Frauen im Männer-Fußball - "Mit 20 oder 30 Prozent könnte man ja mal anfangen"

So 03.12.23 | 08:17 Uhr | Von Ilja Behnisch
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Unions Co-Trainerin Marie-Louise Eta (imago images/Matthias Koch)
Bild: imago images/Matthias Koch

Das EM-Finale der Frauen-Nationalmannschaft war 2022 das meistgesehene TV-Event in Deutschland. Auch das Interesse an der Bundesliga steigt. Im Männer-Fußball sind Frauen trotzdem unterrepräsentiert. Doch so langsam tut sich etwas. Von Ilja Behnisch

Beginnen wir mit einem Selbstversuch: Können Sie sich vorstellen, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, also die der Männer, von einer Frau trainiert wird? Und falls nein: Warum nicht? Woran liegt es, dass Deutschland zwar 16 Jahre lang von einer Kanzlerin regiert werden konnte, eine Bundestrainerin aber ziemlich undenkbar scheint?

Denn es gäbe sie natürlich, die Kandidatinnen, die über die Ausbildung, Lizenzen und Erfahrung verfügen. Doch eher besteht eine Nationalmannschaft ausschließlich aus Hertha-Spielern, als dass Deutschlands liebstes Kind selbst mittelfristig von einer Frau angeleitet wird. Auch wenn der Fußball inzwischen bei der ersten Co-Trainerin in Bundesliga und Champions League angekommen ist. Marie-Louise Eta heißt die Pionierin, die bei Fußball-Bundesligist Union Berlin und nach dem Ausscheiden von Wunder-Trainer Urs Fischer zunächst interimsweise aus der U19 des Vereins hochgezogen wurde und nun vorerst bleiben soll.

Alt bekannte Narrative

Geräuschlos ging diese Personalie freilich nicht vonstatten. Kein Wunder bei so einer historischen Premiere, könnte man meinen. Aber es blieb nicht beim rein Faktischen. Es gab längst nicht nur positive Reaktionen. So äußerte sich etwa der Spieler-Berater Maik Barthel, vor allem für seine frühere Mandantschaft von Robert Lewandowski bekannt, auf dem Kurznachrichtendienst X: "Ein Co-Trainer muss ja auch mal in die Kabine der Mannschaft? Bitte nicht noch den deutschen Fußball der Lächerlichkeit preisgeben."

Mittlerweile hat Barthel, dem daraufhin unter anderem der deutsche Nationalspieler Kevin Schade die weitere Zusammenarbeit aufkündigte, zwar sein Bedauern ausgedrückt und seinen Tweet als "total misslungen" bewertet. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Barthel in der Vergangenheit bereits mehrfach mit ähnlich lautende Äußerungen auffällig geworden ist. Es sind überhaupt alt bekannte Narrative, die auch bei der Berufung Marie-Louise Etas wieder hervorgeholt wurden und die auf ein strukturelles Problem schließen lassen.

2014 etwa war halb Fußball-Frankreich in Aufruhr, als mit Corinne Diacre eine Frau den Zweitligisten Clermont Foot übernahm. Die Antwort der französischen Rekord-Nationalspielerin, die ein Jahr drauf zum Zweitliga-Trainer des Jahres gekürt wurde: "Es ist klar, dass ich nicht gerade in die Umkleide-Kabine gehe, wenn sich die Spieler umziehen. Aber ganz ehrlich – es gibt so viele Männer, die Frauen-Teams trainieren, da ist das auch nie ein großes Thema gewesen. Warum sollte es das bei uns sein?" Und tatsächlich, in der laufenden Bundesliga-Saison der Frauen wird nur der SC Freiburg von einer Frau trainiert. Von Kabinen-Problemen durch Herren-Trainer ist eher selten die Rede. Oder besser gesagt: nie.

Gleichberechtigung eröffnet Chancen

Für Helen Breit, Mitbegründerin der Initiative "Fußball kann mehr", die sich für mehr Geschlechtergerechtigkeit einsetzt, liegt auf der Hand, was eigentlich gemeint sei: "Lasst uns bitte ein Männerklub bleiben."

Fußball, so Breit, "ist einfach eine sehr, sehr krasse Männer-Domäne, die im Durchschnitt nicht davon geprägt ist, sich Gedanken zu machen, wie man diverser wird". Es sei nie antizipiert worden, "dass das wichtig ist". In der freien Wirtschaft ist das längst anders. Junge, gut ausgebildete und somit begehrte Arbeitskräfte bevorzugen divers aufgestellte Unternehmen. Studien unterstreichen zudem, dass Firmen mit einem höherem Maß an Gleichstellung produktiver, innovativer und rentabler sind [wirtschaft-entwicklung.de].

