Arbeitslosigkeit sinkt am stärksten in Brandenburg - Warum in Brandenburg jetzt die blühenden Landschaften kommen könnten

Mi 29.12.21 | 06:28 Uhr | Von Dominik Ritter-Wurnig
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Selbst die Corona-Pandemie kann dem sich ankündigenden Wirtschaftsaufschwung in Brandenburg wenig anhaben. 2022 soll die rekordniedrige Arbeitslosigkeit nochmals sinken - stärker als in jedem anderen Bundesland. Von Dominik Ritter-Wurnig

DB-Bahnwerk in Cottbus: 1.200 neue Jobs. Lithiumhydroxidfabrik von Rock Tech Lithium in Guben: 160 neue Jobs. BASF-Kathodenfabrik in Schwarzheide: 150 neue Jobs. Innovationszentrum Uni-Medizin in Cottbus: 1.600 neue Jobs. Tesla-Autofabrik in Grünheide: 12.000 neue Jobs.

In den vergangenen Monaten wurden Tausende neue Arbeitsplätze in Brandenburg angekündigt - manches davon wird sich erst bis 2024 manifestieren oder ist noch nicht in trockenen Tüchern.

Das ist die eine Seite. Am Horizont lauert in der Lausitz aber zugleich das Ende der Braunkohle mit wegfallenden Arbeitsplätzen - und zuletzt fielen bei Vestas in Lauchhammer 460 Stellen weg.

Geht man nun einen Schritt zurück und blickt aus einer makroökonomischen Sicht auf Brandenburg, zeigt sich unterm Strich: Die Zukunft am Arbeitsmarkt sieht ziemlich rosig aus. Die neuesten Zahlen der Arbeitsagentur aus dem November 2021 brachten einen Nachwenderekord: Seit der Wiedervereinigung war die Arbeitslosenquote nie niedriger. 70.160 Brandenburger und Brandenburgerinnen (Arbeitslosenquote 5,8 Prozent) waren im November arbeitslos gemeldet.

Arbeitslosigkeit wieder unter Vor-Corona-Niveau

"Brandenburg ist vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen; Beschäftigung und auch Arbeitslosigkeit haben sich wieder erholt", sagt Holger Seibert, Arbeitsmarktexperte für Berlin und Brandenburg beim Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). Die Arbeitslosenquote - genau wie die absolute Zahl der Arbeitslosen - ist in Brandenburg bereits wieder unter dem Vor-Corona-Niveau.

In Bezug auf die Ansiedlungen müsse man abwarten, in welchem Umfang hier am Ende tatsächlich Neueinstellungen stattfänden, sagt Seibert: "Derzeit gibt es in Brandenburg circa 880.000 Beschäftigte. Würden die Neuansiedlungen 10.000 neue Beschäftigungsverhältnisse generieren, wäre das ein Plus von gut einem Prozent. Bei Industriearbeitsplätzen können in der Region noch einmal so viele Arbeitsplätze bei Zulieferern und durch indirekte Effekte wie etwa beim regionalen Einzelhandel entstehen."

Wie viele Jobs in der Braunkohle?

Zum Vergleich: Im Lausitzer Revier in Brandenburg und Sachsen waren laut IAB im Juni 2020 (neueste Zahlen) noch 7.887 Menschen in der Braunkohleverstromung beschäftigt. Das entspricht 1,9 Prozent aller Arbeitsplätze in der Region - dazu kommen noch die Jobs, die indirekt davon abhängen.

Das klingt nach wenig, aber die Arbeitsplätze haben eine große wirtschaftliche Bedeutung. Im Vergleich zu anderen Sektoren sind Braunkohle-Jobs deutlich besser bezahlt: In dieser Branche verdienen Lausitzer und Lausitzerinnen im Mittel 4.653 Euro brutto, über alle Branchen sind es nur 2.564 Euro.

2022 nur noch 66.000 Arbeitslose

Die Prognose des IAB für 2022 ist gut: In keinem Bundesland soll die Zahl der Arbeitslosen stärker sinken als in Brandenburg. Das Forschungsinstitut geht davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen von 77.000 im Jahresdurchschnitt 2021 um 14 Prozent auf 66.200 im Jahr 2022 sinken wird. Am Höhepunkt der Arbeitslosigkeitskrise im Februar 2005 waren 278.000 Brandenburgerinnen und Brandenburger ohne Job. Tatsächlich soll 2022 die Arbeitslosigkeit in allen Bundesländern sinken; nirgends ist der prozentuelle Rückgang aber so stark wie in Brandenburg (siehe Karte oben).

