François Ozon über seine Faszination für Fassbinder - "Dass Petra nun Peter von Kant ist, ist nicht nur eine genderverdrehte kleine Spielerei"

Vor 50 Jahren hat Rainer Fassbinders Film "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" auf der Berlinale Premiere gefeiert. In diesem Jahr hat François Ozons Neufassung "Peter von Kant" die Filmfestspiele eröffnet. Der Regisseur ist schon lange von Fassbinder fasziniert. Von Alexander Soyez
Ganz egal, wie man Francois Ozons "Peter von Kant" findet - er war auf jeden Fall ein perfekt gewählter Auftakt für die Berlinale. Ozon – ein großer Name der Regie-Kunst – und Fassbinder – eine Ikone des Kinos – und in gewisser Weise gleichzeitig ein Jubiläum: Denn die Peter von Kant-Vorlage, "Die bitteren Tränen der Petra von Kant", feierte vor fast genau 50 Jahren – im Sommer allerdings – Premiere auf der Berlinale.
Es geht um Manipulation, Machtspiele, Abhängigkeiten
Auch für Ozon ist sein Film nicht zuletzt eine Rückbesinnung und natürlich die Würdigung eines seiner großen Idole. "Fassbinder war für mich, gerade am Anfang und in meiner Studienzeit, ein sehr wichtiger Regisseur. Mit der Entdeckung seiner Filme habe ich auch meinen eigenen Weg als Filmemacher entdeckt. Er war für mich wie ein großer Bruder. Ich habe alle seine Filme gesehen und sie haben mich sehr bewegt und tief berührt. Aber sie waren darüber hinaus auch ästhetisch und politisch sehr wichtig für mich", so der Regisseur auf der Pressekonferenz zu seinem Film.
Weder Rückblick noch Fassbinder-Nostalgie sind allerdings die Themen, in denen es in "Peter von Kant" geht. "Als ich den Text von Fassbinder noch einmal gelesen habe, ist mir aufgefallen, wie universell er ist. Und wie sehr er auch heute noch gültig ist. Es geht um Manipulation, Machtspiele und um Abhängigkeiten. Fassbinder hat sich sicherlich damals auch diese Fragen gestellt, weil er als Regisseur auch in einer Machtposition war. Mich hat letztlich interessiert, mir selbst all diese Fragen zu stellen – und das mit dem Publikum zu teilen. Und dass Petra nun Peter von Kant ist, ist nicht nur eine genderverdrehte kleine Spielerei, sondern hat einen einfachen und wichtigen Grund".

Ozon wollte den Ursprungsfilm nicht noch einmal drehen
Für Ozon war Petra in gewisser Weise nämlich schon immer Peter. "Mir ging es nicht darum, diesen wunderbaren Film "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" noch einmal zu drehen. Ich bin da eher wie an ein Bühnenstück herangegangen, das man neu inszeniert und modernisiert in einem anderen Kontext. Ich wollte ausleuchten, wie diese Geschichte heute wirkt und wie es ist, wenn man das Geschlecht verändert. In gewisser Weise wollte ich das ganze neu übersetzen. Aber gleichzeitig wollte ich vielleicht auch Fassbinder selbst wiederfinden. Denn er hat sich ja dort – wie so oft – in einem weiblichen Charakter dargestellt. Ich wollte zeigen, wie sich die Dynamik in und mit dieser Geschichte verändert, wenn man das umdreht."
Sendung: Inforadio, 11.02.2022, 08:25 Uhr