Interview | Schülerin aus Senftenberg zur Juniorwahl - "Ich frage mich, ob politische Bildungsarbeit in der Schule nicht zu kurz kommt"
Jugendliche unter 18 Jahren dürfen bei der Bundestagswahl nicht wählen. Die Juniorwahl bildet zumindest die politische Stimmung unter ihnen ab. Interview mit einer Schülerin, die sich wünscht, mehr mitbestimmen zu können und besser vertreten zu werden.
rbb|24: Hallo Ladina, Sie sind 17 Jahre alt und haben diesmal für die Bundestagswahl Kreuze gemacht – wie kommt das?
Ladina Soubeyrand: Wir hatten an unserer Schule eine Juniorwahl. Die soll sozusagen repräsentativ dafür stehen, wie die Jugend wählen würde. Ich denke, das macht man, weil wir ja die neue Generation sind. Die nächste Bundestagswahl in vier Jahren wird von uns mitgewählt. Da ist es sicher nicht unwichtig zu wissen, mit welchen Augen die Jugend diese Welt sieht.
Mussten Sie sich erst eine Partei aussuchen oder war Ihnen durch Ihr Engagement für Fridays for Future schon vor der Juniorwahl klar, was Sie wählen würden?
Ich habe zeitweilig ein bisschen geschwankt. Ich war mir dann aber im Endeffekt doch sicher, dass ich hier eine Klimawahl unterstützen muss.
Sind Sie zufrieden mit der Auswahl an Parteien, die zur Verfügung stehen? Fühlen Sie sich und Ihre Generation repräsentiert?
Nicht hundertprozentig. Es gibt natürlich eine sehr breitgefächerte Aufstellung. Es ist schon sehr viel Angebot da für die Jugendlichen. Aber beispielsweise fehlt eine Partei, die hundertprozentig eine 1,5-Grad-Politik macht. Und das ist das, was wir, die Jugendlichen, brauchen. Denn wir wollen ja irgendwann auf einer Welt leben, auf der man noch leben kann. Dafür brauchen wir eine solche Politik - und wir brauchen klare Innovationen und klare Ziele. Eigentlich gar keine der Parteien bietet eine Politik an, die so klar ist, dass sie diese Ziele aufzeigt. Das ist vielleicht auch schwierig als Partei, weil man ja viele Wählerstimmen benötigt und vielleicht ist es auch so, dass die Gesellschaft da noch nicht so weit ist.
Die Schüler sollen mehr über Demokratie lernen – ist auch eines der Ziele der Juniorwahl. Haben Sie etwas gelernt, worüber Sie zuvor noch nichts wussten?
Was ich gelernt habe während dieses Wahlprozesses und auch davor ist, dass Demokratie ein gemeinschaftliches Denken erfordert. Und dass nur die Gesellschaft als großes Ganzes Dinge in eine Richtung lenken kann.
Demokratie ist wirklich eine sehr gute Sache, weil alle ihre Wahl und dadurch die Möglichkeit haben, sich einzubringen. Aber gewisse Denkweisen müssen da von den Parteien vielleicht auch abgemildert werden, um noch mehr Menschen zu erreichen – und das finde ich auch schade.
Haben Sie etwas Neues über sich selbst und Ihre Mitschüler gelernt?
Über mich selbst war ich mir relativ gut im Klaren. Aber es gab zum Teil eine wirklich geringe Wahlbeteiligung, was ich sehr schade finde. Und ich höre von vielen Mitschülern und Mitschülerinnen, dass sie sich nicht wirklich interessieren oder auskennen. Da stellt sich mir die Frage, ob die politische Bildungsarbeit nicht vielleicht ein bisschen zu kurz kommt.
Ab welchem Alter würden Sie junge Menschen denn wählen lassen?
Gerade in diesen Zeiten, wo ja das Schicksal der jungen Generation ausgemacht wird, bin ich definitiv für ein Wahlalter ab 16 Jahren. Das fände ich besser, weil man genau in diesem Zeitraum auch in der Schule die deutsche Politik behandelt. Da lernt man, wie der Staat aufgebaut ist und was Demokratie ist.
Liegen Ihnen als Lausitzerin bestimmte politische Themen besonders am Herzen?
Mir läge am Herzen, dass in der Lausitz der Klimawandel nicht nur als Feindbild betrachtet wird. Das liegt eben leider nahe, weil durch den Ausstieg aus der Kohle unglaublich viele Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Aber es wäre schön, wenn die Menschen den Kampf gegen den Klimawandel nicht mehr als etwas Gefährliches und nur die Arbeitsplätze raubendes sieht, sondern auch als eine Möglichkeit der gesellschaftlichen Umstrukturierung, durch die ja auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Mir läge auch daran, und das hat auch wieder mit dem Klima zu tun, dass der ÖPNV besser ausgebaut wird. Hier braucht man teilweise unheimlich lange, bis man mit dem Bus irgendwo ankommt. Das macht die Menschen dann ja auch wieder abhängig von privaten Autos.
Doch das ist nur ein Teil, wo hier anzusetzten ist. Es wurden Fehler begangen, das stimmt. Doch Klimagerechtigkeit ist ein Wandel auf allen Ebenen, der eher Türen aufstößt, als dass er sie verschließt. Den jungen Menschen in der Lausitz sollte das nahegebracht werden. Die Bildungsarbeit in der Schule spielt daher eine zentrale Rolle.
Welche Zukunftsängste und -visionen haben Sie?
Der Kohleausstieg ab 2038 ist zu spät, was definitiv mit Sorge zu betrachten ist - und mit dem Willen, sich für einen Kohleausstieg bis 2030 einzusetzen. Doch ein früherer Ausstieg könnte in der Lausitz negativ ankommen. Da entsteht ein Zwiespalt, der mir Sorgen bereitet und den ich gerne überwinden möchte.
Klimaschutz heißt doch vor allem nicht, dass man Menschen etwas wegnimmt. Sondern es ist eine Frage des Überlebens. Wir wollen niemandem etwas wegnehmen, wir wollen einfach nur leben.
Zwei Tage vor der Bundestagswahl, am 24. September, ist großer Klimastreik von Fridays for Future. Gehen Sie da auch mit Ihrenn Mitstreitern aus der Lausitz hin?
Ja, na klar. Wir machen eine Aktion in Senftenberg.
Hoffen Sie, dass Sie da so kurz vor der Wahl das Ruder in Richtung Klimawahl noch mal herumreißen können?
Das hoffen wir logischerweise immer. Sonst würden wir ja nicht auf die Straße gehen. Das Ruder herumzureißen ist immer unser Ziel. Diese Wahl ist historisch und wir können und wollen sie zu einer Klimawahl machen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24
Sendung: Radioeins, 17.09.2021, 5 Uhr