Streng genommen handelt es sich bei dieser IAB-Prognose um eine Fortschreibung von bisherigen Entwicklungen. Zusätzliche Investitionen von außen - wie etwa die Tesla-Fabrik - werden in diesen Zahlen gar nicht abgebildet. Dadurch könnte die Zahl der Arbeitlosen womöglich noch stärker zurückgehen. Gleichzeitig gilt: Die Pandemie ist derzeit ein großer Unsicherheitsfaktor für jede Wirtschaftsprognose.

Grenzen des Wachstums

Aber das Beschäftigungswachstum könnte in Brandenburg schnell an Grenzen stoßen. Es fehlt an Fachkräften und durch den Nach-Wende-Geburtenknick kommen immer weniger nach. Schon jetzt sagen viele Experte, dass der Fachkräftemangel - auch in Brandenburg - das Wirtschaftswachstum ausbremst. Neben steigenden Rohstoffpreisen wird der Mangel an gut ausgebildeten Facharbeiter:innen laut der Konjunkturumfrage der IHK Brandenburg von den Unternehmen als das größte Risiko gesehen. "Das Erwerbspersonenpotenzial wird noch deutlich abnehmen, wenn es der Region nicht gelingt attraktiver zu werden", so formuliert es Seibert.

Aber an Attraktivität zu gewinnen, wird bei den klamme Klassen für viele Kommunen schwierig. Schon jetzt geht eine wirtschaftliche Kluft durch Brandenburg: Vor allem in den Speckgürtel rund um Berlin ziehen viele Menschen, wird viel gebaut, entstehen neue Betriebe. Genau dort ist oft die Steuereinnahmekraft höher und die Verschuldung niedriger.

Der Westen lockt nach wie vor mit Geld

Ein neues Schwimmbad, ein gute Schule oder moderne Infrastruktur machen sicherlich einen Ort attraktiver. Aber die große Hürde beim Fachkräftemangel stellt für Brandenburg (und andere Ost-Bundesländer) sicherlich das niedrige Lohnniveau im Vergleich zu den südwestlichen Bundesländern dar. Nur wenige Hundert Kilometer weiter kann ein Arbeitnehmer rund 10.000 Euro mehr verdienen pro Jahr. Im Vergleich zu den den anderen Bundesländern im Osten steht Brandenburg gut da; die Lücke zu den West-Bundesländern bleibt aber groß.

Roboter statt Kumpel

Auch Seibert vom Forschungsinstitut der Arbeitsagentur IAB drückt mit Blick auf die entstehenden Arbeitsplätze auf die Euphoriebremse: "Es kann natürlich sein, dass Neuansiedlungen Brandenburg zu einem stärkeren Beschäftigungswachstum verhelfen als in den vergangenen Jahren, aber das muss sich erst bewahrheiten." Jetzt wo die Landschaft endlich nach der Wende blüht, dräut am Horizont zudem ein neues Problem, dass schwieriger zu lösen sein wird als der Strukturwandel durch das Ende der Kohleverstromung.

"Indutriearbeitsplätze haben ein hohes Substituierbarkeitspotenzial durch Computer oder computergesteuerte Anlagen", malt Seibert ein pessimistisches Bild. "Gerade in einer Region, die schon heute zu wenig Fachkräfte hat, sind die Unternehmen möglicherweise eher bereit, stärker in Digitalisierung und Automatisierung zu investieren." Statt Kohlekumpels in der Lausitz würden dann autoschraubende Roboter in Grünheide die Arbeit machen.

Sendung: Inforadio, 29.12.2021, 6:20 Uhr

Beitrag von Dominik Ritter-Wurnig

38 Kommentare

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  1. 38.

    Ich glaube eher, und das ist auch in Berlin bemerkenswert, dass die Zugezogenen meckern, die glaubten, dort wo sie hingezogen sind, bleibt alles so wie es war. Nur, in Berlin kommen sie aus ländlichen Umfeld, noch die Gummistifel an und geistig auf Dorfniveau und wollen es so behalten, wie sie es bis dato gelebt haben, weil sie nicht mitbekommen haben, dass Berlin kein Dorf ist.
    Und im ländlichen Zuzugsbebiet wollen sie den Schlauberger heraushängen lassen und nerven die Ansässigen mit ihren städtischen Gehabe und kruden Ansichten Gründen Bürgervereinigungen, die gegen dies und das sind. Windräder, Kuhställe, Kopfsteinpflaster, Hühnergegacker, Hundebellen, ...

