Umstrittene Rede bei Preisverleihung - Israelischer Berlinale-Preisträger Abraham kritisiert Berliner Politik

Mi 28.02.24 | 14:40 Uhr
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Yuval Abraham (li.) und Basel Adra bei der Berlinale-Preisverleihung am 24.02.2024.(Quelle:dpa/AP/M.Schreiber)
Bild: dpa/AP/M.Schreiber

Der israelische Berlinale-Preisträger Yuval Abraham wirft der Berliner Politik vor, seine Familie in Gefahr gebracht zu haben. Grund sei der Vorwurf des Antisemitismus gegen ihn. Abraham hatte bei der Berlinale die israelische Politik kritisiert.

Der israelische Regisseur Yuval Abraham ("No Other Land") hat nach Debatten über Israelkritik bei der Berlinale Preisgala die Politik scharf kritisiert. Seine Familie sei von einem "rechtem Mob" in deren Haus bedroht worden, schrieb der Filmemacher und Journalist bei Instagram. "Ich bekomme noch immer Morddrohungen und musste meinen Heimflug absagen."

Scharfe Kritik an Berliner Politikern

Für die Bedrohung machte Abraham "israelische Meden und deutsche Politiker" verantwortlich. Diese hätten seine umstrittene Berlinale-Rede "absurderweise als antisemitisch bezeichnet, weil ich Gleichheit zwischen Israelis und Palästinensern, einen Waffenstillstand und das Ende der Apartheid gefordert habe".

Abraham bezeichnete die Verwendung des Begriffes "antisemitisch" in Deutschland als missbräuchlich und gefährlich für Jüdinnen und Juden, weil es palästinensische und israelische Kritik an der Regierung Israels "mundtot" mache. "Da meine Großmutter in einem lybischen Konzentrationslager geboren wurde und der Großteil der Familie meines Großvaters von Deutschen im Holocaust ermordet wurde, halte ich es für besonders erschreckend, dass deutsche Politiker im Jahr 2024 die Unverfrorenheit besitzen, dieses Wort auf eine Weise gegen mich zu verwenden, die meine Familie in Gefahr bringt", so Abraham.

Vorwurf des Antisemitismus gegen Berlinale-Preisträger

Der Filmemacher bezog sich dabei auf Reaktionen auch aus Kreisen des Berliner Senats auf seine Rede bei der Berlinale. Abraham hatte nach der Auszeichnung des Films "No Other Land" zusammen mit dem Palästinenser Basel Adra die israelische Siedlungspolitik scharf kritisiert. "In zwei Tagen werden wir in ein Land zurückkehren, wo wir nicht gleich sind", sagte Abraham. "Ich darf mich in dem Land frei bewegen, Basel ist wie Millionen Palästinenser eingeschlossen in der West-Bank. Diese Situation der Apartheid zwischen uns, diese Ungleichheit muss ein Ende haben." Sein Co-Regisseur Adra warf der israelischen Regierung vor, die Menschen im gazastreifen "abzuschlachten".

Berlins Regierender Kai Wegner kritisierte den Auftritt am Montag scharf. Hass und Hetze gehörten nicht auf eine solche Veranstaltung, mahnte der CDU-Politiker. Der Berlinale sei dadurch "schwerer Schaden" entstanden, auch international. "Ich erwarte Aufklärung, zumal es dabei auch um strafrechtlich relevante Vorgänge geht", erklärte der Regierende Bürgermeister. Er werde zeitnah das Gespräch dazu mit der neuen Festival-Leitung der Berlinale suchen. "Diese Bilder, diese Töne will ich nicht aus Berlin sehen und hören".

Chialo fordert erneut Antisemitismusklausel für Kulturförderung

Neben Wegner hatten auch zahlreiche andere Politiker aus allen Parteien teils schwere Kritik an der Berlinale-Leitung geübt. Das Festival und damit das Land Berlin hätten sich "nicht mit Ruhm bekleckert", sagte Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Mittwoch beim Netzwerk Medianet. Es sei nicht gut, dass der Nahostkonflikt bei der Abschlussgala einseitig präsentiert worden sei. "Ein politisches Festival wie die Berlinale muss auch immer den Anspruch haben, in einer ausgewogenen Art und Weise Diskussionen zu führen", so Giffey. Sie kritisierte, dass die Festivalleitung die israel-kritischen Aussagen einiger Künstler nicht in den Kontext des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober 2023 gestellt hatte. Es habe die Gegenposition gefehlt, so Giffey. Die nächste Berlinale-Leitung stehe in der Verantwortung, es besser zu machen.

