Pannen-Wahl in Berlin - Verfassungsgericht entscheidet am 16. November über Wahlwiederholung

Do 06.10.22 | 14:59 Uhr
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Wahlberechtigte warten am 26.09.2021 deutlich nach 18 Uhr in einer Schlange vor einem Wahllokal an der Mandelstraße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg darauf, ihre Stimmen abgeben zu dürfen. (Quelle: dpa/Georg Hilgemann)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.10.2022 | Vasili Franco (Bündnis 90/Die Grünen) | Bild: dpa/Georg Hilgemann

Nach etlichen Pannen bei den Wahlen in Berlin will das Landesverfassungsgericht im November über eine Wahlwiederholung entscheiden. Damit ist auch klar, wann die Berliner und Berlinerinnen spätestens nochmal an die Urne müssten.

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin will am 16. November seine Entscheidung zur Gültigkeit der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus sowie den Bezirksverordnetenversammlungen verkünden. Nach einer Anhörung im September sowie einer bisherigen Einschätzung könnten die Wahlergebnisse für ungültig erklärt werden, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts vom Donnerstag.

Sollten die Richterinnen und Richter zu dem Entschluss kommen, dass die Wahlen nicht rechtens waren, müsste in ganz Berlin neu gewählt werden. Für eine Wiederholungswahl bleibt dem Landeswahlleiter eine Frist von 90 Tagen nach dem Gerichtsentscheid. Das entspricht spätestens dem 14. Februar 2023- Landeswahlleiter Stephan Bröchler peilt für den Fall der Fälle eine Wahlwiederholung "Mitte Februar" an, wie er dem "Spiegel" sagte. Ein möglicher plausibler Termin wäre der 12. Februar, ein Sonntag.

Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kündigte an, mit dem angekündigten Urteil "verantwortungsvoll und professionell" umgehen zu wollen. Zunächst gelte es jedoch, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in dem noch laufenden Verfahren "mit dem gebotenen Respekt" abzuwarten, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur (DPA) am Donnerstag. "Es geht jetzt darum, zukünftige Wahlen so vorzubereiten, dass sie reibungslos ablaufen und solche Fehler nie wieder passieren."

Rücktrittsforderungen an Geisel

Bereits bei der Vorbereitung der Wahlen vom 26. September 2021 war es laut Gericht zu schweren Wahlfehlern gekommen. Dazu zählen aus Sicht der Richterinnen und Richter zu wenige Wahlurnen genauso wie fehlende, falsche und sogar kopierte Stimmzettel oder flächendeckendes Wählen nach 18 Uhr.

Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahlen hatten unter anderen die Partei und die AfD eingelegt. Letztere forderte gemeinsam mit der CDU-Fraktion den Berliner Bausenator Andreas Geisel (SPD), der damals als Innensenator für das Thema Wahlen zuständig war, zum Rücktritt auf. Ein Missbilligungsvotum im Abgeordnetenhaus überstand Geisel am Donnerstag ebenso wie einen Entschließungsantrag zu seiner Entlassung. Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) stellte sich zuvor bereits hinter ihren Parteikollegen.

Verantwortlich für das Chaos sind laut der Präsidentin des Verfassungsgerichts, Ludgera Selting, die Landeswahlleitung und die für das Thema Wahlen zuständige Innenverwaltung.

Bundestagswahl womöglich auch betroffen

Am Wahltag war zudem auch der Bundestag gewählt worden. Für deren Überprüfung ist der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags zuständig. Dieser berät derzeit unter Verwendung der Erkenntnisse und Einschätzungen aus dem Verfahren vor dem Berliner Verfassungsgericht.

Die Vertreter der Ampelparteien SPD, Grüne und FDP sprachen sich jüngst im Ausschuss dafür aus, die Bundestagswahl in rund 300 der knapp 2.300 Berliner Wahllokalen wiederholen zu lassen. Darüber abgestimmt werden soll noch im Oktober.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.10.2022, 11:45 Uhr

43 Kommentare

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  1. 43.

    Es lohnt sich, zurückzuverfolgen wer auf was antwortet, dann kommt kein an Beiträgen vorbei niedergeschriebene Meinung raus, die man unbedingt jetzt loswerden will.

    Dann würden Sie schon Einigen ein Kaffee schulden, um bei Ihrer Währung zu bleiben, aber nichts für Ungut, da , "Humor ist wenn man trotzdem lacht".

  2. 42.

    Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft dass Sie hier die "Meinung des Wahlvolkes" lesen können oder? Die Zustimmung für RGR liegt bei 51 %. Auch wenn ich Umfragen nicht so recht traue aber das ist eine Hausnummer.

  3. 41.

    Dann ist es vielleicht zu spät! Auch die Meinung des Wahlvolkes ist in einem vitalen demokratischen Staat m.E. nicht ganz unwichtig!

  4. 39.

