Verband muss entscheiden - Diese vier Szenarien gibt es für den Berliner Amateurfußball

Mo 27.04.20 | 15:48 Uhr
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Der Berliner Fußball-Verband hat eine harte Entscheidung zu treffen: Wie geht es weiter im Amateurfußball? Saisonabbruch oder doch Fortsetzung im Herbst? Auch unter den Klubs wird kontrovers diskutiert. Der Verband hat Angst vor einer Klagewelle.

Die Ausgangslage

Seit Mitte März rollt auf den Berliner Amateurfußballplätzen offiziell kein Ball mehr. Aufgrund der aktuellen Kontaktbeschränkungen sind Sportplätze gesperrt. Weder Training noch Spielbetrieb sind erlaubt - alles pausiert. 12.805 Partien in allen Spiel- und Altersklassen stehen noch aus. Der Berliner Fußball-Verband (BFV) muss darüber entscheiden, wie es weitergeht. Doch er tut sich schwer.

"Wenn wir als Verband pauschal hier und heute die Saison beenden würden, was ist dann beispielsweise mit den Sponsoreneinnahmen der Vereine? Und kann ein Verein dann gegenüber dem BFV einen Rechtsanspruch geltend machen?", erklärt Kevin Langner, hauptamtlicher Geschäftsführer des BFV, die verzwickte Situation. Den Verband plagt also die Angst vor einer Klagewelle. Verschärft wird die Situation noch durch den Umstand, dass der BFV nach einer Rücktrittsflut im Februar keinen Rechtsexperten mehr im Präsidium sitzen hat.

Vier unterschiedliche Zukunftsszenarien stehen momentan zur Disposition und bei den Vereinen selbst herrscht alles - nur keine Einigkeit. "Auch unser Verein ist zwiegespalten", berichtet Frank Dannenberg, Abteilungsleiter Fußball beim SC Siemensstadt. "Manche wollen, dass annuliert wird, manche wollen, dass weitergespielt wird." Der BFV ist darum bemüht, sich ein gründliches Meinungsbild seiner Klubs einzuholen - per Umfrage geschah das letztmalig am vergangenen Samstag. "Das ist jetzt schon das dritte Mal", berichtet Gerd Thomas vom FC Internationale. "Einmal schriftlich - und jetzt zweimal per Telefonkonferenz."

Es herrscht Redebedarf im Berliner Amateurfußball. Diese vier Szenarien sind der Grund dafür.

Szenario 1: Saisonabbruch mit Wertung der Hinrundentabelle

Von 97 Vereinen aus dem Berliner Herrenfußball, die an einer Umfrage des Verbandes teilgenommen haben, stimmten 32 für die Lösung Saisonabbruch mit Wertung der Hinrundentabelle. Bei dieser gäbe es Auf-, aber keine Absteiger. Die Zustimmungswerte machen sie zur populärsten Option unter den Klubs. "Wir müssen darauf achten, dass die haftungsrelevanten Fragen gut geklärt sind", weist auch Gerd Thomas vom FC Internationale auf eventuelle Klagen bei einem Abbruchsszenario hin. "Man muss sich doch nichts vormachen: Die Vereine schauen auf die Tabelle und lassen sich davon in ihrer Entscheidung leiten. Wir sollten also nicht so tun, als wäre das alles hier objektiv. Das ist meines Erachtens nach überhaupt nicht möglich."

Szenario 2: Saisonabbruch mit "Quotientenregelung"

Die sogenannte "Quotientenregelung" ist in Handball-Kreisen schon bestens bekannt.  Als der Deutsche Handball-Bund beschloss, seine aktuelle Saison abzubrechen, wurde zur Ermittlung des Meisters eben jene "Quotientenregelung" zu Rate gezogen. Der Quotient wird durch Dividieren der Punkteanzahl durch die Spiele errechnet (Stand: 8. März 2020). Auch dieses Szenario sieht nur Auf-, aber keine Absteiger vor. 20 von 97 Vereinsvertretern stimmten dafür.

