Rundfunk Berlin-Brandenburg in der Krise - rbb muss in kommenden zwei Jahren 41 Millionen Euro einsparen
rbb-Intendantin Vernau hat die ersten Ergebnisse des angekündigten "Kassensturzes" vorgelegt. Der Sender hat in der Ära Schlesinger weit über seine Verhältnisse gewirtschaftet. Jetzt müssen 41 Millionen Euro eingespart werden. Von René Althammer und Jo Goll
Der Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) muss in den Jahren 2023 und 2024 nach aktuellem Stand 41 Millionen Euro einsparen. Betriebsbedingte Kündigungen schließt rbb-Intendantin Katrin Vernau aus. Vorerst ist geplant, die Etats der Direktionsbereiche nach der "Rasenmäher-Methode" zu kürzen: um rund fünf Prozent des Gesamtetats 2023/24. Davon entfällt ein Drittel auf 2023 und zwei Drittel entfallen auf 2024. Gut 60 freiwerdende Stellen sollen in den kommenden zwei Jahren nicht wiederbesetzt werden. Ob auch konkrete Sendungen oder Programmangebote betroffen sein könnten, sei derzeit aber noch nicht klar, erklärte Vernau bei der Vorstellung des Sparprogramms.
Der rbb musste schon einmal ein rigides Sparprogramm durchsetzen. In der Gebührenperiode 2009 bis 2012 fehlten dem Sender 54 Millionen Euro. Damals wurde die Radiowelle Multikulti eingestellt und die Sendung Polylux abgesetzt.
Hochglanz-Produkte dank zunächst gut gefüllter Kassen
Nach der Umstellung des Rundfunkbeitrags im Jahr 2013 auf das "Haushaltsmodell" hatte der rbb gut gefüllte Kassen. Da seinerzeit nicht absehbar war, wie viel das neue Modell in die Kassen der Sender spült, mussten die nicht vorhersehbaren Mehreinnahmen einer Rücklage zugeführt werden und durften erst in der darauf folgenden Gebührenperiode verwendet werden. Der rbb verfügte so 2016 über ein mit knapp 135 Millionen Euro gut gefülltes "Sparschwein".
Mit diesem Polster im Rücken ließ sich der sonst stets klamme Sender gut aufpolieren. Das ARD-Mittagsmagazin wurde nach Berlin geholt, ebenso erfolgreiche Hochglanz-Dokumentationen und Kino-Koproduktionen - der rbb strahlte auf einmal. In der Programmdirektion stieg der Etat laut Wirtschaftsplan von 341 Millionen Euro (2016) auf 415 Millionen Euro (2020).
Das Programm wurde ausgebaut - aber nicht an allen Stellen gleichmäßig. Zwischen 2017 und 2024 - so das Ergebnis des "Kassensturzes" - gab und gibt es im Bereich "Dokumentation und Fiktion" 37,2 Millionen Euro als "Mehrbedarf". Das Mittagsmagazin (MiMa) schlägt mit 21,3 Millionen Euro zu Buche - qualitativ hochwertiger Journalismus, der dem Hauptstadtsender zu Ansehen verhalf und der inzwischen entlassenen Intendantin Patricia Schlesinger im Falle des MiMa wohl auch einen Teil ihres Bonus für 2018 sicherte.
Was allerdings passiert, wenn das "Sparschwein" leer ist - darum hat sich die alte rbb-Geschäftsleitung wohl eher nicht gekümmert.
Gehofft, dass alles gut werden würde
Schon 2017 hat Claus Kerkhoff, der "Herr der Finanzen" im rbb, nach eigenen Worten auf das absehbare Problem hingewiesen. Es sei schon damals deutlich gewesen, dass die Gebühren nicht in dem Maße steigen würden wie die Ausgaben, sagt er. Konsequenzen habe das kaum gehabt. Man habe gehofft, dass schon alles gut werden würde - wie auch immer, so der Leiter der Hauptabteilung Finanzen.
Schaut man in den veröffentlichten Wirtschaftsplan für 2021 so plante man zwar mit geringeren Ausgaben im Bereich der Programmdirektion (2021: 404,5 Millionen Euro, 2020: 415,3 Millionen Euro), das Grundproblem aber blieb: Es wurde nicht nachhaltig umgesteuert, das Programmangebot war zu groß für die Einnahmen.
Eine Art Verschnaufpause gab es noch, weil die Beitragseinnahmen ab 2021 höher ausfielen als angenommen: Die befürchteten Einbrüche durch die Corona-Pandemie blieben aus, und Zuzüge nach Berlin und Brandenburg führten ebenfalls zu höheren Einnahmen. Aber auch zu einem weiteren Problem.
