Ärztemangel in Brandenburg - Zustand: "unversorgt"

Do 23.03.23 | 18:56 Uhr | Von Sabine Loeprick
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Symbolbild: Aktuell leiden viele Krankenhäuser unter Personalmangel (Quelle: dpa/Friso Gentsch)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 23.03.2023 | Ismahan Alboga | Bild: dpa/Friso Gentsch

Der Ärztemangel im ländlichen Raum Brandenburgs wird immer dramatischer - laut der Kassenärztlichen Vereinigung müssen in den kommenden Jahren Hunderte Arztpraxen neu besetzt werden. Doch es fehlen Nachfolger. Von Sabine Loeprick

Morgens um 9 Uhr im 1.000-Einwohner Dorf Nennhausen im Havelland: Vor dem langgezogenen Flachbau im Ortszentrum steht noch das Hinweisschild für eine Apotheke. Die gibt es hier schon seit Jahren nicht mehr, ebenso wenig wie eine Gaststätte, ein Lebensmittelgeschäft oder eine Arztpraxis. "Wir sind momentan auf dem niedrigsten Versorgungsstand, den man sich vorstellen kann," sagt Ralf Albrecht, der Ortsvorsteher von Nennhausens Ortsteil Buckow.

Vor vier Jahren wurde die Hausarztpraxis in Nennhausen aufgegeben, immerhin konnte ein Arzt aus Stendal angeworben werden, der einmal pro Woche im Gemeindezentrum Sprechstunde abhielt und Hausbesuche machte. Doch dem Mediziner war der Aufwand zu hoch und so wurde das Angebot 2020 eingestellt.

Noch heute zeigt sich Nennhausens Bürgermeisterin Brigitte Noël (Linke) darüber enttäuscht, schließlich habe man für die wöchentlichen Sprechstunden extra einen Raum im Gemeindehaus hergerichtet, nun sei der Ort "unversorgt", ein Zustand, der nicht haltbar sei. So könne es nicht weitergehen. Denn viele Nennhausener haben momentan gar keinen Hausarzt oder müssen kilometerlange Fahrten auf sich nehmen, gerade für Ältere und weniger Mobile ein Riesenproblem.

Brigitte Noël, Bürgermeisterin von Nennhausen im Brandenburger Kreis Havelland am 23.03.2023 (Quelle: rbb).
Die Nennhausener Bürgermeisterin Brigitte Noël. | Bild: rbb

Opposition kritisiert: Landärzteprogramm ermöglicht zu wenige Stipendien

Die aufgegebenen Praxen hinterlassen im ländlichen Raum in ganz Brandenburg immer größere Lücken. Diese sollte das 2019 von der Landesregierung aufgelegte Landärzteprogramm zumindest teilweise schließen. Das funktioniert so: Angehende Medizinerinnen und Mediziner werden während ihres Studiums durch Stipendien unterstützt. Diese werden mit der Bedingung verknüpft, im Anschluss an das Studium mindestens fünf Jahre auf dem Land zu praktizieren.

Die damalige Landesregierung mit dem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) und der Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij (Linke) habe angekündigt, 50 Stipendien pro Semester auszuschreiben, das unterstreicht der gesundheitspolitische Sprecher der Brandenburger Linken, Ronny Kretschmer. Tatsächlich sei man von diesem Ziel mit der momentanen finanziellen Ausstattung von 2,3 Millionen Euro in diesem und 2,35 Millionen im nächsten Jahr "meilenweit entfernt".

So hätten im letzten Jahr nur 35 Stipendien vergeben werden können, in diesem Jahr würden es maximal 18 sein - viel zu wenig, sagt Kretschmer. Statt neun Stipendien pro Semester seien 50 pro Semester angekündigt gewesen. Kretschmer spricht von einer Kürzung des Landärzteprogramms und fordert mehr Geld, um auf diesem Weg medizinischen Nachwuchs für das Land ausbilden zu können. Bis die neu zu gründende Unimedizin Cottbus Absolventen hervorbringt, was allerdings noch Jahre dauern wird. Der Start des Studiengangs ist für 2026 geplant.

