Mehr große Investitionen in Bayern - Berlin und München: Welche Stadt macht das Rennen als Start-up-Metropole?

Do 16.01.25 | 07:51 Uhr | Von Efthymis Angeloudis
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Collage: Lara Sophie Bothur, Voice for Innovation & Corporate Tech Influencer, Deloitte Consulting auf der Bits and Pretzels Messe in München; Christian Göke, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Berlin auf der IFA. (Quelle: dpa/Balk/Jensen)
Bild: dpa/Balk/Jensen

Start-ups aus Bayern haben zum ersten Mal mehr Wagniskapital eingesammelt als junge Unternehmen aus Berlin. Bröckelt der Mythos der Gründermetropole an der Spree? Ein Blick nach München zeigt, was Berlin von den Bayern lernen kann. Von Efthymis Angeloudis

Start-up-Geldgeber aus dem Ausland, die Investment-Trips nach Deutschland planten, hatten früher vor allem ein Ziel: Berlin. Der Reiz von Aufbruchstimmung, Neumachen und Techno – ganz zu schweigen von den vielen jungen, kreativen Köpfen – reichte weit. Bis über den Atlantik: Oft kamen die Investoren aus den USA. "Jetzt fliegen sie vielleicht doch erst nach München", sagt Barbara Mehner, Leiterin des Start-up-Inkubators Xpreneurs, aus der bayerischen Landeshauptstadt im Gespräch mit rbb|24 – und muss sich dabei schwer anstrengen, ein Lächeln zu verkneifen.

Hinter dieser Anekdote steckt allerdings mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit. Start-ups aus Bayern haben im vergangenen Jahr zum ersten Mal mehr Risikokapital eingesammelt als Gründer aus Berlin. Mit über 2,3 Milliarden Euro flossen fast ein Drittel aller Start-up-Investitionen in den Freistaat. Berlin kam im Länder-Vergleich mit rund 2,2 Milliarden Euro hingegen nur auf Platz zwei. Das zeigt eine Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY).

Berlin verliert Spitzenplatz im Länderranking

Fünf der Top-Ten mit den größten Investitionssummen kamen laut Studie aus Bayern, zwei aus Nordrhein-Westfalen und je eins aus Hamburg, Hessen und Baden-Württemberg. Der Münchner Softwareentwickler Helsing erhielt zum Beispiel 450 Millionen Euro an Risikokapital. Der Online-Übersetzungs-Anbieter Deepl aus Köln sammelte 277 Millionen Euro ein, der Halbleiter-Hersteller Black Semiconductor aus Aachen 250 Millionen Euro.

Und Berlin? Fehlanzeige. Die vermeintliche Gründermetropole an der Spree verlor den Spitzenplatz im Länderranking. EY erklärte den Verlust mit dem deutlichen Rückgang bei E-Commerce-Investitionen, der traditionellen Stärke des Standorts [tagesschau.de].

Standortvorteil durch Industrie und Gesetz

Ganz woanders lag der Fokus im Freistaat. "Wir sehen seit Jahren eine gute Entwicklung im Münchner Ökosystem, besonders im Bereich Deep-Tech: KI, Wasserstoff, Space-Tech", erklärt Franziska Teubert, Geschäftsführerin beim Start-up-Verband. Das seien "alles Themen, die in München und an der Technischen Universität TUM stark gefördert werden".

Diese Deep-Tech-Start-ups brauchen aber große, starke Unternehmen und Industrie als Kunden - und das haben sie laut Mehner von Xpreneurs vor allem in München. "Siemens, BMW, SAP – also die ganzen großen Firmen. Und das gibt es in Berlin einfach nicht in diesem Ausmaß."

Der Standortvorteil neben den Großkonzernen erklärt aber nicht von allein, was in München alles anders läuft. "Der Wissenstransfer in die Wirtschaft steht hier oben auf der Agenda – zum Beispiel im bayerische Hochschulinnovationsgesetz – das zahlt sich jetzt aus", sagt die Berlinerin Teubert. "Berlin könnte sich hier ein Beispiel nehmen."

Vor allem aber brauche die Hauptstadt eine zentrale Anlaufstelle für Gründer, wo alle Fragen beantwortet werden können – "ein gemeinsamer Ort für das Start-up-Ökosystem."

