Zweite Auflage - Pride-Parade zieht für die Rechte von queeren Personen durch Frankfurt und Slubice

Verbale und körperliche Übergriffe, fehlende Beratungsstellen - queere Menschen fühlen sich in Polen diskriminiert. In Slubice und Frankfurt (Oder) wollen deshalb Demonstranten auf die Straße gehen - der Slubicer Bürgermeister will nicht teilnehmen. Von Karolina Szulejewska
LGBT-Demonstranten (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender) wollen am Sonntag durch Frankfurt (Oder) und Slubice ziehen. Unter dem Slogan "Liebe ohne Grenzen" fordern die Veranstalter mehr politische Präsenz und eine bessere queere Infrastruktur in der Doppelstadt. Sie protestieren auch gegen zunehmende Homo- und Transfeindlichkeit in der Region. Das Organisationsteam besteht aus 25 unabhängigen Personen aus Deutschland und Polen. Sie veranstalten den Pride zum zweiten Mal.
Mehr Sicherheit und Sichtbarkeit in der Grenzregion
"Die Doppelstadt soll ein sicherer Ort für alle sein" schreiben die Veranstalterinnen und Veranstalter in ihrem Aufruf. Bisher müssten queere Menschen in Frankfurt (Oder) und Slubice mit verbalen und körperlichen Übergriffen rechnen. Um darauf aufmerksam zu machen, hat das Orgateam eine Datenbank eingerichtet. Dort sollen homo- und transfeindliche Vorfälle protokolliert und veröffentlicht werden. Außerdem beschwert sich die Organisatorin Peggy Lohse über die schwache queere Infrastruktur in der Region: "Es gibt keine Beratungsstelle für queere Menschen, die mit ihrer Identität oder an ihren zugeschriebenen Rollen hadern."
Deswegen wünscht sich Lohse einen sicheren Treffpunkt für die LGBT-Community, der doppelstädtisch ausgerichtet ist. So ein Ort könnte kommen. Dank dem Pride vom letzten Jahr gebe es eine Aussicht auf Fördermittel des Landes Brandenburg. Dieser Pride habe weitere spürbare Fortschritte gebracht. Das Orgateam sei in der Doppelstadt politisch präsenter und wird zu Fraktionssitzungen eingeladen. Das Team organisiert auch Ende September einen Workshop für das diesjährige Bildungsforum zu queeren Themen. An dem Workshop nehmen deutsche und polnische Lehrer teil.
Solidarität mit queeren Personen in Polen
Das deutsch-polnische Team will sich mit der Community in Polen solidarisch zeigen, weil sie einer besonders starken homo- und transfeindlichen Stimmung ausgesetzt sei. Trotz Strafandrohung der Europäischen Union werden in Polen sexuelle Minderheiten diskriminiert. Gerade im Südosten von Polen gibt es ganze Gemeinden, die sich vor zwei Jahren zu sogenannten "LGBT-freie Zonen" erklärt haben. Die regierende konservative PiS-Partei richtet sich "gegen die Einführung der 'LGBT'-Ideologie". Diese sei an der "Vernichtung der christlichen Werte orientiert". LGBT-Propaganda bedrohe die traditionelle Familie und "die Entwicklung der jungen Generation".
Slubice ist zwar keine LGBT-freie Zone, aber die diskriminierte Community in Polen kann mit keiner Unterstützung des Bürgermeisters rechnen. Wie im letzten Jahr hat Amtsträger Mariusz Olejniczak auch dieses Jahr die Einladung zum Pride nicht angenommen. Seine Begründung dafür: Slubice sei eine offene Stadt ohne Homofeindlichkeit.
Einer ganz anderen Meinung sind die Pride Organisatoren. Sie wiederholen ihre Forderung aus der Vergangenheit: "Wir möchten, dass Frankfurt und Slubice Stellung nehmen und sich als LGBT-freundliche 'Zone der Vielfalt' erklären", sagt Nikita Filipiak, eine nicht binäre Person aus Rzepin.
Marsch über die Grenze
Die grenzüberschreitende Pride-Demo beginnt am Sonntag um 12 Uhr in Plac Bohaterow im polnischen Slubice. Nach den ersten Redebeiträgen zieht die Parade Richtung Frankfurt (Oder) und macht an der Brücke Halt. Dort wollen Lokalpolitiker das Wort ergreifen, unter anderem der Oberbürgermeister von Frankfurt Rene Wilke (Linke). Die letzte Station ist der Brunnenplatz in Frankfurt. Im Anschluss an die Demo ist ein Konzert und eine Drag-Performance geplant.
In beiden Ländern müssen Teilnehmer*innen einen Mund-Nasen-Schutz tragen und einen Abstand von 1,50 Metern einhalten. Beim Grenzübergang gelten die 3G-Regeln - das heißt, Teilnehmende müssen eine vollständige Corona-Schutzimpfung oder Genesung oder einen aktuellen negativen Covid-19-Test vorweisen können. Wegen des Bahnstreiks fallen viele Regionalzüge aus. Der Berliner Ableger der polnischen, feministischen Organisation Dziewuchy [Deutsch: Mädchen/Mädels] organisiert einen kostenfreien Bus-Transfer aus Berlin.
Sendung: Antenne Brandenburg, 03.09.2021, 15:40 Uhr