht so"

Neben Wirtschaftsminister Steinbach traten als Redner auch Vertreter der Kreishandwerkerschaft Spree-Neiße und die Präsidentin der Cottbuser Handwerkskammer (HWK), Corina Reifenstein, auf. Reifenstein ließ vorab erklären, sie trete nicht als HWK-Präsidentin auf, sondern als Unternehmerin. Protestierende zeigten während der Veranstaltung aber auch Plakate mit Slogans der Handwerkskammer.

Auf der Bühne sagte Reifenstein: "In den letzten 15 Jahren hat Südbrandenburg über 1.200 Handwerksunternehmen verloren. Es gab keinen Aufschrei, wie bei Galeria Kaufhof, betraf aber ebenso viele Familien. Diese Entwicklung muss gestoppt werden." Für diese Forderung gab es Applaus von den Demonstranten.

Die Unternehmerin zeigte sich in ihrer Rede außerdem gesprächsbereit gegenüber der Politik. In diesem Zusammenhang erntete Reifenstein allerdings mehrmals Buhrufe, als sie Namen von Landes- und Bundespolitikern nannte und zum Beispiel auf den Besuch von Wirtschaftsminister Steinbach hinwies. Angesprochen auf die negativen Reaktionen der Protestierenden erklärte HWK-Präsidentin Reifenstein: "Ich komme aus dem Baugewerbe, da ist es immer ein bisschen rauer - die meinen das halt nicht so."

Der Hauptgeschäftsführer der Cottbuser Industrie- und Handelskammer (IHK), Wolfgang Krüger, zeigte sich in einem Statement hingegen kritisch. Am Donnerstag vor der Demo erklärte er, dass man sich nicht als Partner an der Demonstration beteiligen werde. Man wolle das Gesamtinteresse der Wirtschaft abbilden, so Krüger. Eine "einseitige Parteinahme", beispielsweise als Mitveranstalter komme nicht in Frage. Die Mittelstandsinitiative hat laut Krüger etwa 400 Mitglieder, die IHK vertrete hingegen 35.000 Mitgliedsbetriebe in Südbrandenburg.

Krüger erklärte gegenüber der Politik gesprächsfähig bleiben zu wollen und warnte vor einer Radikalisierung des Protestes.

Erste Kundgebung nach großem Autokorso

Für die Mittelstandsinitiative ist es bereits die zweite größere Veranstaltung in Cottbus. Im Rahmen der bundesweiten Bauernproteste am 8. Januar hatte sich die Initiative bereits solidarisch erklärt und einen Autokorso in Cottbus organisiert. Stundenlang waren deshalb Straßen in der Cottbuser Innenstadt blockiert.

In der Mittelstandsinitiative Brandenburg sind Unternehmer aus der Region organisiert. Offiziell bezeichnet sich die Initiative selbst als parteiunabhängig.

Allerdings wird auf der Webseite der Initiative beispielsweise ein Artikel des Onlineportals "Tichys Einblick" geteilt, dessen Zielgruppe als im rechtskonservativen Spektrum verortet gilt. Auf Einladung der Mittelstandsinitiative war auch der Musiker Stefan Krähe am Rande des Cottbuser Stadtfestes im letzten Jahr aufgetreten, mit großer Unterstützung der Cottbuser AfD. Krähe war in der Vergangenheit bereits bei Reichsbürgerveranstaltungen aufgetreten und leugnete die Souveränität des deutschen Staates ebenso wie die Corona-Pandemie, wie die "Lausitzer Rundschau" bereits berichtete.

Der Sprecher des Bündnisses Matthias Schulze erklärt in einem auf der Webseite der Initiative veröffentlichten Brief, die Frage, ob Deutschland ein eigenständiger, souveräner Staat sei, berge nach Ansicht der Mittelstandsinitiative "viel politischen Sprengstoff". Ein Bekenntnis zum deutschen Staat in diesem Zusammenhang gibt es von der Initiative nicht. Während vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland auf der Webseite und bei Kundgebungen der Initiative verächtlich gemacht wird, wird auf der Webseite für sogenannte "alternative" Medien und Veranstaltungen geworben.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.01.2024, 18:20 Uhr


Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, Corina Reifenstein habe "angesprochen auf radikale Äußerungen von Rednern und Teilnehmern" gesagt: "Ich komme aus dem Baugewerbe, da ist es immer ein bisschen rauer - die meinen das halt nicht so." Das war so nicht korrekt. Diese Antwort gab sie auf die Frage, wie sie die spürbare Frustration und die Reaktionen der Teilnehmer während ihrer Rede einschätze. Wir bitten, dies zu entschuldigen.

 

 

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