Dass es Veränderungen bedarf, haben zumindest auf dem Papier auch die Verbände erkannt. "Frauen im Fußball" heißt eines der Projekte des Deutschen Fußballbundes (DFB) [dfb.de]. Demnach sollen es bis 2027 mehr aktive Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen sein (plus 25 Prozent). Auch sollen mindestens 30 Prozent Frauenanteil in den DFB-Gremien (derzeit knapp unter 21 Prozent), im Hauptamt (ebenfalls derzeit knapp unter 21 Prozent) und in den Kommissionen (derzeit unter 15 Prozent) erreicht werden. Was nicht nur in der Broschüre zum Projekt eher wolkig formuliert ist, ist der Weg dorthin. "Das ist genauso schleierhaft geblieben wie zu Beginn", sagt die Fan-Aktivistin Breit.

Wellenbrecher Männer-Netzwerke

In den Landesverbänden sieht man das naturgemäß nicht ganz so kritisch. Zufriedenheit herrscht aber auch hier nicht vor. "Es fällt immer wieder auf, dass Frauen unterrepräsentiert sind", sagt Anne Engel, seit sechs Jahren Geschäftsführerin des Brandenburger Fußball-Verbandes. Bis Anfang Oktober war sie die einzige Geschäftsführerin eines deutschen Landesverbandes. Und "natürlich" habe sie am Anfang gespürt, "dass die genauer gucken". Die: die Männer.

Warum Frauen im Fußball noch immer kaum eine Rolle spielen, fragt auch sie sich. Ein Grund sei sicher der Faktor Zeit. "Spätestens wenn es um die Familien-Planung geht, ist die Frau naturgemäß einfach anders involviert", so Engel. Dann sagt sie: "Fußball ist nach wie vor eine Männer-Domäne, aber grundsätzlich ist man, glaube ich, offener geworden."

Auch Christine Lehmann, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Mädchen- und Frauenfußball beim Berliner Fußballverband (BFV), sagt: "Diese über lange, lange Jahre hinweg entstandenen Netzwerke der Männer, da kommen wir nicht rein." Dabei würde der Fußball "ohne die Frauen im Hintergrund überhaupt nicht funktionieren", die "ganzen führenden Positionen aber sind mit Männern besetzt".

Immerhin hat sich der BFV in seiner Satzung selbst auferlegt, dass mindestens ein Drittel aller Ausschuss-Mitglieder Frauen sein sollten. Mit Betonung auf: sollten. Die Realität ist zumeist ein andere. Wenn neue Posten besetzt werden, heiße es von Männern oft, "ich kenn’ da jemanden", so Lehmann. Im elfköpfigen Ausschuss für Mädchen- und Frauenfußball des Berliner Fußballverbandes sind übrigens lediglich drei Männer vertreten.

Es gibt genug Männer, die aufgrund des Leistungsprinzip ausgetauscht werden könnten.

Helen Breit

Die Quote zur Überbrückung

Ein Phänomen, das auch außerhalb der Verbände zu beobachten ist. Katharina Dahme, Vorstandsvorsitzende des Fußball-Regionalligisten Babelsberg 03, sagt: "Frauen sind häufig für die Bereiche im Verein zuständig, die nicht direkt mit dem Leistungssport zu tun haben." Auch Dahme spricht von Männer-Netzwerken und davon, dass die Vereine und Verbände sich nicht zuständig fühlen, Frauen gezielt zu fördern: "Ich kenne das aus Parteien und Organisationen anders, da gibt es mittlerweile ein Verständnis von divers besetzten Gremien und auch ein Bemühen darum. Das gibt es im Fußball so noch nicht."

In Babelsberg sei man derzeit gut aufgestellt, dem siebenköpfigen Vorstand gehören gleich drei Frauen an. "Wenn da jetzt welche aufhören, gibt es aber nicht ohne weiteres auch Nachfolgerinnen", so Dahme. Besonders die Verbände müssten dabei mit positivem Vorbild vorangehen.

Eine Quote könnte helfen. "Zur Überbrückung", wie Dahme sagt. Es müsse "im Sport keine 50-Prozent-Quote sein", aber "mit 20 oder 30 Prozent könnte man ja mal anfangen". Auch Helen Breit hält eine Quote "für unabdingbar. Das Gegenargument 'Wir schaffen das aus eigener Kraft' hat der Fußball in den letzten 20 Jahren nachhaltig entkräftet".