Kleines München, zersplittertes Berlin

In eben so einem Ökosystem arbeitet Barbara Mehner. Ihr Inkubator Xpreneurs ist Teil des Hubs Unternehmertum, laut "Financial Times" das beste Gründungszentrum in Europa, gefolgt von Hexa in Brüssel und dem britischen Setsquared. Im Münchner Unternehmertum nehmen jährlich 5.000 Menschen an den Gründungsprogrammen teil. Dabei entstehen 50 neue Start-ups. Inzwischen beschäftigt das Zentrum mehr als 400 Personen – viele davon im "Munich Urban Colab", einer gemeinsamen Initiative der Landeshauptstadt München und Unternehmertum unweit des Münchner Olympiaparks.

Zu zersplittert, zu kleinteilig wirken im Vergleich die Zentren in Berlin, wo Universitäten - ob HU, FU oder TU - ihre eigenen Gründungszentren aufgebaut haben.

"Man muss natürlich der Fairness halber sagen: München ist etwas kleiner, es ist leichter, gut zusammenzuarbeiten, wenn es übersichtlicher ist", ergänzt Mehner. "Aber es braucht auch Leute, die das bewusst zusammentreiben und die immer wieder Brücken bauen."

Wir werden nicht zu Unrecht Isar Valley genannt, also so ein bisschen wie das deutsche Silicon Valley

Arno Eggers, Leitung Munich Startup

Isar Valley wie Silicon Valley

Im selben Gebäude nur zwei Stockwerke unter Mehner arbeitet Arno Eggers, Leiter der Webseite "Munich Startup". "Wir werden nicht zu Unrecht Isar Valley genannt, also so ein bisschen wie das deutsche Silicon Valley", erklärt Eggers halb stolz, halb ironisch. "Hier kommen sehr viele internationale Konzerne zusammen und der Tech-Bereich wird in München einfach sehr stark gefördert."

"Munich Startup" zum Beispiel, das von der Stadt München in Zusammenschluss mit der IHK, den Gründungszentren und den Münchner Universitäten entwickelt wurde. "Angefangen hat alles mit einer Karte, auf der jedes Münchner Start-up eingetragen wurde", sagt Eggers dem rbb. Entwickelt hat sich die Seite in ein offizielles Start-up-Portal für München und die Region, in dem Nachrichten, Akteure und Ideen zusammengebracht werden und das vor allem für Sichtbarkeit sorgt.

Eben der Punkt, bei dem Teubert vom Start-up-Verband Nachholbedarf für Berlin sieht. "Berlin muss sichtbarer werden, sich besser vermarkten und die Akteure des Ökosystems enger zusammenbringen."

Freundschaftlicher Wettbewerb

Die Sichtbarkeit von Seiten wie "Munich Startup" könnte, so Eggers auch anderen Städten helfen. "Die Stadt Hamburg hat zum Beispiel mit unserer Zusammenarbeit etwas Ähnliches aufgesetzt: 'Startup City Hamburg'." Man dürfe aber nicht unterschätzen, dass acht Mitarbeiter für die Webseite auch Geld kosten würden. Geld, das in der Hauptstadt an allen Ecken fehlt.

"Berlin hat in den letzten Jahren stark von Start-ups profitiert – es entstanden Arbeitsplätze und wachsende Unternehmen", sagt dazu Franziska Teubert. "Wenn die Stadt weiterhin an der Spitze bleiben will, muss der Regierende Bürgermeister die Wirtschaftspotenziale von Start-ups als Priorität anerkennen."

Sonst dürfte sich nunmehr München als Gründermetropole der Republik etablieren. "Alles nur freundschaftlicher Wettbewerb", merkt Barbara Mehner an. Um konkurrenzfähig zu sein, brauche Deutschland mehr als nur einen Standort: "Wenn Berlin plötzlich ganz schwach wäre, dann hätten wir alle gemeinsam ein Problem."

Beitrag von Efthymis Angeloudis

12 Kommentare

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  1. 12.

    Interessant, aber was hat das Bild damit zu tun?

  2. 11.

    Im Grunde genommen handelt es sich bei Start-ups um eine hochkreative, doch tendenziell auch wieder schnell vergängliche Angelegenheit. Bis auf wenige Durchhaltende und Solide.

    Es ist analog, als wenn ein Lagerfeuer entzündet wird: Eine Gruppe sammelt Reisig und geht ins Unterholz, wartet geduldig, bis die Stubben dran sind, damit das Feuer Substanz bekommt. Das dauert natürlich.

    Zehn andere Gruppen toben wild durchs Unterholz, sammeln Reisig noch und nöcher, legen schnell, schneller und noch schneller nach und zwei von diesen Gruppen gelingt es eher durch Zufall, das Feuer über lange Zeit zu halten. Damit gelten die zwei Gruppen als doppelt so erfolgreich wie die erste angeführte Gruppe. Von den acht, die bloß ein Strohfeuer entfachten, redet natürlich niemand mehr.



