Nach Zittersieg in Potsdam - Wieviel Rückhalt hat der Brandenburger SPD-Fraktionschef Keller?

Fr 20.10.23 | 20:39 Uhr
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SPD-Fraktionschef Keller gewinnt Wahl zum SPD-Landtagskandidaten nur knapp. (Bild:
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 20.10.2023 | Stephanie Teistler | Bild: dpa/Sebastian Christoph Gollnow

Fraktionschef Daniel Keller ist ein politisches Schwergewicht in der Brandenburger SPD – allerdings nicht unumstritten. Woher kommt der Unmut – und welche Folgen hat das für die Stabilität der SPD in Brandenburg? Von Christoph Hölscher

Drei Wahlgänge brauchte Daniel Keller in der Kampfabstimmung um die Wahlkreiskandidatur im Potsdamer Süden. Und setzte sich auch dann nur knapp mit zehn gegen neun Stimmen durch – gegen den 29-jährigen, eher unbekannten Potsdamer Stadtverordneten Nico Marquardt.

Dabei ist Keller der "starke Mann" in der SPD-Landtagsfraktion und hatte den Wahlkreis bei der letzten Landtagswahl 2019 durchaus überraschend gegen die favorisierte Linke gewonnen. Keller selbst will am Tag danach kein Problem in seinem "Zittersieg" sehen: Es sei "legitim", dass bei solch einer Wahl zwei Kandidaten anträten. Und der knappe Ausgang zeige, dass es in der SPD eine "lebendige Demokratie" gebe.

Das kann man allerdings auch anders sehen. Für Pete Heuer, SPD-Fraktionsvorsitzender in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, zeigt das enge Abstimmungsergebnis, dass dem Kandidaten Keller "nicht alle gewogen" seien. Julius Köhler, Co-Vorsitzender der Jusos Potsdam, sieht darin einen "kleinen Denkzettel" für den von Keller gepflegten "Politikstil".

Ein Fraktionschef, der in der eigenen Partei umstritten ist? Das kann zum Problem für die SPD werden, die ein knappes Jahr vor der Landtagswahl mit schlechten Umfragewerten zu kämpfen hat.

Querelen in der Potsdamer SPD

Vordergründig scheinen Auseinandersetzungen im SPD-Unterbezirk Potsdam der Grund für die Beinahe-Wahlschlappe zu sein. Keller ist Stadtverordneter in der Landeshauptstadt - wie auch sein unterlegener Abstimmungskontrahent Marquardt. In der dortigen SPD-Fraktion gibt es schon seit längerer Zeit Querelen und Machtkämpfe.

Diese gipfelten im Frühjahr sogar im Rückzug der damaligen Fraktionsvorsitzenden. In Parteikreisen sagt man uns hinter vorgehaltener Hand, Keller sei am "Absägen" der Potsdamer Fraktionsspitze beteiligt gewesen – er gilt auch dort als "Strippenzieher". Das Abstimmungsergebnis jetzt sei ein "deutliches Zeichen", dass es in der SPD Potsdam "große Unzufriedenheit" mit Kellers Arbeit gebe.

Parteikreise: "Karriereschritte mit der Säge"

Diese Unzufriedenheit strahlt offenbar auch über Potsdam hinaus in die Landespolitik aus. Björn Lüttmann, stellvertretender Vorsitzender der Landtagsfraktion, betont zwar, dass Keller als Fraktionschef "sehr gute Arbeit mache" und man das knappe Abstimmungsergebnis in der Fraktion "überhaupt nicht nachvollziehen" könne.

Doch es gibt auch andere Stimmen: "Fast jeder seiner Karriereschritte hatte bisher mit einer Säge zu tun. Das rächt sich auf Dauer", sagt ein Mitglied der SPD-Landtagsfraktion, das namentlich nicht genannt werden möchte. Womöglich spielen Bemerkungen wie diese auf den Wechsel an der Fraktionsspitze im Jahr 2021 an. Damals räumte Fraktionschef Erik Stohn sein Amt nicht unbedingt freiwillig für seinen Nachfolger Daniel Keller.

