Prozess um getötete Lehrerin - "Sie sagte, er ist jetzt eigentlich wieder ganz nett"

Mo 29.01.24 | 17:24 Uhr | Von Lisa Steger
Archivbild: Die beiden Angeklagten (l und 4.v.r) stehen vor Beginn der Hauptverhandlung im Gerichtssaal 8 des Potsdamer Landgerichts neben ihren Anwälten. Die beiden Angeklagten sollen im Mai 2023 auf der Autobahn A9 zwischen Brück und Beelitz die 40 Jahre alte ehemalige Lebensgefährtin eines Angeklagten mit einer Schusswaffe ermordet haben. (Quelle: dpa/Stache)
Bild: dpa/Stache

Im Mai 2023 wurde eine 40-jährige Lehrerin an der A9 in Brandenburg erschossen in ihrem Auto aufgefunden. Seit Mitte Januar wird ihrem Ex-Freund und dessen Schulfreund der Prozess gemacht. Am Montag wurde der Ex-Partner schwer belastet. Von Lisa Steger

Am Abend des 10. Mai 2023 brach das Leben des pensionierten Tierarztes Klaus G. in sich zusammen. Es war 22 Uhr, erinnert sich der Mann aus Niemegk (Potsdam-Mittelmark). Vier Polizisten klingelten an seiner Tür. "Sie teilten mir mit, dass meine Tochter ums Leben gekommen ist", berichtet Klaus G. und schnappt nach Luft. "Sie sagten mir, dass sie erschossen wurde." Der 69-Jährige kämpft mit den Tränen. Und zwingt sich, weiterzusprechen. Vier Stunden lang wird er an diesem Tag aussagen.

Kampf ums Kind - mit allen Mitteln

In seiner Aussage geht es um den Sorgerechtsstreit, in den seine Tochter Carolin G. verstrickt war, und der - so sind die Staatsanwälte sicher - ihren Ex-Partner Björn R. (42) aus Berlin-Zehlendorf dazu brachte, gemeinsam mit Schulfreund Benjamin K. (42) den Mord zu planen, den der Schulfreund am 10. Mai begangen haben soll. Mit einem Auto soll er die Frau auf der Autobahn A9 gerammt haben, um sie anschließend aus nächster Nähe zu erschießen.

Am ersten Prozesstag Mitte Januar hatten die beiden Angeklagten den Mord bestritten. Benjamin K. räumte aber ein, dass er sein Auto kurz nach dem Tod der Frau fortschaffte, die Kennzeichen abschraubte und es abbrannte. Zudem gab er zu, Carolin G. monatelang beschattet zu haben, dazu habe ihm Björn R. ein Auto beschafft und einen Stundenlohn bezahlt.

Der Vorsitzende Richter hatte beim Prozessauftakt zudem WhatsApp-Nachrichten der Männer verlesen. Über Wochen hatten sie sich darüber ausgetauscht, Carolin G., so wörtlich, "zu beseitigen."

Konflikte im Elternhaus des Kindsvaters

Zeuge Klaus G., der Vater der Getöteten, schildert die gescheiterte Beziehung seiner Tochter als häuslichen Kleinkrieg. Schon bald nachdem sich Carolin G. und Björn R. Anfang 2020 kennengelernt hatten, war ein Baby unterwegs. Carolin G. zog zu ihrem neuen Freund, der im Haus seiner Eltern in Berlin-Zehlendorf wohnte.

Im Februar 2021 wurde der kleine Sohn geboren; der Stress war groß. "Es gab unterschiedliche Meinungen, wie der Haushalt geführt werden sollte und wer was macht", gibt Klaus G. zu Protokoll. "Meine Tochter hat versucht, alles richtig zu machen und hat sich von ihrer Schwiegermutter durchaus helfen lassen", fügt er hinzu. Immer wieder habe sich die Großmutter in die Erziehung des Enkels eingemischt.

Doch auch die Haustiere sorgten für Zündstoff. "Björn hatte zwei Dackel, meine Tochter zwei Katzen" - und dennoch habe die Schwiegermutter drei weitere Katzen angeschafft. "Es gab Revierstreitigkeiten unter den Katzen."

