Unions Absturz im historischen Vergleich - Alles (halb so) schlimm

Sa 04.11.23 | 08:03 Uhr
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Union Berlins Alex Kral (imago images/Franziska Gora)
Bild: imago images/Franziska Gora

Die Geschichte ist dazu da, um aus ihr zu lernen. Natürlich sind schon vor dem 1. FC Union Berlin Bundesliga-Teams von der Champions League-Qualifikation in den Abstiegskampf geschlittert. Mal mit gutem Ausgang. Mal weniger. Von Ilja Behnisch

Es läuft nicht für den 1. FC Union Berlin. Elf Pflichtspiel-Niederlagen in Folge (in Worten: uff) stehen mittlerweile zu Buche. Da nimmt sich Tabellenplatz 15 fast noch als schmeichelhaft aus. Am Trainer will der Klub mit einigem Recht trotzdem festhalten. Der Blick zurück auf fünf mehr oder minder ähnliche Schicksale wie jenes, dass die Köpenicker derzeit ereilt, zeigt, dass das nicht unbedingt die schlechteste Idee sein muss.

VfL Wolfsburg

Im zweiten Jahr unter Trainer Oliver Glasner kam der Klub in der Saison 2021/22 bis auf Rang vier in der Bundesliga und somit direkt in die Champions League. Angeführt vom überragenden Stürmer Wout Weghorst, der in 34 Spielen stolze 29 Scorer-Punkte sammelte, überzeugten die Wolfsburger entgegen früherer Jahre mit mannschaftlicher Geschlossenheit und das ohne über die ganz großen oder zumindest die ganz teuren Stars zu verfügen.

Hinter den Kulissen jedoch knirschte es zunehmend, so dass Glasner trotz der Aussicht auf die Königsklasse zu Eintracht Frankfurt wechselte. Die wiederum gerade ihren Erfolgstrainer Adi Hütter an Borussia Mönchengladbach verloren hatten. Unter Glasner-Nachfolger und Bundesliga-Novize Mark van Bommel schienen die Wolfsburger dabei anfangs sogar noch stärker geworden zu sein. Nach dem vierten Spieltag grüßte die Mannschaft von der Tabellenspitze. Dann begann der freie Fall. Van Bommel musste Ende Oktober und nach acht sieglosen Spielen in Folge gehen.

Doch auch unter Nachfolger Florian Kohfeldt lief es nicht wirklich besser. Der Klub, von Volkswagen alimentiert, reagierte in der Winterpause 21/22, holte unter anderem und für 17 Millionen Euro den dänischen Nationalspieler Jonas Wind sowie Max Kruse von Union Berlin. Noch nach dem 20. Spieltag rangierte die Mannschaft dennoch auf Platz 15. Erst dann bekam sie endgültig die Kurve und landete noch auf Rang zwölf. In der Champions League war da schon längst alles vorbei. Aus in der Gruppenphase - als Letzter.

FC Schalke 04

Der letzte große Bundesliga-Rausch der Königsblauen führte in der Saison 2017/18 zur Vize-Meisterschaft. Unter Domenico Tedesco, der zuvor lediglich eine Halbserie bei Zweitligist Erzgebirge Aue vorzuweisen hatte, war abgesehen von einem wahnwitzigen 4:4 im Revierderby gegen Borussia Dortmund selten Spektakel geboten. Dafür punktete die Mannschaft mit knappen Siegen und der Beständigkeit eines Staubsaugervertreters. Ruhmreiche Zeiten schienen angebrochen.

Für die Folgesaison investierte der Klub satte 62 Millionen Euro in neue Spieler. Immerhin erhielt er auch 37 Millionen für das aufstrebende Talent Thilo Kehrer, an dessen Abgang der folgende Tiefflug aber wohl kaum gelegen haben dürfte. Doch trotzdem klappte nichts mehr. Die ersten fünf Spiele gingen allesamt verloren, Schalke war Tabellenletzter. Anschließend fing sich die Mannschaft scheinbar. Jedoch nur, um mit Beginn der Rückrunde wieder in den Negativstrudel zu gelangen. Nach einem 0:7 im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League bei Manchester City war Schluss für Trainer Tedesco.

Es übernahm der Ex- und immer mal wieder Schalke-Trainer Huub Stevens. Der die Mannschaft auf Platz 14 in die Hände bekam und zweieinhalb Monate ebenda in die Sommerpause schickte. Zwei Jahre und sieben (!) Trainer später stieg die Mannschaft schließlich aus der Bundesliga ab.

SV Werder Bremen

Platz drei in der Saison 2009/10 war seinerzeit, unter Erfolgscoach Thomas Schaaf, fast so etwas wie selbstverständlich für die Bremer. Platz 13 in der Folgesaison liest sich auf den ersten Blick dennoch nicht so schlimm. Doch Werder, immer noch das viertteuerste Team der Liga, strauchelte nur so durch die Saison, lag noch am 24. Spieltag auf Rang 15 und produzierte immer wieder kollektive Total-Ausfälle. 0:6 in Stuttgart, 0:4 auf Schalke, 0:4 auch in Hamburg. Das Werder-Spektakel früherer Jahre ging immer häufiger nach hinten los. Im Jahr, als die Bremer endgültig das Transferglück zu verlassen schien.

