Berliner Barbesitzer zu Lockerungen - "Es wäre fürchterlich, wenn wir wieder schließen müssten"

Do 14.05.20 | 07:27 Uhr | Von Fabian Stratmann
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Jamil Yessine, einer der Betreiber der Marabu-Bar in Kreuzberg, steht vor seinem geschlossenen Geschäft (Bild: rbb/Stratmann)
Audio: 13.05.2020 | Fabian Stratmann | Bild: rbb/Stratmann

Am Freitag dürfen die ersten Gaststätten wieder öffnen. Kneipen und Biergärten bleiben jedoch erst mal zu. Ein Berliner Barbesitzer hat Fabian Stratmann erklärt, warum das für ihn nicht zwangsläufig eine schlechte Nachricht ist.

Die Gastronomie in der Hauptstadt darf sich allmählich locker machen. Ab Freitag dürfen die Berliner Gastronomen wieder Tische und Stühle für ihre Gäste bereitstellen. Hinter Mund-Nasen-Maske und überhaupt nur unter strengen Hygienevoraussetzungen selbstverständlich: anderthalb Meter Abstand zwischen bestuhlten Tischen, namentliche Buchung im Voraus - und Speisen mit Selbstbedienung am Büffet gibt es nicht. Bietet die Gaststätte keine selbst zubereiteten Speisen an, dann gibt es auch keine Öffnung. Kurzum: Für viele Biergärten, Kneipen und Cafés ändert sich am kommenden Freitag in der Hauptstadt gar nichts.

Jalousien bleiben unten

Jamil Yessine und sein Bruder Michael betreiben seit zehn Jahren in Kreuzberg die Marabu-Bar. Tagsüber ist die Bar ein Café mit Kuchenverkauf. Abends ist sie eine klassische Kneipe mit 130 Stühlen vor dem Haus und heimelig anmutenden Wohnzimmermöbeln im Inneren. Seit dem 17. März sind die Jalousien heruntergezogen. Ändern wird sich das am Freitag nicht: "Wenn wir nur ein Café mit selbst gebackenem Kuchen wären, wäre es vielleicht etwas anderes. Den überwiegenden Umsatz haben wir aber abends mit dem Verkauf von Alkohol. Den würden wir auch jetzt nicht verkaufen können. Insofern nützen uns diese Lockerungen also erst einmal gar nichts", sagt Yessine.

Er klingt dabei allerdings ganz und gar nicht verbittert. Nach rund zwei Monaten Zwangsschließung blickt Yessine ohnehin eher mit gemischten Gefühlen auf die anstehenden Lockerungen: "Es wäre fürchterlich, wenn wir jetzt wieder mit dem Einkauf von Getränken beginnen würden und in zwei Wochen die Nachricht bekämen, dass die Ansteckungszahlen nach oben gehen und wir wieder schließen müssen. Dann würde ich wieder auf dem Einkauf sitzen bleiben und uns würden die finanziellen Mittel in jedem Fall ausgehen." Yessine will also erst einmal abwarten und hofft, dass alles gut geht.

Wirtschaftssenatorin Pop will kein Risiko eingehen

Der Berliner Landesverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) kritisiert, dass es Kneipenbesitzern grundsätzlich nicht erlaubt ist, sich trotz aller Risiken für eine Öffnung zu entscheiden. "Die meisten Kneipen und Cafés könnten ohne Probleme die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten. Vor allem, wenn die Außenbereiche der Cafés und Kneipen mitbedacht werden. Wir können nur hoffen, dass der Senat jetzt ganz kurzfristig zu dem Ergebnis kommt, dass auch diese Gaststätten wieder öffnen dürfen", sagt Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Berliner Dehoga. Diese Hoffnung wird von der Berliner Wirtschaftsverwaltung jedoch nicht bestärkt. Auf Anfrage teilt die Behörde dem rbb mit, dass die Kneipen kurzfristig nicht öffnen dürfen.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) will kein Risiko eingehen. Sie teilt mit: "Bars und Kneipen gehören zu Berlin und auch mich schmerzt es, dass wir bislang keine weiteren Öffnungsschritte gehen können. Aber Ischgl, Heinsberg und Tirschenreuth sind als zentrale Infektionsherde in die traurige Geschichte der Pandemie eingegangen. Ein unkontrolliertes Anwachsen der Infektionszahlen dürfen wir nicht riskieren, wir gehen schrittweise bei den Lockerungen vor."

Thomas Lengfelder der DEHOGA Berlin (Bild: DEHOGA Berlin)
Thomas Lengfelder (Dehoga) | Bild: DEHOGA Berlin

"Alle Gäste müssen auf die Vorschriften achten"

Wann weitere Schritte eingeleitet werden, ist offen. Es kommt auf das Verhalten aller an. Bleiben die Gäste vorsichtig und halten sich an das Abstandsgebot, könnten die Regeln weiter gelockert werden. Thomas Lengfelder vom Berliner Dehoga nimmt deswegen trotz aller Forderungen an die Politik auch die Berliner selbst in die Pflicht: "Es wäre fatal, wenn die Infektionszahlen jetzt wieder steigen und es womöglich wieder zu Schließungen kommt, weil die Branche das nicht überleben würde. Es müssen jetzt also auch wirklich alle Gäste auf die Vorschriften achten."