Und auch für den Rücktritt von Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) im Frühjahr dieses Jahres machen einige seiner Genossen Keller zumindest mit verantwortlich. Ernst hatte als Grund für ihren Rücktritt die mangelnde Unterstützung der von Keller geführten SPD-Fraktion genannt.

Koalitionspartner: Richtungsstreit in der SPD

Beobachter aus den anderen Regierungsfraktionen CDU und Grüne sehen den Potsdamer Abstimmungs-Denkzettel für Keller sogar als Ausdruck eines Richtungsstreits in der Brandenburger SPD. Keller stehe dabei für den traditionell-konservativen Flügel der Partei, dem zum Beispiel auch Ministerpräsident Dietmar Woidke oder Finanzministerin Katrin Lange zuzurechnen seien.

Seine Gegner gehörten dagegen dem eher linken, städtisch-intellektuellen Flügel um Kulturministerin Manja Schüle oder den Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert an. Aus dem Keller-Lager wird passend dazu kolportiert, dass Schüle die Gegenkandidatur in der Wahlkreisabstimmung orchestriert habe, um ihren innerparteilichen Rivalen zu schwächen.

Sorge um Stabilität der SPD

"Alles Unsinn", heißt es dazu in der SPD-Landtagsfraktion. Einen Richtungsstreit gebe es nicht in der Partei, und der Fraktionsvorsitzende Keller sei durch das knappe Ergebnis auch keineswegs beschädigt, beteuert Fraktionsvize Lüttmann. Man habe die Sache bereits abgehakt. Nun gebe es genügend politische Herausforderungen, als dass man sich noch lange mit diesem Vorgang beschäftigen könne, so Lüttmann.

Bei den Koalitionspartnern ist man nicht ganz so entspannt. So blicke man in der CDU-Fraktion durchaus mit Sorge auf die Auseinandersetzungen bei den Sozialdemokraten, sagt uns ein Abgeordneter, der anonym bleiben möchte. Die momentane "Instabilität" der Brandenburger SPD könne noch zum Problem für das Regierungsbündnis werden.

Immerhin: Ein bisschen Selbstkritik übt Keller am Tag danach. Er müsse künftig "noch mehr" schauen, dass er die "Partei im Wahlkreis" mitnehme und die "Akteure vor Ort" einbinde. Jetzt gehe es für ihn aber vor allem darum, den Wahlkreis im Potsdamer Süden bei der Landtagswahl im kommenden Jahr gegen die AfD und die Linke zu verteidigen. Hinter diesem Ziel stehe die Partei "geschlossen".

Doch steht sie auch geschlossen hinter ihm, Daniel Keller? Daran gibt es spätestens nach dem Potsdamer Abstimmungs-Denkzettel Anlass zu zweifeln.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 20.10.2023, 19:30 Uhr

5 Kommentare

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  1. 5.

    Keller manifestiert doch nur den Geist dieser Zeit der Ohnmacht und die Zerrissenheit in den Parteien vor den riesigen Herausforderungen.
    Ich würde das nicht an seiner Person festmachen.
    Wer war denn z.B. wirklich ein Fan von Ernst?! Ich kann mich noch gut an die Debatten in ihrer Amtszeit erinnern.
    Knappe Wahlsiege sind heute wohl eher die Regel als die Ausnahme, auch in den Parteien.

  2. 4.

    Rückhalt? Na ja wird so kommen, wie bei der Linken. Mein linker rechter Stuhl ist leer, ich wünsche mir ... her. Wenn alle Konkurrenten erfolgreich weggeekelt sind, kann man sagen, man sucht Leute, die bereit sind, ganz unten anzufangen und da auch zu bleiben haben.

  3. 3.

    Zu lange auf den Sesseln?

  4. 2.

    Die SPD hat in Brandenburg aktuell, auf Platz 2, = 20% (AfD 32%). Kommt die Wagenknecht Partei, kann die SPD froh sein wenn die NOCH 2 Stellig bleibt. In Berlin ist noch schlimmer. Die prognostizierten 20% für diese neue Partei müssen ja irgendwo her kommen, wenn wir nicht plötzlich 120% Wähler haben.

  5. 1.

    Ehen, die ohne stabile Grundlage und Beziehungen geschlossen werden, werden meist sehr schnell wieder geschieden.

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