Nach Parteiwechsel zur SPD -

Der zur SPD übergetretene ehemalige Linken-Politiker Sebastian Schlüsselburg will sein Mandat im Abgeordnetenhaus nicht zurückgeben. Das sagte Schlüsselburg bei seiner Vorstellung als neues SPD-Mitglied am Morgen in Berlin. Zur Rückgabe seines Mandats hatte ihn zuvor die Linksfraktion aufgefordert und Schlüsselburg schließlich am Dienstag auch aus der Fraktion ausgeschlossen.
Durch den Wechsel Schlüsselburgs verfügt die SPD-Fraktion künftig über 35 Abgeordnete und damit einen mehr als die Grünen. Die Linksfraktion verkleinert sich auf 20 Sitze.
"Verbaler Radikalismus": Vorwurf an ehemalige Genossen
Er trete der SPD bei, so Schlüsselburg, "weil sich unsere Demokratie unter Druck befindet, wie es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr der Fall war". Rechtspopulisten und Rechtsextreme versuchten, die Demokratie zu zersetzen, sagte der 41-Jährige. "Dafür braucht es eine starke, interventionsfähige linke Kraft, und das ist die SPD."
Die Linke hingegen werde es künftig immer schwerer haben, relevante Stimmenanteile für eine Mitte-Links-Mehrheit zu gewinnen. "Ich muss leider feststellen, dass in der Vergangenheit Kräfte in der Partei einflussreicher geworden sind, die diesen Blick auf den radikalen Realismus ein Stück weit verloren haben oder mehr in Richtung verbalen Radikalismus abdriften", sagte Schlüsselburg im gespräch mit radioeins vom rbb. und deswegen sind auch viele Wählerinnen und Wähler weggelaufen.
"Eine Große Koalition sollte eine absolute Ausnahme sein"
An seinen politischen Positionen halte er weiter fest, dazu gehöre auch die Forderung nach einer Schuldenbremse und einem Mietendeckel. Auch den Koalitionspartner CDU und den schwarz-roten Senat werde er weiterhin kritisieren, so Schlüsselburg. Dazu gehöre aktuell zum Beispiel die neue Investitionsplanung. "Ich bin demokratischer Sozialist und bleibe das auch". Große Koalitionen sollten eine absolute Ausnahme sein, so Schlüsselburg, und es sei "traurig, dass andere Mehrheiten schwieriger geworden sind". Ziel bei der anstehenden Bundestagswahl müsse es sein, eine Regierung links der Mitte und ohne die Union zu bilden.
Als weitere Gründe für seinen Austritt bei der Linken nannte Schlüsselburg unter anderem die parteiinterne Auseinandersetzung über den Nahostkonflikt und die "mangelnde Abgrenzung zu linkem Antisemitismus". Er war zusammen mit den ehemaligen Senatoren Klaus Lederer, Sebastian Scheel und Elke Breitenbach, sowie dem früheren Fraktionschef Carsten Schatz aus der Linken ausgetreten. Der Fraktion gehörte er weiter an, allerdings habe sich das Arbeitsklima zuletzt verschlechtert, so Schlüsselburg. So habe er unter anderem seine Funktion als haushalts- und rechtspolitischer Sprecher abgeben müssen, obwohl er diese Rollen gerne bis zum Ender der Legislaturperiode fortgeführt hätte.
Linke wirft Schlüsselburg Vertrauensbruch vor
Bei seinen ehemaligen Parteigenossen stieß Schlüsselburgs Wechsel auf Unverständnis und teils scharfe Kritik. Vor allem der Zeitpunkt mitten im Bundeswahlkampf wird als unpassend und problematisch bezeichnet, zudem seien damit interne Absprachen verletzt worden, sagte Linken-Fraktionschef Tonbias Schulze dem rbb. "Er hat damit viel Vertrauen zerstört und auch Vertrauen missbraucht." Nun müsse er unter anderem die Haushaltspolitik des schwarz-roten Senats, die er zuvor scharf kritisiert hat, mittragen und verteidigen. "Wie er das mit seinem Gewissen vereinbart, ist seine Sache, aber für uns ist da keine Zusammenarbeit mehr möglich."
Die Fraktion widersprach zudem Schlüsselburgs Darstellung, wonach er zur Aufgabe von Funktionen gezwungen worden sei. So habe er für die Linke unter anderem die Haushaltsverhandlungen bis zum Schluss geführt, und auch seine Rolle als rechtspolitischer Sprecher sei nicht in Frage gestellt worden. "Herr Schlüsselburg hat in dem Übertritt offenbar einen Weg gesehen, seine eigene politische Karriere fortzusetzen", kritisierte Schulze. Er begrüßte ausdrücklich, dass die anderen Ex-Linken um Lederer und Breitenbach explizit keinen Wechsel zu anderen Parteien anstreben und auch ohne Parteimitgliedschaft in der Linksfraktion mitarbeiten wollen.
Schlüsselburg zog erstmals 2016 ins Berliner Abgeordnetenhaus ein und gewann in seinem Lichtenberger Wahlkreis drei Mal in Folge das Direktmandat. Der Bezirk war einst eine Hochburg der Linken und gilt politisch als überlebenswichtig für die Partei.
Zwei Bezirkspolitiker der Linken wechseln ebenfalls zur SPD
Welche Rolle Schlüsselburg in der SPD-Fraktion übernehmen wird, sei noch offen. SPD-Fraktionschef Raed Saleh erklärte, man sei nicht aktiv auf Schlüsselburg zugegangen, freue sich aber auf seine Expertise. In der parlamentarischen Auseinandersetzung habe er es der SPD "nicht immer leicht gemacht", so Saleh, "was gut ist in einer Demokratie". Vor allem in der Haushaltspolitik war Schlüsselburg oft ein scharfer Kritiker der Sozialdemokraten. Auch das Zustandekommen des aktuellen Doppelhaushalts und des Nachtragshaushalts mit milliardenschweren Kürzungen hatte Schlüsselburg immer wieder in Konflikt mit der SPD und dem CDU-Finanzsenator Stefan Evers gebracht.
Neben Schlüsselburg treten auch die früheren Linken-Politiker Oliver Nöll und Michael Grunst der SPD bei. Nöll ist Bezirksstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg und will das Amt behalten. Grunst war bis zur Berliner Wiederholungswahl Bezirksbürgermeister von Lichtenberg.
Grunst war von 2016 bis 2023 Bezirksbürgermeister von Lichtenberg. Diesen Posten verlor er nach der Wiederholungswahl im Februar 2023, als in der Bezirksverordnetenversammlung CDU, SPD und Grünen eine Zusammenarbeit vereinbarten. In politischen Debatten meldete Grunst sich weiterhin zu Wort und kritisierte unter anderem "antiisraelische Positionen" in der Linkspartei.
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.01.2025, 11:00 Uhr