Auch Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) forderte eine schnelle Aufklärung der Vorfälle. Er bezog sich dabe nicht nur auf die Reden von Abraham und Adra, sondern auch auf Berlinale-Jurymitglieder, die israelkritische Statements während des Festivals gemacht hatten, sowie auf einen israelfeindlichen Post auf dem offiziellen Instagram-Kanal der Berlinale. Chialo brachte erneut die Einführung einer Antisemitismusklausel für die Kulturförderung ins Gespräch. Finanzielle Mittel der Steuerzahler dürften nicht "denen zugutekommen, die Demokratie zersetzend unterwegs sind", so Chialo. Zuvor war bereits aus Teilen der Union, aber auch aus der AfD Forderungen nach einem Ende der staatlichen Förderung für die Berlinale laut geworden.

Der Publizist Michel Friedman forderte nach den israelkritischen Äußerungen bei der Berlinale mehr Widerspruch. Durch Deutschland rolle seit dem Terroranschlag der Hamas und den israelischen Reaktionen "eine weitere, dramatische, antisemitische Welle", schrieb der frühere Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung". "Ein exzessiver Judenhass (um es deutlich zu sagen: Jüdische Menschen sind meist nicht israelische Staatsbürger, sondern Deutsche), Gewalt macht sich breit."

Sendung: Inforadio, 28.02.2024, 12:00 Uhr

48 Kommentare

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  1. 48.

    nun ja, Israel wird bis heute bekämpft, beschossen und bedroht und hat quasi die Aufgabe seine Bevölkerung zu verteidigen, so wie es z. B. auch die Ukraine tut. Seit dem 7.10.23 jedoch ist eine Annäherung der arabischen Länder, ein Frieden in der Region und eine 2 Staaten Lösung defacto undenkbar geworden, und zwar durch die Hamas, die all das nämlich nicht will und wollte. Nicht Israel hat hier etwas in Brand gesetzt.

  2. 47.

    Danke, keiner hätte es für die Nettiquette sauberer ausdrücken können!

  3. 46.

    Warum gab es auf der Berlinale keine Dokumentation über das Massaker an feiernden Menschen, unschuldigen Kindern? Das Grauen hätte man in Bildern und mit Zeugen und Betroffenen doch im Namen der freien Welt, der Menschlichkeit ganz nüchtern der Öffentlichkeit zeigen müssen, wenn Frauen die Brüste, die Köpfe abgeschnitten werden, wenn Kleinkinder lebendig verbrannt werden, wenn der eine Bruder zum anderen sagt, ich seh nichts mehr und das Auge ist zerschossen, wenn Frauen bestialisch bespuckt und geköpft, vergewaltigt und zerstückelt werden, das hätte doch einen Platz dort haben müssen? Die große Solidarität mit unseren Schwestern und Brüdern, mit den Geiseln, die dort immer noch gefangen gehalten werden, Kleinkinder, Alte, Kinder, Deutsche? Wo ist denn da der Aufschrei? Frau Rissenbeek war die einzige, die darauf hinwies, eine einzige Stimme.

  4. 45.

    Von einem rechten Mob bedroht worden. Ähm...waren das nicht Antisemiten? Das gesagte hat auf der Berlinale eigentlich nichts verloren. Da geht es um Filme. Wenn hätte der Veranstalter selber was dazu sagen können.

  5. 44.

    Kritik an Israel ist nicht gleich Antisemitismus!

  6. 43.