Ein gutes halbes Jahr nach der Geburt des Sohnes nahm die junge Mutter ihre Arbeit in einer Oberschule in Brück in Potsdam-Mittelmark wieder auf. "Die Rangeleien und der tägliche Stress nahmen zu", so Zeuge Klaus G., "meine Tochter hatte das Gefühl, ihr Partner will das Kind mit seiner Mutter großziehen".

Zwei Unfälle in kurzer Zeit

Ein Urlaub im Wohnmobil sollte die Beziehung kitten. Auch das ging schief: Der kleine Junge fiel aus dem ersten Stock des Etagenbetts und zog sich eine leichte Gehirnerschütterung zu. "Mutter und Kind lagen oben, weil er mit seinen Hunden unten liegen wollte", berichtet Klaus G. "Dennoch gab er meiner Tochter die Schuld." Björn R. habe die junge Mutter schon damals aufgefordert, auszuziehen. Doch sie blieb.

Im Juni 2022 verunglückte das Kleinkind zum zweiten Mal. Der Junge schüttete einen Teekessel um. Das Ergebnis: Verbrennungen zweiten Grades. Der Vater war abwesend, die Mutter passte auf ihn auf. "Und damals", so sagt der Zeuge aus, "hat Björn meine Tochter bedroht und ihr gesagt, er hätte sie umgebracht, wenn er dabei gewesen wäre". Carolin G. flüchtete daraufhin ins Frauenhaus und nahm den kleinen Sohn mit. Nach Hause kehrte sie nicht mehr zurück. Stattdessen zog sie mit 40 Jahren wieder bei ihrem Vater Klaus G. ein, der sie von nun an bei der Kindesbetreuung unterstützte.

Kurz darauf fällte ein Amtsgericht in Berlin ein Urteil im Rosenkrieg um das Kind: Carolin G. und Björn R. sollten sich tageweise bei der Betreuung des Kleinkindes abwechseln. Bedenken, weil Björn R. die junge Mutter mit dem Tode bedroht hatte, hatte das Amtsgericht nicht.

Wenn Klaus G. seinen Enkel in die Kita in Dahnsdorf (Potsdam-Mittelmark) brachte, stand oder saß öfters ein Mann vor der Tür. Es war immer derselbe, wie der Zeuge betont. Und er schaute immer in seine Richtung. Klaus G. wusste sich damals keinen Reim darauf zu machen. Heute ist er sicher: Es sei Benjamin K. gewesen, der zweite Angeklagte. Denn der habe inzwischen ja auch zugegeben, dass er die Familie beschattete.

April 2023: Familiengericht gibt dem Vater Recht

Derweil kämpfte Kindsvater Björn R. vor dem Amtsgericht weiter und verlangte das Aufenthaltsbestimmungsrecht für seinen Sohn; er wollte, dass dieser ganz bei ihm leben sollte. Im April 2023 gab das Amtsgericht ihm Recht: Der Junge zog zum Kindsvater nach Berlin-Zehlendorf. Die Mutter durfte ihn an jedem zweiten Wochenende abholen und an zwei Nachmittagen in der Woche jeweils drei Stunden lang mit ihm auf den Spielplatz gehen.

Der Streit war damit nicht befriedet, der Anwalt der Mutter erhob Einspruch. Die Akte wanderte zum Kammergericht Berlin. Und da liegt sie noch. Denn Carolin G. starb, bevor die Richter entschieden hatten.

In den letzten Wochen vor ihrem Tod, erzählt ihr Vater Klaus G. im Landgericht Potsdam, schien sich die Lage etwas entspannt zu haben. "Sie hat sich nicht konkret gesorgt, dass ihr jemand ans Leben will", so der 69-Jährige. "Sie sagte zu mir, Björn ist im Moment eigentlich recht nett." Ein paar Wochen später war Carolin G. tot. Ein Urteil in diesem Prozess wird Ende Mai erwartet.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 29.01.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Lisa Steger

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