Unerwartete Mehreinnahmen
Der rbb hat mehr eingenommen, als bei der Berechnung der Rundfunkbeiträge erwartet worden war. Die Höhe der Rundfunkbeiträge wird durch die "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarf" (KEF) ermittelt. Die Sender melden ihren Bedarf an, den die KEF prüft. Das Ergebnis - also der genehmigte Gesamtbedarf - wird dann auf die Zahl der Beitragszahler umgelegt. Wenn es zu Mehreinnahmen kommt, so die KEF, "sind diese Mehrerträge zur Deckung des festgestellten Finanzbedarfs nicht erforderlich". Sie sind "einer Rücklage zuzuführen und zur Deckung des Finanzbedarfs in der kommenden Periode 2025 bis 2028 heranzuziehen". Das heißt im Klartext: Mehreinnahmen müssen von den Landesrundfunkanstalten zurückgestellt werden, um die Steigerung der Beiträge in der jeweils nächsten Periode möglichst gering zu halten.
Für den rbb bedeutet das: 41 Millionen Euro Mehreinnahmen bis 2024, die aktuell nicht ausgegeben werden dürfen - aber schon längst verplant sind.
Verhandlungen mit der KEF laufen noch
Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland insgesamt geht es um 523 Millionen Euro, aber nicht alle Sender sind gleichermaßen betroffen - allerdings sind steigende Kosten durch die Folgen des Ukraine-Kriegs und andere Kostensteigerungen, auf die die Sender keinen Einfluss haben, bislang noch in der Diskussion.
Fragt man beim ARD-Vorsitz nach, so heißt es: "Die ARD-Intendant:innen werden sich zeitnah mit diesem Thema auseinandersetzen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt nichts Näheres sagen können." Der BR kann etwaige Mehrerträge derzeit "nicht verlässlich prognostizieren", der SWR und der MDR antworten ähnlich. Der WDR rechnet "höchstwahrscheinlich" mit Mehreinnahmen und verweist darauf, dass sich "ARD, ZDF und Deutschlandradio bereit erklärt (haben), kassenwirksam entstehende Beitragsmehrerträge (abzüglich der Auswirkungen der verzögerten Beitragsanpassung) … nicht zu verausgaben und bei den anrechenbaren Eigenmitteln auszuweisen."
Zugleich wurde der KEF gegenüber schon deutlich gemacht, dass man auch mit "unvorhersehbaren Mehraufwendungen" rechne: inflationsbedingte Mehrausgaben, Mindereinnahmen aus Kapitalerträgen und Werbung, steigende Kosten für Produzenten.
Inwieweit dies noch zu einer Entlastung beim rbb führen kann, wird sich zeigen. rbb-Intendantin Vernau will sich darauf aber nicht verlassen: Die 41 Millionen Euro stünden dem rbb nicht zu, sie müssen gespart werden, sagt sie.
Keine Denkverbote
In der aktuellen Finanzkrise stellen sich altbekannte Fragen neu. Intendantin Vernau verweist nicht nur auf Verbrauchermagazine im Dritten, die jedes für sich Olivenöl testen würden - eine Zuspitzung. Aber es gehe eben nicht nur darum, den "rbb neu zu denken", sondern grundsätzlich um die Frage, mit welchen Angeboten der rbb und der gesamte Öffentlich-rechtliche Rundfunk die Beitragszahler erreicht. Fraglich sei beispielweise, ob der Versuch, eine "Verjüngung" des Publikums im linearen Fernsehen durch neue Angebote zu erreichen, erfolgreich sein kann. Schließlich wisse man, dass diese Zielgruppe inzwischen vor allem in der digitalen Welt unterwegs ist.
Auch der letzte Rest des "Tafelsilbers" steht zur Disposition. Dabei geht es um das Grundstück der rbbmedia am Kaiserdamm mit dem "Hotel am Studio", gut 3.000 Quadratmeter mit einem Bodenrichtwert von 5.500 Euro. Das Hotel ist stark sanierungsbedürftig. Edda Kraft, die Geschäftsführerin der rbbmedia, verweist aber auch auf den langfristigen Wert der Immobilie. Der Standort dicht neben der Messe ist für Pächter interessant, nach der Sanierung rechne man mit stabilen Einnahmen von 500.000 bis 600.000 Euro jährlich.
Für die MitarbeiterInnen des rbb war die Offenlegung der aktuellen Lage eine erschreckende Überraschung. Vernau hat ihr Versprechen, Transparenz zu schaffen, gehalten. Die Erkenntnisse sind schmerzhaft. Auf die Lösung der Probleme werden aber alle noch warten müssen, schnelle Antworten wird es nicht geben.
Sendung: rbb24 Abendschau, 18.11.2022, 19:30 Uhr