Pascal Wittkopf, Medizinstudent an der Hochschule in Neuruppin, ist Teilnehmer eines Landärztestipendiums und angehender Landarzt (Quelle: rbb).
Der Neuruppiner Pascal Wittkopf studiert noch Medizin - und kann sich seinen Worten zufolge eine Zukunft als Landarzt in der Region gut vorstellen. | Bild: rbb

Nonnemacher bezeichnet Stipendienprogramm als Erfolg

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) weist die Vorwürfe der Linksfraktion zurück. Bis 2021 seien 131 Vollstipendien über je 1.000 Euro monatlich vergeben worden, im vergangenen Jahr 62. Im laufenden Haushalt 2023/24 würden insgesamt noch 18 Vollzeitstipendien vergeben, so gesehen sei es richtig, dass sich die Zahl der jährlich neu startenden Stipendiaten verringert habe. Allerdings sei die Situation heute auch eine andere als 2019, schließlich hätten seit 2021 rund 80 Absolventen die Medizinische Hochschule in Neuruppin verlassen. Zwei Drittel seien in Brandenburg geblieben und arbeiteten im Land als Mediziner.

Dennoch werde das Landärzteprogramm mit der finanziellen Ausstattung fortgesetzt, mit der es gestartet wurde, so Nonnemacher weiter. Die Nachfrage spreche dafür, dass das Angebot für viele Medizinstudierende attraktiv sei.

In manchen Gegenden werden allerdings deshalb keine Stipendien vergeben, weil sie nicht nachgefragt werden: Im Spree-Neiße-Kreis etwa gab es in den vergangenen beiden Jahren keine Bewerberinnen oder Bewerber.

Förderung vom Staat auch nach dem Medizinstudium?

Pascal Wittkopf aber hat das Programm überzeugt, wie er sagt. Er studiert im vierten Semester an der Medizinischen Hochschule Brandenburg in Neuruppin und finanziert das zumindest teilweise über das Stipendium im Rahmen des Landärzteprogramms.

Am Donnerstag steht für den 27-Jährigen eine Übungseinheit zum Thema Ultraschall im MVZ Neuruppin auf dem Programm. Noch wisse er nicht genau, welche Fachrichtung er später einschlagen wolle, sagt Wittkopf. Er zeigt sich aber von der Wirkung des Landärzteprogramms überzeugt und sagt, er freue sich als gebürtiger Neuruppiner darauf, nach Abschluss des Studiums in einer Praxis auf dem Land zu arbeiten. Das wird aber in frühestens neun Jahren passieren.

Von solch motivierten Nachwuchsmedizinern können die Nennhausener allerdings noch nicht profitieren. Bürgermeisterin Noël fordert von der Landesregierung, dass sie junge Landärzte auch nach dem Abschluss des Studiums unterstützt. Mit geeigneten Räumlichkeiten für Praxen und vor allen Dingen mit moderaten Mieten, damit die jungen Ärztinnen und Ärzte kein allzu großes Risiko mit einer Praxisgründung auf dem Land eingehen müssten.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 23.03.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Sabine Loeprick

38 Kommentare

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  1. 38.

    Die zahlen sicher nicht jeden Monat solch horrenden Beiträge an die Krankenkassen.

  2. 37.

    ich bin schon seit Jahrzehnten in der PKV mit Sonderkonditionen über die Ärztekammer, aber inzwischen sind die Beiträge sehr hoch und ich bin zum bundesweiten Standardtarif versichert , also Steigerungsfaktor max 1,8, muß ich also bei jeder Konsultation angeben und nachfragen. Manche Kollegen lehnen aber auch ab. Bei Rezepten gibt es einen Eigenanteil von 20% , aber die stelle ich mir selber aus.
    landläufig ist oft von der KrankenKASSE die Rede, es ist aber einer Versicherung und keine Kasse

    schönes Wochenende

  3. 36.