In der Marabu-Bar in Kreuzberg bleiben die Gäste wie im gesamten Kiez zunächst weiter aus. Für Jamil Yessine ist das im Augenblick die beste Entscheidung. Langfristig müssen aber die Plätze wieder besetzt werden können, sonst droht der gesamten Branche das Aus: "Natürlich freuen wir uns darauf, den Laden wieder ins Laufen zu bringen. Wenn wir aber auch perspektivisch nur für einen Bruchteil der Gäste öffnen dürfen, wird das ein anhaltendes Minusgeschäft." Wie lange Yessine und sein Bruder, die zumindest bis jetzt keinen ihrer Angestellten entlassen haben, noch durchhalten werden? "Ohne Hilfe? Zwei, maximal drei Monate, dann ist aber wirklich nichts mehr da."

Sendung: Abendschau, 13.05.2020, 19:30 Uhr

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Beitrag von Fabian Stratmann

8 Kommentare

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  1. 8.

    Die Politik sollte es tunlichst vermeiden, an erneute Sperrmaßnahmen auch nur zu denken. Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen stehen finanziell unter Druck. Und dass es auch anders geht, zeigt Schweden, wie kürzlich von der WHO noch einmal lobend erwähnt.
    Jetzt werden die Maßnahmen noch hingenommen, wo die Belastungen noch nicht zu deutlich auf den Arbeitsmarkt durchschlagen. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, welche Demonstrationen wir sehen werden, wenn innerhalb von Wochen Millionen von Menschen ohne Job auf der Straße stehen. Für die geht es dann nicht um Abstand und Mundschutz, die wollen von der Politik wissen, wovon sie die Miete für den nächsten Monat aufbringen sollen.
    Ich bezweifle daß die Politik bereit wäre diesen Preis zu bezahlen...

  2. 7.

    Dem kann ich nur zustimmen ! Es wird mit der Angst der Menschen gespielt.
    Der Mittelstand steht stark unter Druck.

  3. 5.

    Es ist wie immer hier schon der falsche Ansatz davon auszugehen dass die infektionszahlen wieder steigen könnten.
    Wenn man nach dieser Logik geht darf nie wieder ein Biergarten oder ähnliches öffnen.
    Aber dank vieler ängstlicher Menschen werden wir bald keine Wirtschaft mehr haben, auch keine Schankwirtschaft.
    Gesundheitssystem wird's dann aber leider auch nicht mehr geben.
    Für alle Paniker die aktuellen Zahlen: heute in Berlin gestorben ohne Corona 101, gestorben an Corona 3

  4. 4.

    Da gebe ich Barbara recht,Frau Pop hat im Senat nichts zu suchen.Sie kann sich weder durchsetzen noch interessiere Sie es wie sich die Leute fühlen.Das kein Geld mehr da ist und diese Bars und Kneipen vor dem aus stehen ist die eine Sache.Aber wenn ich im Senat sitze mir mein Arsch breit sitze weil ich ja so oder so jeden Monat mein Geld bekomme warum sollte es mich interessieren.
    ABER DAS EINE jahrelange Arbeit dahinter steckt die man sich erarbeitet hat sieht niemand.In bars und Kneipen kann ein Abstand und hygienevorschriften genauso eingehalten werden.Wenn die Leute aus Verzweiflung anfangen allein gänge zu machen kann ich das absolut nachvollziehen.Berlin hat mit wenn ich NRW vergleiche mit die wenigsten Infizierten und hier würd so eine Show abgezogen.UNFASSBAR

  5. 3.

    Das wird schon nicht passieren, wenn wir alle brav Maske tragen und Abstand halten. Das ist doch die neue Zauberformel der Gegenwart.

  6. 2.

    Das was da eine Frau Pop von sich gibt ist an Heuchelei kaum zu übertreffen. Meiner Meinung nach ist diese Frau für diesen Posten im Senat völlig ungeeignet da sie überhaupt keine Vorstellung hat wie es den Kneipenbesitzer geht.
    Wenn Gaststätten öffnen können warum können es die andern nicht?!
    Im Senat von Berlin wird eine Politik betrieben die völlig an den Menschen in Berlin vorbei geht. Wenn mich einer fragt was hat denn Herr Müller und Kollegen an positiven für diese Stadt getan, weiss ich keine Antwort, mir fällt da nichts ein.
    Eventiell können es andere beantworten. Das hat nichts mit meckern oder Parteizugehörigkeit zu tun, sondern ist eine klare Feststellung.

  7. 1.

    Saufen wir halt zu Hause.

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