    Wozu sich jetzt heißdiskutieren, wenn die verbindliche Gerichtsentscheidung noch nicht auf dem Tisch liegt?

  5. 38.

    TOTAL- oder TEIL-Wahl? Das ist hier die Frage, die der Berliner VerfGH entscheiden muss. Dabei hat er wohl primär das Hauptkriterium MANDATSRELEVANZ zu berücksichtigen.

    Ist in Berlin eine TEIL-Wahl aus rechtlichen Gründen geboten, wenn nur in einem TEIL der Berliner Wahllokale so schwere Fehler nachweisbar sind, dass sich aus ihnen eine ANDERE Sitzverteilung in den Berliner Parlamenten (AGH und BVV) ergeben könnte?

    Eine TOTAL-Wahl könnte dem Berliner VerfGH als rechtlich nicht begründbar erscheinen, da der demokratische Grundsatz „Gewählt ist gewählt!“ auch für die in 2021 fehlerfrei gewählten Direktkandidaten und Parteilisten gelten muss.

  6. 35.

    Ich weiß jetzt nicht was es da noch groß zu diskutieren gibt .
    Die Wahlen sind nicht korrekt abgelaufen und somit bin ich der Meinung das es Neuwahlen geben muss . !!!
    Verstehe sowieso nicht wie dieses durcheinander gewertet werden konnte .
    Wir schicken Beobachter in andere Länder um dort ein Auge drauf zu haben das alles korrekt abläuft und hier dann sowas .
    Neuwahlen ganz klar und zwar komplett und nicht nur die Zweitstimme dann kann es doch bitte gleich gelassen werden weil auch nicht korrekt .
    Mir fehlen echt die Worte was hier abläuft .

  7. 34.

    Es ist furchtbar, dass die Berliner Senatoren und die Reg. Bürgermeisterin so an ihrem Amt kleben, dass sie Neuwahlen ausschließen.
    Die Angst, dass sie und ihre Parteien angesichts der schlechten Entscheidungen für Berlin nicht wieder im Berliner Senat vertreten sein könnten scheint groß zu sein.
    Hoffentlich entscheidet das Gericht im Sinne vieler Berliner für
    KOMPLETTE NEUWAHLEN.

  8. 33.

    „Naja, wenn die Verfassungsbeschwerde berechtigt ist, dann muss das BVerfG entscheiden.“
    Aber wann die Verfassungsbeschwerde berechtigt ist und wann nicht, entscheidet ausschließlich der zuständige Senat. Es gilt sowieso der Grundsatz, bis zu einen gewissen Grad sind Grundrechtsverstöße sowieso hinzunehmen.
    Aber nochmal, ihre Aussage ist ja kein Widerspruch, ich halte sie trotzdem für eine theoretische Option, da die Landesverfassungsgerichtshöfe ja keine Willkürbeschlüsse fassen und die jeweiligen Landesverfassungen ja im Förderalismus auf dem Boden des GG stehen.




  9. 32.

    12. Februar?
    Endlich mal wieder Winter-Wahlen!
    Gab es zuletzt 1990 (2. Dezember) und 1989 (29. Januar).
    Für einige hier scheint der Gedanke an Neuwahlen unerträglich zu sein.
    Trauriges Demokratieverständnis.

  10. 31.

    Thomas:
    "Die Wahrscheinlichkeit, dass das BVerfG Beschwerden zu ordentlichen Beschlüssen der jeweiligen VerfG-Höfe annimmt, wird wohl im Allgemeinen gegen Null streben."

    Naja, wenn die Verfassungsbeschwerde berechtigt ist, dann muss das BVerfG entscheiden.

    Der entscheidende Unterschied beim Prüfungsmaßstab ist, dass das LandesVerfG als Prüfungsmaßstab die Berliner und die Bundesverfassung (GG) hat, während das BVerfG als Prüfungsmaßstab nur die Bundesverfassung (GG) hat. Ein bloßer Verstoß gegen die Landesverfassung, die kein Verstoß gegen das GG ist, kann nur erfolgreich vor dem LVerfG gerügt werden, aber nicht vor dem BVerfG.

  11. 30.

    Rechthaber:
    "Die VerfGH-Entscheidung kann aufgrund einer Verfassungsbeschwerde von „jedermann“ durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden, wenn sie gegen ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht des Beschwerdeführers verstößt."

    Ja, aber es müssen zumindest folgende Voraussetzungen vorliegen:

    1. Es muss das Grundgesetz verletzt sein. Ein Verstoß gegen einfache Gesetze reicht nicht aus. Das BVerfG ist keine Superreviosionsinstanz. Es prüft keine Gesetzesverstöße, sondern nur Bundesverfassungsverstöße, also auch keine Landesverfassungsverstöße. Das einzige Gesetz, dass das BVerfG zur Prüfung heranzieht ist also das GG (und auch Völkerrecht, EU-Recht).

