Kommentar | Berlinale 2022 - Ein Etappensieg für Kino und Kultur

Mo 21.02.22 | 07:52 Uhr | Von Anke Sterneborg
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Regisseurin Carla Simón vor dem Berlinale-Palast mit Goldenem Bären (Quelle: dpa/Le Caer)
Audio: Inforadio | 21.02.2022 | Anke Sterneborg | Bild: dpa/Le Caer

Die Berlinale ist vorbei und anders als von manchen befürchtet, ist sie kein Superspreading-Event geworden. Aber das Festival in Ausnahmezeiten forderte auch seinen Tribut. Von Anke Sterneborg

Was bleibt von dieser Berlinale? Der sprudelnde Witz, mit dem die Kölner Comedienne Meltem Kaptan ihren Silbernen Bären für die Beste Darstellung in einer Hauptrolle entgegennahm und mit Blick auf die Jury schwärmte: "Alle Kulturen zusammen – das ist die Berlinale".

Auch damit gelang es ihr, einen insgesamt eher faden Film zum Strahlen zu bringen, zusammen mit der Drehbuchautorin Laila Stieler, die noch einen zweiten Bären für "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" holte.

Starke Präsenz der Frauen

Was bleibt sonst noch? Die blühende Fantasie der Kinder der katalonischen Pfirsichbauern-Familie, in der ein altes Autowrack zum Raumschiff wird und Salatköpfe zu Munition. "Alcarràs" von Carla Simón ist als Bester Film mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet worden – auch für die Art, wie er Partei ergriffen hat für Bauernfamilien, die auf der ganzen Welt von Großkonzernen unter existenziellen Druck gesetzt werden.

Auch an die starke Präsenz der Frauen wird man sich erinnern, die bei dieser Preisverleihung auf der Bühne triumphierten, obwohl sie – nur oder immerhin – sieben der 18 Filme des Wettbewerbs stellten, ein gutes Drittel also.

Keine großen Knaller dabei

Die Beschränkungen, denen die Dreharbeiten unter dem Einfluss der Pandemie unterworfen sind, führen dazu, dass vermehrt intimere Geschichten erzählt werden, Liebes und Familienbeziehungen, oft im Freien und mit reduziertem Personal.

Für den Wettbewerb bedeutet das eine starke Konzentration auf Arthouse-Filme, was dem Geschmack von Carlo Chatrian entgegenkommt. Doch anders als ein kleines Festival wie Locarno, dessen künstlerischer Leiter er zuvor war, braucht ein A-Festival wie die Berlinale ein paar wuchtige Knaller, Filme mit großen Schauwerten, mit Stars vor und hinter der Kamera. Filme, bei denen man sich auch nach zehn Jahren noch erinnert, dass sie einst auf der Berlinale entdeckt wurden.

Was sonst noch bleibt von diesem Festival? Der Mut oder auch die Waghalsigkeit von Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek dem Virus ein Präsenzfestival abzutrotzen. Es wurde nun kein Superspreading-Event, wie manche befürchteten, sondern ein starkes Zeichen für das Kino, die Kultur, wie andere hofften.

Eine Berlinale im Ausnahmezustand, großes Glück, Filme im Kino sehen zu können mit Gästen auf der Bühne und Zuschauern auf den Plätzen – davon schwärmten viele Filmemacher in diesen Tagen.

Dennoch forderte die Pandemie ihren Tribut

Ganz ohne Risiko ist das Leben nicht zu haben. Aber das strenge Hygienekonzept der Berlinale ist aufgegangen. 128 positiv getestete Journalisten wurden schon vor den Kinos herausgefiltert, das waren 1,5 Prozent der insgesamt 10.938 Tests, die zwischen dem 10. und dem 16. Februar in den Festival-Testbussen abgenommen wurden.

Dennoch forderte die Pandemie ihren Tribut, erlaubte keine Leichtigkeit und nur eingeschränkte Geselligkeit. Um auch die Sicherheit des Publikums zu gewährleisten, hat man den Publikumstag auf vier Tage gestreckt und trotzdem nur rund die Hälfte der 300.000 Tickets von 2020 angeboten. Viele Vorstellungen waren schnell ausverkauft. Anders als früher konnten sich Filmfans aber noch bis zum Schluss spontan zum Berlinale-Besuch entschließen.

Nun bleibt zu hoffen, dass der Etappensieg für Kino und Kultur, dass diese gebremste Berlinale auch das Ende der Einschränkungen einläutet, die von der Politik gerade sukzessive zurückgenommen werden.

Sendung: Inforadio, 21.02.2022, 07:55 Uhr

Beitrag von Anke Sterneborg

1 Kommentar

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  1. 1.

    Schwache Filme? Die Filmredaktion sollte endlich der Generation mehr Aufmerksamkeit zollen. Da gab es einige starke Filme wie My Small Land, An Cailín Ciúin (Gewinner der Int. Jury) oder die Dokumentation Juunt Pastaza entsari. Die Berlinale ist halt nicht nur Wettbewerb.

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