    Dann müssen Sie eine andere Karte haben, als ich sie vor Jahren hatte. Ich hatte auch eine Krankenhauskarte (eben nur für stationären Aufenthalt), da hätten die "allgemeinen Krankenhauskosten" abgerechnet werden sollen - also frische Bettwäsche, das obligatorische 2-Bett-Zimmer und die Jagdwurstscheibe zum Abendbrot. Wenn bei Ihnen tatsächlich die direkte Abrechnung der OP-Kosten, Medikamentation und sonstigen Maßnahmen drin wäre, dann herzlichen Glückwunsch. Sie sollten sich aber bei Ihrer PKV rückversichern und einen theoretischen Fall durchspielen.

  4. 35.

    " Die Privatversicherung ist eine Versicherung, "

    stimmt, die GKV ist auch eine Versicherung, ebenso wie die Kfz versich oder Rechtsschutz vers.
    " die Versicherung möglichst wenig "Schadenersatz" zu leisten "
    das ist die Maxime bei allen Versicherungen

  5. 34.

    " die hat ein Privatversicherten nämlich nicht "

    also ich habe eine seit vielen Jahren
    " die Ärzteschaft mit der Versicherung direkt abrechnen würde. " Bei stationärer Behandlung rechnet das Krkhs. mit der Versicherung ab, je nach Tarif des Versicherten

  6. 33.

    "Selbstbeteiligung von 2000 Eur pro Jahr und Patient ist nicht schlecht. "

    und was würde damit besser ? außer dass die Krankenversicherungen entlastet werden ?

  7. 32.

    Jeder, der hier so von der Bevorzugung von Privatversicherten schwärmt, sollte mal einen Privatversicherten fragen, speziell, wenn er über 55 Jahre alt ist. Die Privatversicherung lohnt nur für Beamte, die von der Beihilfe 1/2 der Beiträge bezahlt bekommen, als Pensionsbezieher dann 2/3. Die Privatversicherung ist eine Versicherung, der Patient ist der "Schaden". Der Arzt versucht den "Schaden" groß zu machen und die Versicherung möglichst wenig "Schadenersatz" zu leisten. Als Patient steht man ohne Chipkarte dazwischen, die hat ein Privatversicherten nämlich nicht. Wenn denn wenigstens die Ärzteschaft mit der Versicherung direkt abrechnen würde.
    Ich bin als Selbständiger 4 Jahre privat versichert gewesen und jetzt wieder Kassenpatient - Gott sei Dank. Ich zahle jetzt deutlich mehr, das mache ich aber gerne, wenn ich in Rente bin, sind das eben 15 - 17 % von der Rente und ich habe die Chipkarte zum Durchziehen – welch ein Luxus.

  8. 31.

    In England bekommen auch ältere Menschen alle Behandlungen, sie müssen nur einen großen Teil selbst zahlen.

  9. 30.

    Diese Regel gibt's seit Jahren in England. Die Menschen dort leben auch .

    Leider wird's mit dieser bequemen Einstellung der Patienten nie vernünftige Reformen der GKV geben.

    Die 17 Mrd Euro Defizit der Kassen sind kein Pappenstiel und werden wohl noch steigen.

    Der Vorschlag mit der Eigenbeteiligung von 2000 Eur pro Jahr und Versicherten ist ne gute Ideen.

    Vielleicht würden dann viele nicht mehr wegen jedem Pups zum Arzt rennen.



  10. 29.

    So ganz Unrecht hat Moritz nicht.

    Es gibt mehr als genug Ärzte und auch genug freie Termine. Nur halt nicht immer um die Ecke und auch nicht immer zu Wunschzeit

    Es wird Zeit, dass eine Reform der GKV kommt. Der Vorschlag von Prof Raffelhüschen mit der Selbstbeteiligung von 2000 Eur pro Jahr und Patient ist nicht schlecht.

  11. 28.