Szenario 3: Saisonabbruch mit Annulierung aller Ergebnisse

Ein solch gearteter Saisonabbruch scheint in der jetzigen Situation eher unwahrscheinlich - auch wenn 19 von 97 Vereinen für diese Lösung plädieren. 

Szenario 4: Fortsetzung der Saison

"Der BFV-Präsident hat verlautbaren lassen, dass er für eine Unterbrechung der Saison und eine Fortsetzung zu einem späteren Zeitpunkt wäre", verrät Gerd Thomas vom FC Internationale. Diese Variante gliche dem sogenannten "bayerischen Modell": Dort soll die Saison nach den Sommerferien - wenn durch staatliche Vorgaben möglich - fortgesetzt werden.

Heißt also im Herbst - ab dem 1. September. Im Süden hatten sich zwei Drittel der Vereine für diese Lösung ausgesprochen. In Berlin sind es 20 von 97. "Ich habe in der Umfrage des Berliner Fußball-Verbandes auch dafür plädiert", sagt Werner Natalis, Präsident von Berlin-Ligist Sparta Lichtenberg. "Wir sind Tabellenzweiter, der Spitzenreiter hat drei Punkte Vorsprung. Wir wissen ja nicht, wie der BFV wertet. Wir haben aber noch ein Nachholspiel. Wenn es um den Aufstieg geht, dann wollen wir natürlich, dass die Saison zu Ende gespielt wird."

Ein Beispiel, welches veranschaulicht, wie sensibel die Lage für den Berliner Fußball-Verband ist. "Wir würden eigentlich nicht klagen. Aber wenn jetzt gesagt werden würde: Stern 1900 (Anm. d. Red.: Der aktuelle Tabellenführer in der Berlin-Liga) steigt auf und wir haben das Nachholspiel und das bessere Torverhältnis ...", dann scheinen rechtliche Schritte durchaus im denkbaren Bereich.

Die Hoffnung auf Fairplay

Zwei weitere Saisonabbruchsszenarien, in denen entweder die "Quotientenregelung" oder die Hinrundentabelle nicht nur über Auf-, sondern auch über Absteiger entschieden hätten, fanden in der Umfrage indes kaum Zustimmung.

Wie auch immer die Entscheidung seitens des Berliner Fußball-Verbandes ausfallen wird, alle glücklich zu machen, scheint in dieser Ausnahmesituation unmöglich. "Ich hoffe, dass sich alle am Ende mit so viel Fairplay zeigen, dass sie die getroffene Entscheidung akzeptieren und nicht den Rechtsweg einschlagen. Das würde ins Chaos führen", appelliert Gerd Thomas vom FC Internationale an die Vereine. Der Blick über den Berliner Tellerrand hinaus jedoch zeigt: Leicht chaotisch geht es bundesweit schon jetzt zu. Viele Meinungen und viele Bedürfnisse machen eine Einheitlichkeit utopisch.

Sendung: Inforadio, 25.04.2020, 16 Uhr

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3 Kommentare

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  1. 3.

    Am 20.06.2020 wird es in vielen Vereinen mit traditionell hoher Fluktation der Spieler nur noch wenige geben, welche die Saison "fortsetzen" können. Der BFV ist derzeit handlungsunfähig, als Vorstand eines Mitgliedsvereines habe ich (und alle sonstigen Entscheidungsträger nicht nur unseres Vereines)nach 3(!) Abstimmungen der Vereine kurzfristige Klarheiten erwartet. Was sagen wir jetzt 6 Wochen lang unseren Mitgliedern/Spielern?

    Im übrigen: 75% der Mitgliedsvereine haben sich für den Herrenbereich in der Abstimmung am 25.04. für den Abbruch der Saison mit der einen oder anderen Wertung ausgesprochen, bei der Jugend 95%.

  2. 1.

    Und wo ist das Szenario #5?
    Einfach aufhören und warten ob es noch einmal weitergehen kann.

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