  3. 10.

    Naja, mit 5,5 Milliarden € Gewerbe Steuer Einnahmen im Rücken kann schon mal das Gefühl aufkommen, das es am ´persönlichem Erfolg´ liegt, das München so ´sauber und schicker´ ist!(dafür auch langweiliger und strenger) ;)
    Diese Art Einbildung ist für viele Münchner natürlich eine Selbstverständlichkeit, die sie sich verdient haben. ...lol...
    Interessant wäre doch, wieviele Startups, mit wieviel Kapital es tatsächlich schaffen nach 3-5 Jahren wirtschaftlich zu arbeiten!
    Ähm, teilweise könnte schon auch der Eindruck enstehen, Startups werden benutzt, um Fördergelder und andere abzuschöpfen, um dann sang und klanglos zu verschwinden...

  4. 9.

    Münchener ist schicker und sauberer. Da lebt man auch gerne mit Kindern, nachdem Erfolg eingetreten ist.

    Der Erfolgreiche spart sich also den Umzug.

  5. 8.

    Da haben Sie wohl den Verweis auf „Anti-Elin-Sticker für die TESLA-Scham“ übersehen?
    Gut, bei der Vielzahl des Musk-Bashing kann man das Eine oder Andere übersehen.
    Und letztlich ist Musk ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man zu Geld kommt.

  6. 7.

    Deutschland sollte sich nicht selbst vergleichen, sondern eher mit dem Ausland wie z. B. den USA. Dann sieht jeder deutsche Standort mehr als bescheiden aus. Hierzulande wird nur gekleckert und das auch noch mit größeren bürokratischen Hürden. So wird das leider nix mit der Sicherung des Wohlstands in unserem zukünftigen Schwellenland.

  7. 6.

    >"Warum aber dieses Thema wieder dazu genutzt wird, um für Musk und der AfD Werbung zu machen, erklärt sich mir nicht. "
    Nicht überall. Zumindest in diesem Artikel spielen Musk und AfD im Zusammenhang mit Start-Up Konzepten der Metropolen Berlin und München thematisch keine Rolle. Diese Verbindung haben Sie gerade aus der Kiste gezogen.

  8. 5.

    Vielleicht sollte man den Erfolg dieses Start-ups-Booms an den Insolvenzen messen.
    Warum aber dieses Thema wieder dazu genutzt wird, um für Musk und der AfD Werbung zu machen, erklärt sich mir nicht.
    Einzig dazu zu zeigen, wie reich man mit Start-ups werden kann.
    Dafür ist Elon Musk ein sehr gutes Beispiel.

  9. 3.

    Start-up in den Industrienationen steht in Verbindung schnell Reichtum zu erlangen, so mein Eindruck. Der Wettbewerb mit Beginn der Garagenkultur scheint unsere Erde mit der steigenden Weltbevölkerung ins Chaos zu stürzen.

  10. 2.

    Dass das Leben Risiken bietet und diesen erst einmal nicht grundsätzlich aus dem Weg gegangen werden sollte, dürfte so klug wie auch eine Binsenweisheit sein. Etwas anderes ist es jedoch, das Risiko bewusst zu suchen und nicht nur sich selbst, sondern auch andere da mit hineinzureißen. Der verharmlosend bezeichnete "sportliche Fahrstil" auf den Straßen kann dafür mustergültig stehen, eine Unternehmenskultur der i. ü. S. quietschenden Reifen, der schnellen Anfahrt, des abrupten Bremsens und der abrupten Neuorientierung jedoch auch.

    Welten liegen zwischen der ungeahnten Schöpferkraft, der unbändigen Kreativität von Menschen, wenn denn die Betreffenden Grenzen dazu in sich selber fänden, der Stickigkeit der Adenauerzeit mit ihrem Motto "Keine Experimente" und dem östlichen Deutschland, der DDR, die da immer einen Vorbehalt hatte wegen ihrer Verheiligung des Staatssozialismus.

  11. 1.

    Ich frage mich seit Kurzem, ob dieses ganze Start-Up-Gemache nicht verantwortlich ist, für wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche Miseren. Es herrscht Solutionismus und das Ziel scheint ausschließlich eine geile Idee zu sein, der nächste heiße Scheiß auf den sich dann möglichst ein:e potente:r Investor:in stürzt und die Kasse klingeln lässt. Auf Sicht fahren und Nachhaltigkeit adé. „Start-Up“ scheint mir eher ein kurzlebiges Produkt zu sein und als visionärer Wirtschaftsmotor mehr als fraglich. Man sollte umdenken.

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