    Ach, es geht nicht um das schlimmste Massaker an den Juden seit der Shoa und nicht um Terroristen, gegen die sich jemand positionieren müsste? Das ist aber eigenartig, denn Israel verteidigt sich gegen Vernichtung durch den Iran und seine Terrorgruppierungen. Da müsste man doch zuerst der Opfer denken und die Hamas bekämpfen, finden Sie nicht auch?
    Das ist Antisemitismus vom Feinsten, wenn man die Ursache mit der Verteidigung nicht in Verbindung bringen kann.
    Es geht um die Vernichtung der Juden weltweit, es geht um Isolation Israels, einer Demokratie, es geht um Täter-Opfer-Umkehr und es geht um Frauen und Kinder, die bestialisch und mutwillig gemetzelt wurden, grauenvoll, bestialisch von Hamas, UNRWA und anderen. Wo ist der Aufschrei der Feministinnen, die mit ihren Schwestern weinen.
    Gegen das ja aber der Antisemiten, seid laut gegen Relativierungen.
    Ihr seid noch zu leise.

  7. 42.

    Gerade wurde der israelische Botschafter bedrängt und bedroht, bitte haltet diese Antisemiten auf, schützt die Bürger dieser Gesellschaft vor dem Hass, damit Juden in unserem Land weiterhin frei leben können, im Moment wird den Deutschen jüdischen Glaubens und allen anderen hier lebenden Juden unmöglich gemacht, hebräisch zu sprechen, religiöse Zeichen zu tragen. Sie werden in ihrer Freiheit massiv eingeschränkt. Nicht von dieser Gesellschaft, aber von einigen palästinensischen Organisationen. Wer Juden in Deutschland die Freiheit nehmen will, sollte vielleicht woanders leben, denn hier ist jeder in seiner Würde unantastbar. Wenn ihr das nicht versteht, geht.
    Menschen die Freiheit zu nehmen geht nicht konform mit dem GG. Wir wollen hier keine Antisemiten.

  8. 41.

    Welchen "Wahrheitsgehalt" soll man untersuchen?
    Ob er bedroht wird oder was er bei der Preisverleihung gesagt hat oder die Siedlungspolitik Israels?
    Sorry, kann Ihren Kommentar nicht so richtig einordnen.

  9. 40.

    Ich bin der Meinung, dass man die Vorwürfe von Herrn Abraham sehr genau nach dem Wahrheitsgehalt untersuchen sollte, bevor man diese Vorwürfe - es geht wohl um Aparheid und Völkermord - einfach als antisemitisch abtut. Es geht ja hier wohl auch darum, dass es eine israelische Kritik an der Regierung des Landes gibt. Es wäre zutiefst undemokratisch, wenn eine Kritik der Politik eines Landes - das kann auch Israel sein - mundtot gemacht werden würde. Das hat grundsätzlich erstmal mit Antisemitismus nichts gemein. Eine Kritik der Politik eines Landes sollte immer möglich sein!

  10. 39.

    Man lud Kristin Brinker aus, präsentierte und positionierte sich gegen die AfD und bekundete auf dem Roten Teppich: "Es lebe die Demokratie!"
    Die einzige Demokratie im Nahen Osten - nämlich Israel (wo übrigens auch Frauen und Schwule gleiche Rechte genießen) - wurde hingegen am Ende auf der Bühne unter großem Beifall und ohne Widerspruch als Apartheidsstaat diffamiert.
    Wer klatscht zu solchen Thesen?
    Ist das Unwissenheit?
    Ist das Verblendung?
    Ist das Selbstgefälligkeit?
    Oder hat man einfach nur mitgeklatscht?

  11. 38.

    Die würde des Menschen ist unantastbar.
    Und es geht hier im jeden Menschen.
    Wenn wir anfangen, zu unterscheiden, welches Leben ist mehr wert, lassen wir ein Dammbruch zu. Das ist meine zentrale Sicht. Ob jeder andere das nachvollziehen kann, zeigt sich.

  12. 37.

    Zustimmung!
    Genau dies auseinander zuhalten bzw. beides verurteilen zu können und zu dürfen, ist "unser" Problem und richtet noch mehr Schaden/Spaltung an.

  13. 36.

    Es geht nicht um Relativierung oder Verharmlosung von Terror und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden. Diese ist aufs schärfste zu verurteilen. Es geht hier gegen die Gewalt, die Palästinenserinnen und Palästinensern angetan wird. Und auch diese ist aufs schärfste zu verurteilen.
    Die Israelische Regierung spricht offen über Vergeltung und akzeptiert dabei den Tod von Zivilisten. Das ist Gewalt gegen Menschen, die nicht aus Gaza vor den Angreifen fliehen können.

  14. 35.