Man müsse, so Breit, "über den Status hinauskommen, dass Frauen auf herausgehobenen Positionen im Fußball Exotinnen sind". Dem beliebten Argument, eine Quote unterlaufe das Leistungsprinzip, kann Breit nichts abgewinnen. Derzeit würden Frauen nicht wegen fehlender Leistungsfähigkeit, sondern wegen ihres Geschlechts ausgeschlossen. Und überhaupt: "Es gibt genug Männer, die aufgrund des Leistungsprinzip ausgetauscht werden könnten."

Womit wir wieder bei Nationalmannschaft der Herren wären. Aber das ist dann vielleicht doch noch ein anderes Thema.

Sendung: rbb24, 2.12.2023, 18 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch

26 Kommentare

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  1. 26.

    Wer den Grund des "mangelden" Vertrauen ins Leistungsprinzip von und gegenüber Frauen erkennen möchte, sollte sich Part 4 von Born for this(mehr als Fußball), der DFB Frauen anschauen. Speziell viele Ex Vorreiter*innen im Leistungsbereich, haben dem Fortschritt einen Bärendienst erwiesen. Es sollte ein erlauchter Damen*innen Kreis werden, der es besser kann und weiss...
    Die Quittung kam mit der Aussie WM und dem durchsacken des Frauenfußball in Deutschland. Trotz Decaden von Trainer*innen Ausbildung ist das Niveau immer schlechter geworden. Leider!

  2. 24.

    Man könnte ja mal mit 20-30% anfangen? Na dann los.
    Frauen sind schon deshalb, in jeder (!) bezahlten Arbeit, besser geeignet als Männer, weil sie für weniger Geld, die gleiche Arbeit leisten? Natürlich nicht. Aber Manche tun einfach immer weiter so, als wenn es das ist. Leistung statt Gedöns, abrechenbare Leistung, ist der Schlüssel...Siehe, wenn eine Schauspielerin mehr verdient als ein männlicher Kollege.

  3. 22.

    Was kann man zu so einem Kommentar schreiben, außer: das ist traurig und zwar nicht für mich, sondern für Sie.

  4. 21.

    Warum bleiben die Frauen nicht bei ihres gleichen? Dann dürfte endlich Ruhe sein.

  5. 20.

    Ernsthaft jetzt? Mir gehts es gelinde gesagt einfach uffn Zünder, dieser ständige Quotierungswahn um eine Agenda o.ä. durchzusetzen oder wat ooch imma. Und den Mädels, welche im Stadion hinter mir sitzen, ist es schlicht & ergreifend völlig egal wer da Trainer(m/w/d) ist. Hauptsache die Truppe uffn Rasen holt Punkte. Nebenbei bemerkt ist Pöbeln in heglicher Form nicht unbedingt ein männliches Alleinstellungsmerkmal.Mein Bruder hatte schon Anfang der 80er im Jugend/Juniorenbereich ne Cheftrainerin, welche den Kerlen anständig die Wacht angesagt hat. Wie definiert man eigentlich „Sexismus“ beim Fußball?

  6. 19.

    Sie tun dem Thema keinen Gefallen, wenn auch Sie hier sexistisch herumpöbeln...

  7. 18.

    Die Qualifikation spielt nur eine Nebenrolle, es geht bei diesen Entscheidungen ums Netzwerk. Und das wird von Männern dominiert, da ist man halt unter sich und kann noch sein 60'er Jahre ich hinter geschlossenen Türen ausleben

  8. 17.

    Für Männer ist das einfach das Highlight am Wochenende und legitimiert dazu richtig zu trinken, zu gröhlen, einfach Mann sein und den Sexismus so richtig ausleben

  9. 16.

    Ja, und das ist noch zu häufig eben nicht der Fall. Und genau darum geht's im Artikel.

  10. 15.

    Nancy Faeser ist Sportministerin. Hat das etwas gebracht? Bei der letzten WM war es eher kontraproduktiv. Frauen können es nicht schlechter, aber auch nicht besser. Ich finde die Diskussion überflüssig.

  11. 14.

    Es gibt viele Erfolgsrezepte und demnach ist es eine Frage der Zeit bis zur 1. Cheftrainerin eines BL-Vereins, zur 1.Cheftrainerin der deutschen Fussballnationalmannschaft der Männer und zu ersten Titeln, denn wer die Gabe hat, erworbene oder intuitive Wissensschätze in einer besonderen Qualität weiterzugeben ist in jedem Bereich wertvoll, also auch im Fussball(geschäft). Das werden mit der Zeit sicher immer mehr Vereine und Verbände erkennen.