Für Mesut Özil, den es zu Real Madrid zog, kam ein Brasilianer namens Wesley. Immerhin 7,5 Millionen Euro schwer, was damals, zumal für traditionell eher klamme Bremer, eine Menge Geld war. Und wer sich jetzt fragt: Wesley wer? Dem sei geantwortet: Genau. Immerhin, Thomas Schaaf blieb Trainer, noch bis Mai 2013. Dann war Schluss, nach insgesamt 5.119 Tagen oder 644 Spielen als Werder-Trainer. So gut wie 2009/10 war Bremen seither nie wieder.

TSV 1860 München

Zur Jahrtausend-Wende begab es sich, dass München zwei äußerst erfolgreiche Fußball-Vereine beheimatete. Neben den Bayern siegten sich die Löwen durch die Bundesliga, angeleitet von einem, der auch gleich noch so aussah wie ein Dompteur. Werner Lorant führte den Klub aus der Oberliga Bayern bis in die Champions League-Qualifikation. Dort schied 1860 gegen Leeds United aus. Und auch in der Bundesliga gab es eine Bruchlandung. Lorant und die Seinen schmierten am 15. Spieltag auf Tiefststand Rang 16. Der Klub hielt dennoch am Trainer fest. Und wurde belohnt. Am Ende der Saison 2000/01 stand immerhin noch Platz elf.

1. FC Kaiserslautern

Streng genommen war schon Platz vier der Saison 1994/95 ein Abstieg. Schließlich hatten die Pfälzer im Jahr zuvor noch die Vize-Meisterschaft feiern dürfen, mit nur einem Punkt Rückstand auf Bayern München. Doch es sollte noch viel schlimmer kommen. Die namhaften Abgänge unter anderem von Ciriaco Sforza (Bayern München) und Stefan Kuntz (Besiktas Istanbul) konnte auch Erfolgstrainer Friedel Rausch nicht auffangen. Ebenso wenig wie sein ab dem 19. Spieltag verantwortliche Nachfolger Eckhard Krautzun. Kaiserslautern beendete die Saison auf Platz 16 und stieg, vor der Wiedereinführung der Relegationsspiele 2009, in die zweite Liga ab. Trostpflaster: Nach dem Wiederaufstieg unter Otto Rehhagel führte dieser die "Roten Teufel" direkt zu deutschen Meisterschaft.

SC Freiburg

Einen Platz vor den Pfälzern landeten 1994/95 die Breisgauer, die unter ihrem ewigen Erfolgs-Coach Volker Finke ob ihrer Spielweise längst zu Breisgau-Brasilianern geworden waren. Doch Platz drei und die damit einhergehende Teilnahme am Europapokal schienen der Mannschaft zu viel der Last. In der Folgesaison rumpelte es zu Beginn gewaltig. Nach 14 Spieltagen belegte der SC den letzten Tabellenplatz. Finke hielt dennoch an seinem 3-5-2-System fest und der Klub an seinem Trainer.

Dann holte er mitten im Oktober und mit den Offensiv-Kräften Harry Decheiver (Go Ahead Eagles) und Alain Sutter (Bayern München) zwei Erfolgsgaranten für eine erfolgreiche Wiederbelebung. In der Rückrunde gelangen so sogar fünf Siege am Stück. Und Platz elf zum Ende der Saison. Dass Alain Sutter nach seiner Karriere Autor und Coach im Bereich Stressmanagement wurde, soll damit aber nicht wirklich in Zusammenhang stehen.

Sendung: rbb24, 03.11.2023, 22 Uhr

2 Kommentare

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  1. 2.

    Die Eisernen sind derzeit auf Niederlagenrekordausbaukurs und sie kompensieren mit diesem "Titelhunger der anderen Art" scheinbar trotzig ihre geplatzten CL-Träume und wer weiß, ob ihre Rekordgier damit gestillt ist, denn ein weiterer Titel wäre ebenso noch greifbar:

    "Erster deutscher Club, dem es gelingt, trotz CL-Teilnahme aus der BL abzusteigen"

    Allerdings glaubt kaum jemand ernsthaft daran, daß Union bereits reif ist für ihr erstes Double.

  2. 1.

    Nur weil es andere noch schlechter oder genauso schlecht gemacht haben oder machen wie Union jetzt, ist alles nicht so schlimm ? Was ist denn das für eine Logik und Schönfärberei ?
    Die Situation ist katastrophal. Der Trainer findet schon länger keine sinnvollen Antworten mehr, ist völlig überfordert. Klar, die Mannschaft spielt, aber die spielt eben schlecht, egal wie sie vom Trainer aufgestellt wird. Alles Aktionismus.
    Mir wäre es auch lieber wenn es nicht so traurig wäre aber man muss die Dinge mal pragmatisch sehen und nicht nur immer sagen, dass alles nicht so schlimm ist.
    Das ist nicht nur eine schlechte Phase, wie ja immer wieder gebetsmühlenartig betont wird, das ist eine Superkrise, aus der man auch nicht heraus ist, wenn man mal wieder das eine oder andere Spiel nicht verliert !

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