    Das heißt, würde es nach ihnen gehen, würden alte Menschen keine neuen Knie, etc, bekommen. Die müssten dann eben mit ihren Schmerzen leben. Sie als Arzt würde ich wahrscheinlich meiden! Da gibt's bessere.

  12. 27.

    Ich lasse mir von niemandem vorschreiben,
    Es ist Patienten durchaus zuzumuten, längere Wege in Kauf zu nehmen."
    Das beschreibst doch-man lässt sich nichts vorschreiben und die Patienten haben sich gefälligst danach zu richten.
    Also für klingt das so ein wenig nach der guten alten Zeit, in der noch jeder wusste wo sein Platz ist.

  13. 26.

    Oder es gibt in der Praxis Tage nur für Privatpatienten.

    Und mit Wartezeiten muss man immer rechnen.

    Wenn die Vergütung für Kassenpatienten auf ein wirtschaftliches Niveau angehoben werden würde, sähe die Lage deutlich anders aus

    Dazu kommt, dass viele Patienten wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt rennen. Die gute alte Hausapotheke kann für Erwachsene und Kinder wieder angewandt werden

  14. 25.

    Die Kassen sind an der Misere nicht schuld.

    Das es in D Reformen bedarf ist klar und geht nur in Verbindung mit Leistungskürzungen und mehr Zuzahlung

    Die Abschaffung der Familienversicherung ist ebenso nötig. Es ist jedem Familienmitglied zumutbar, 3% Beitrag über den Hauptversicherten zu zahlen.

    Dann muss ambulantes operieren vor dem stationären stehen. Ohne jede Ausnahme

    Abbau der 25% überzähligen Krankenhausbetten

    Begrenzung von Leistungen nach Alter, wie etwa in GB

  15. 24.

    Fortsetzung

    Wenn es die Notaufnahme sein muss, dann würd der Termin und die Klinik genannt.

    Für Krankentransport zahlt Pat 50%

    Ergotherapie ect ist mit hohen Zuzahlungen verbunden.

  16. 23.

    Wie man das in Norwegen macht:

    Jeder bezahlt die Behandlung beim Zahnarzt komplett selbst

    Termine beim Facharzt gibt's nur über den Hausarzt.

    Man macht einen Termin beim Hausarzt. Der prüft, ob die Überweisung nötig ist. Dann meldet der Hausarzt den Terminwunsch an. Pat bekommt ein Schreiben und darin wird fester Termin und der Arzt genannt.

    Wer in die Notaufnahme möchte, muss vorher den legevagt anrufen. Das ist ein Arzt der entscheidet, ob Hausarzt oder Notaufnahme.

  17. 22.

    Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, wann und wie ich Patienten behandele.

    Jeder Arzt kann die Behandlung ablehnen, denn den Behandlungsvertrag kann niemand erzwingen.

    Letztlich sind wir Ärzte auch Unternehmer und müssen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen handeln.

    Es ist Patienten durchaus zuzumuten, längere Wege in Kauf zu nehmen.



  18. 21.

    Sie vergessen, dass wir Ärzte Unternehmer sind.

    Letztlich müssen Kassenpatienten eventuell etwas weiter fahren oder an unliebsame Tageszeiten akzeptieren.

    Aber versorgt wird jeder.

  19. 20.

    Wenn der Hausarzt feststellt, dass ein Facharzttermin in kürze erforderlich ist, dann versieht er die Überweisung mit einer speziellen Nummer. Dann ruft der Pat bei der KV an, nennt die Nummer und bekommt einen Termin genannt. Diese Regelung gibt's seit 2 Jahren und funktioniert ganz gut.

  20. 19.

    Ah ja, der Kassenpatient muß flexibler sein."
    Der Kassenpatient muß halt so flexibel sein, das er sich jederzeit frei disponierbar zwischen die Privatpatienten-Termine einfügen lässt. Und dann halt, wenn so ein zusätzlicher Privatpatient dazwischenkommt, auch mal flexibel zusätzlich längere Wartezeiten akzeptiert.

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