    2. Beschwerdebefugnis: Der Beschwerdeführer muss in seinen eigenen Grundrechten verletzt sein. Ein Bayer kann also keine Wahlbeschwerde wegen der Berliner Landeswahlen einlegen.

    3. Die Verfassungsbeschwerde muss gut begründet sein, sonst wird sie aus formalen Gründen ohne inhaltliche Prüfung abgelehnt.

  12. 29.

    Thomas:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 06.10.2022 um 16:38
    Ich verstehe die Rechtsaufsicht anders."

    Es kommt aber nicht darauf an, wie Sie es verstehen, sondern, wie es der Gesetzgeber geregelt hat.

    Thomas:
    "Die ist immer in der Pflicht bei groben Verstößen tätig zu werden."

    Was sollen denn "grobe Verstöße" sein?

    Nein, darauf kommt es nicht an, ob "Verstöße" grob sind oder nicht! Es kommt vielmehr auf die Ermessensauübung an, ob nur geprüft wird, ob die Ermessensausübung fehlerfrei war, oder ob die Ermessensausübung auch zweckmäßig war.

    Und wann tätig werden?
    Die Probleme waren erst am Wahltag sichtbar, und dann war es schon zu spät die Ordnungsmäßigkeit der Wahlen abzusichern.

    Thomas:
    "Leider war das chaotische Prozedere bei Zusammenlegung der Wahlen zum ABH, Bundestag und Berliner Marathon auch vorhersehbar."

    Bei einer besseren Vorbereitung hätte es aber reibungslos klappen können. Es war nicht zwingend, dass es schief gehen musste.

  13. 28.

    Carsten:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 06.10.2022 um 15:54
    "... Dabei kann das Gericht seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage mitteilen. ..."
    KANN, muß aber nicht im Gegenschluss."

    Ja, aber ein gut arbeitendes Gericht macht dies. Es gibt eine vorläufige Einschätzung der rechtlichen Lage ab, und die Partei, die zu unterliegen droht, kann nun nochmal tatsächlcihe oder rechtliche Argumente vorbringen, die das gericht dann in seiner Entscheidung berücksichtigen wird.

    Carsten:
    "Ich bin kein Jurist, m.E. liegt eine Einflussnahme (auf das Verfahren) und eine politische Stellungnahme der Präsidentin vor, die so nicht statthaft ist."

    Einflussnahme?
    Das Gericht ist Herrr des Verfahrens und hat damit den vollen Einfluss auf das Gerichtsverfahren!
    Das ist die Rechtslage und kann man dem Gericht dann natürlich auch nicht vorwerfen!

  14. 27.

    Das, was Sie vermutlich meinen, ist wohl "Befangenheit". "Befangenheit" meint aber eine Voreingenommenheit, die auf rechtsfernen, aber nicht auf rechtlichen Aspekten beruht. Hier betreffen die rechtlichen Hinweise aber allein rechtliche Aspekte.

    Ein Gericht darf voreingenommen sein, dass ein Gesetz so oder so auszulegen sei. Es darf aber nicht voreingenommen sein, dass es die Entscheidung von rechtsfernen Aspekten abhängig macht, oder dass es sich auf eine Entscheidung bereits verbindlich festlegt, bevor es alle Tatsachen zur Kenntnis genommen hat.

  15. 26.

    Carsten:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 06.10.2022 um 15:54
    Das sehe naturgemäß anders. Lassen Sie es mich etwas anders formulieren. "Sie haben Gelegenheit, Änderungen oder Ergänzungen des Sachverhaltes vorzubringen. Für Gewöhnlich findet dann ein Rechtsgespräch statt, in dem der Vorsitzende auf die Probleme des Falles hinweist. Dabei kann das Gericht seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage mitteilen. Auch Sie werden Gelegenheit haben, Ihre Rechtsauffassung darzulegen. Das Gericht wird Ihren Standpunkt in seine Erwägungen einbeziehen und bei der Entscheidung berücksichtigen.""

    Es fehlt zwar eine Quelle zum Zitat, aber der Inhalt ist richtig. Rechtsgespräch heißt, dass jede Partei und das Gericht den Sachverhalt rechtlich einschätzt. Ein gut vorbereitetes Gericht macht dies regelmäßig und erklärt, wohin es tendiert und benennt auch die tragenden rechtlichen Gründe, damit die Parteien dazu argumentieren können. Das ist die gelebte Praxis vor Gericht.

  16. 25.

    Dann lassen sie es mich anders formulieren:
    „Ich bin kein Jurist, m.E. liegt eine Einflussnahme (auf das Verfahren) und eine politische Stellungnahme der Präsidentin vor, die so nicht statthaft ist.“

    Die Stellungnahme der Präsidenten des VerfGH Berlin Ludgera Selting erfolgte in Vertretung und im Namen der gesamten Kammer, nach Prüfung der Faktenlage und ist natürlich statthaft.

  17. 24.

    Hoffentlich Neuwahlen für ganz Berlin und nicht nur ein Teil der Wahlbüros.

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