  12. 13.

    Völlig richtig, Qualität sollte entscheidend sein!

  13. 12.

    Es kommt halt auf den Menschen an, egal welches Geschlecht. Dieses Quotengequatsche nervt mich. Mir persönlich egal, ob eine Frau oder ein Mann auf einem Posten sitzt. Die Qualifikation macht es aus.

  14. 11.

    Warum wurde denn nach mehreren erfolglosen Versuchen mit Frauen ein Mann für die DFB Frauenauswahl genommen?
    Die letzten Erfolge des Teams sprechen ja wohl für sich.......und für den Trainer!
    Wenn es Frauen besser können sollten sie es tun, aber anscheinend sind auch die Spielerinnen vom männlichen Trainerteam begeistert.

  15. 10.

    Und meinen sie Frauen interessieren sich eher für Männer- oder für Frauenfußball? Und dann die Frage, woran liegt das?

  16. 9.

    Schauen Sie einfach mal in anderen Bereichen nach, wie z.B. beim Film, wie es dort zugeht. Mit der Besetzung der Führungspositionen sehr ähnlich, aber das ist ein anderes Thema. Fakt bleibt jedoch, dass es Frauen in einigen Berufsfeldern einfach immer noch schwerer haben als Männer. So und jetzt muss ich langsam meinen Sportsonntag einläuten. Ich wünsche allen einen schönen ersten Advent.

  17. 8.

    Aber verteidigen Sie ruhig weiter Ihre "Männerdomäne". Sie bestätigen damit nur, was ich sowieso schon geschrieben habe. Frauen machen einfach in der Regel nicht so ein "Gedöns" darum wie Männer, das heißt aber noch lange nicht, dass Sie sich nicht dafür interessieren.

  18. 7.

    "Fragen Sie mal im Bekanntenkreis, wer sich für den normalen Fussballalltag interessiert."
    Einige Frauen, sonst hätte ich diesen Kommentar nicht geschieben.

  19. 6.

    "Fragen Sie mal im Bekanntenkreis, wer sich für den normalen Fussballalltag interessiert."
    Einige, sonst hätte ich diesen Kommentar nicht geschieben

  20. 5.

    An diesem Beispiel nun auf viele andere Männer zu schließen ist doch wohl arg übertrieben, gell? Fragen Sie mal im Bekanntenkreis, wer sich für den normalen Fussballalltag interessiert. Meistens Männer. Ich meine nicht Events wie WM und EM. Sondern Ligafussball.

  21. 4.

    Na Sie scheinen ja ALLE Frauen ganz genau zu kennen. Oder warum verallgemeinern Sie so?
    Für mich stechen zwei Stellen aus dem Artikel heraus:
    "So äußerte sich etwa der Spieler-Berater Maik Barthel,......:"Ein Co-Trainer muss ja auch mal in die Kabine der Mannschaft? Bitte nicht noch den deutschen Fußball der Lächerlichkeit preisgeben."
    "Dabei würde der Fußball "ohne die Frauen im Hintergrund überhaupt nicht funktionieren", die "ganzen führenden Positionen aber sind mit Männern besetzt"."
    Das sagt wohl vieles darüber aus, wo manche Männer selbst heute noch Frauen im Fußball gerne sehen.
    Haben diese Männer Angst davor, dass Frauen an einigen Stellen u.U. die bessere Besetzung wären, damit Konkurrenz und damit vielleicht auch Angst um eine "Männerdomäne"?

  22. 3.

    Genau meine Meinung.
    Selbst in den Amatuervereinen und im Jugendbereich gibt es kaum Trainerinnen. Vielleicht haben Frauen da einfach nicht das Interesse an diesem Job.

  23. 2.

    Irgendwie versteh ich den Bericht nicht. Wenn der Frauen Fußball so populär wäre wie hier herbeigeredet würden ja automatisch die Werbeeinnahmen und infolgedessen auch die Prämien steigen. Dann würden sich die Sender um Übertragungen reißen. Dem ist aber nicht so, also macht man hier wieder einen auf Quote.

  24. 1.

    Simpel gesagt, Frauen haben sich lange Zeit einfach nicht für Fußball interessiert. Und auch heute noch verstehen Frauen nicht, warum Männer ständig Fußball gucken. Man kann nichts erzwingen. Lasst es doch einfach laufen. Es entwickelt und verändert sich alles.

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