  2. 37.

    Hier liegt es aber auch an den Arbeitnehmern, sich zu organisieren und selber für höhere Löhne einzutreten. Bisher waren die Arbeitgeber in der komfortablen Situation, dass daran kein Interesse besteht, s. z B. insbesondere Amazon. Der Organisationsgrad ist in den neuen Ländern noch schlechter als in den alten. Dass zu ändern haben die Gewerkschaften bisher aber nicht geschafft.

  3. 36.

    Output/ Input = Produktivität, Output = Verkaufspreis , wenn man es will und braucht um etwas zu ...was die Missbräuchlichkeit als Erklärung für schlechtere Bezahlung halten will. Kann man sehr schnell entlarven, wenn man es einmal verstanden hat.

  4. 35.

    Die Produktivität hat mit Verkaufspreisen nichts zu tun.
    Das was Sie beschreiben, das sind eher die Folgen.

  5. 34.

    So weit nachvollziehbar, bis auf die Produktivität. Die ist auf Grund der niedrigeren Verkaufspreise produzierter Waren niedriger. Auch die Löhne spielen da eine unrühmliche Rolle. Ein praktisches Beispiel ist Pfanni in MekPom. Dort werden sehr produktiv, weltweit wohl die Höchste, Nonames- Chips billig an Discounter verkauft...So kommt es, dass im Osten die Produktivität sogar höher sein kann, aber die Löhne und Verkaufspreise bei längerer Arbeitszeit dafür sorgen, dass ein Zustand zementiert werden soll? Das hat auch Auswirkungen auf Lehrergehälter, Feuerwehrbesoldung usw. Raten Sie mal, was die linke Brandenburger Politik da seit 30 Jahren „genießt“? Und damit frech wirbt...

  6. 33.

    Eine Arbeitslosigkeit von 5,2% als rekordniedrige Arbeitslosigkeit zu bezeichnen, mit verlaub, dass ist eine Fehlangabe.
    Eine rekordniedrige Arbeitslosigkeit bedeutet einen Wert von ca 3% und weniger.
    Brandenburg liegt derzeit leicht über den Bundesdurchschnitt (5,1% ), und 8 Bundesländer liegen niedriger, mit 2,9% schneidet Bayern am besten ab.
    Was die Lohnlücke angeht, dass bedeutet auch niedrigere Produktivität.
    Im Osten immer noch niedriger als im Westen, leider.

  7. 32.

    Für soviel Geld werden die Kohlekumpels wohl nirgends einen Job finden. Schickt sie doch in Rente, das ist billiger. Wenn es im Westen entsprechende Arbeitsplätze gibt dann dahin. Die Milliarden für die Umstrukturierung werden nur verschwendet.

  8. 31.

    Der eine mag Spaziergänge zwischen Maisfeldern und Kiefernwäldern, der andere möchte für seinen Lebensunterhalt arbeiten. Hier in Templin haben sich viele für die Arbeit entscheiden und sind gegangen.

  9. 30.

    Gut dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden und verstärkt auf Automatisierung gesetzt wird.
    Die "jungen Leute" wird man wohl eher überzeugen können Informatik zu studieren, als Maurer zu lernen.
    Problematisch bleiben für mich die Fragen nach Umschulungen und "nachhaltigem Wachstum". Das Motto: "Wir bauen auf und reißen nieder, dann haben wir Arbeit immer wieder." ist aus meiner Sicht nicht zukunftsfähig, ebenso wie zu viel Bodenversiegelung. Den "Wende-Begriff" der "blühenden Landschaften" aufzugreifen halte ich zudem für ungünstig.

  10. 29.

    Ihre naturbelassenen Landschaften sind zwar schön anzusehen, ernähren aber die Menschen nicht. Ich habe den wirtschaftlichen Niedergang in Fürstenwalde in den 90ern erlebt. Die Militär- und Industriebrachen wurden dann mit Millionen vor Ort und mit Milliarden in Brandenburg renaturiert. Heute sieht man tags über nur noch alte Leute und junge Leute in Thor Steinar Klamotten. Wer Arbeit hat pendelt und zieht irgendwann nach Berlin.
    Brandenburg braucht einen Aufbruch wie Tesla und eine gute Infrastruktur. Ich habe in Hamburg, München und Frankfurt/Main gesehen, dass Naturschutz und gute Infrastruktur nicht im Wiederspruch stehen.