    Abraham hat völlig Recht. Vielen scheinen „Anti“ + „Semiten“ weder übersetzen noch deren Definition verstehen zu können/wollen.
    Es ist nur gut, dass das zur Abwechslung auch mal ein jüdischer Semit bemerkt und klar so benennt.

  15. 34.

    Wie wäre das "allgemeine Urteil" ausgefallen, hätten sich Abraham und Russell vorab von den Greueltaten der Hamas distanziert?
    Warum sind unsere Politiker nicht aufgestanden und gegangen sondern blieben im applaudierenden Publikum sitzen?

  16. 33.

    Bitte klärt doch einmal den Zusammenhang zwischen der im Film 'No Other Land' thematisierten Siedlungspolitik Israels im Westjordanland zu dem abscheulichen Terrorangriff der Hamas vom 07. Oktober. Soweit mir bekannt, wird diese Siedlungspolitik seit langer Zeit international kritisiert und zahlreiche UN-Resolutionen wurden dazu eingebracht.

  17. 32.

    Habe hier wieder Kommentare gelesen, die Antisemitismus relativieren. Schaut mal den deutschen Geiseln in die Augen, jenen, die das überlebt haben und während ihr das tut, fragt euch mal, warum ihr den Terror verteidigt und Antisemitismus verharmlost.
    Die Shoa und die Gräueltaten vom 7.10., Putins Geburtstag, kann man doch nicht übersehen wollen?
    Das sind Menschen, denen das angetan wurde, die massakriert, gefoltert, geköpft, verbrannt, gevierteilt wurden, wie Vieh gejagt. Da kann man doch nicht schweigen? Welche Menschen schweigen denn da, was versteht ihr an dem Mensch sein nicht?
    Mir machen Antisemiten Angst, denn was ich da sah, hat mit dem Menschsein nichts zu tun, es waren Monster, Barbaren, Unmenschen. Der Terror bedroht auch uns, das sollte uns allen bewusst sein. Und alle machen mit, UNRWA, BDS, Hamas, Huthi mit dem Hitler-Gruß, Hisbollah uvm.

  18. 31.

    Die Hamas sollten Sie auch fürchten, denn die hassen nicht nur Juden, sondern die freie liberale Welt, die unterdrücken Palästinenser und hassen freie Menschen, die kennen nur eines, Angst und Schrecken zu verbreiten. In der Charta fest verankert, die Vernichtung aller Juden. Eigentlich steht der Iran dahinter, warum kam kein Protest gegen das iranische System, warum wurde BDS, eine Verschwörung gegen Israel, hier irgendwie als eine weltoffene Gruppe gesehen und nicht als Gruppierung, die Israel politisch, kulturell und wirtschaftlich isolieren will ? Wer macht denn sowas.
    Gegen Antisemitismus muss man Haltung einnehmen, tun Sie das.

    BDS spricht von Apartheid, das beleidigt nicht nur das Bildungssystem, sondern alle von Apartheid Betroffenen in Südafrika.

  19. 30.

    Und ich muss gerade daran denken, wie exakt man die Barbarei an den Israelis plante und ausführte. Müsste die Berlinale nicht Feministinnen auf die Bühne bringen, die eine Stimme für die grausam vergewaltigten und verstümmelten Frauen erheben? Die geköpften Kinder? Nennt mir einen Grund, der dieses Massaker an Menschen entschuldigt. Es ist Terror, das Schlimmste Verbrechen an den Juden seit der Shoa. Nichts kann das Entschuldigen.
    Aber das muss auch so benannt werden, ich habe keine Stimme gehört, die das tat.
    Wo seid Ihr, Ihr Mutigen, Ihr Aufrechten, Ihr Ehrlichen?

  20. 29.

    Es wird tatsächlich immer komplizierter. Ich denke, an dem besagten Abend hätte seitens der Veranstalter /Moderation während der Preisverleihung und gerade wegen der Thematik die zur Verleihung führte, ein sachlicher Hinweis auf die Massaker durch die Hamas stattfinden müssen, ohne weiteren Bezug auf die aktuelle Kriegsführung. Das hätte Mut erfordert, aber es hätte sicher den ein oder anderen im Publikum zum Nachdenken gebracht und uns allen diesen üblen Nachgeschmack erspart.

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