  11. 28.

    Motte, exakt meine Meinung! Ich frage mich nur, was muss passieren um diese unsägliche Verbindung zwischen Wachstum und Wohlstand zu enttarnen bzw. den Trugschluss zu erkennen.

  12. 27.

    Es ist schön, dass die Nachwendezeit mit Massenarbeitslosigkeit und sozialem Abstieg ein für allemal der Vergangenheit angehört und Menschen wieder Chancen und Möglichkeiten in Brandenburg haben :) Gerade junge Menschen kann das dazu bewegen, nicht abzuwandern.

  13. 26.

    Blühende Landschaften sind in meinen Augen eben tatsächlich naturbelassene Gegenden und die hat das schöne Brandenburg. Blühende Landschaften verbinde ich nicht mit Industrie im Wasserschutzgebiet. Ein rein philosophischer Ansatz. Infrastruktur ist etwas, was zwar die Ansiedlung von Menschen begünstigt, aber meist keine blühenden Landschaften hervorbringt. Beides kann man nicht haben, nirgends auf der Welt.

  14. 25.

    Ich nahm die blühenden Landschaften wörtlich, da die auch nicht in Anführungszeichen standen, lese aber viel von Industrie, Geld und Arbeitsplätzen. Blühende Landschaften und glückliche , gesunde Menschen wird es dann wohl noch weniger geben. Schade, ich hatte mich schon gefreut.

  15. 24.

    Was das Land braucht sind kräftige Holzfäller und Betonmischer..

  16. 23.

    Ein Institut braucht nicht nur Hausmeister, sondern auch Institutsmitarbeiter. Voraussetzung: Bildung, Bildung! Und zwar nicht aus der Bild-Zeitung.


  17. 22.

    Der fleißige Brandenburger ist trotz (!) gönnerhafter und rückwärtsgewandter „Fördergeldverteilmentalät“ vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Politisch gewollte Billiglöhner kämpfen sogar erfolgreich gegen diese Politik an, wie auch gewonnene Prozesse von Lehrern und Feuerwehrleuten zeigen. Und selbst im Artikel können keine Ansiedlungserfolge genannt werden, sie gibt es nicht....aber Hoffnung und damit gehen Politiker hausieren? Erfolg ist messbar. Dafür bedarf es ganz anderer Einstellungen im Kopf. Am leistungsbereiten Brandenburger liegt es jedenfalls nicht...er ist mehr die „Ameise“ statt Schwätzer.

  18. 21.

    Home Office kann aber dafür sorgen, dass zukünftig wieder mehr Menschen auf dem Land leben und von dort aus arbeiten. Dann verfallen auch die Häuser nicht mehr so stark, sondern werden bewohnt. Dazu braucht es natürlich Digitalisierung und vor allem: Eine weltoffene Denkweise, die nicht krampfhaft an alten Zöpfen festhält.

    Viele Familien in Großstädten, z.B. in Berlin, würden gerne auf dem Land leben, wenn es im Job möglich wäre. Früher ging das oft nicht, weil es zum Pendeln zu weit war. Die Technik ist aber inzwischen so weit, dass man eine ganze Reihe von Arbeiten mobil erledigen kann. Also auch aus Provinzdörfern mit schöner Natur. Wenn Handy und Internetleitung funktionieren und der Chef nicht in den 80er / 90er Jahren stehen geblieben ist. Klar kann ein Bäcker das nicht machen. Aber viele Büroleute eben schon. Das ist eine Chance für den ländlichen Bereich. Da wo es möglich ist.

  19. 20.

    Die Arbeit ist nicht der einzige Grund für Abwanderung in einigen Regionen. Nicht jeder möchte z.B. in einem AfD-geprägten Umfeld leben. Hinzu kommt die schlechte Infrastruktur auf dem Land. Bahnanschluss stillgelegt. Bus fährt nur 2x am Tag zu unmöglichen Uhrzeiten. Durch die Abwanderung von jungen Leuten erklärt sich auch das Geburtsdefizit. Die Menschen stimmen mit den Füßen ab und gehen dort hin, wo sie sich wohl fühlen. Das gesellschaftliche Klima haben diese Regionen also auch ein bisschen selber in der Hand ...

  20. 19.

    Wie üblich,den Norden vergessen, wie immer. Wie sieht es in der Prignitz und der Uckemark aus. Hier sind die neuen Fördergebiete für die Afd. Keine Entwicklung wie im Landesdurchschnitt heisst: Hurra Blau.

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