Angriffe auf Studenten am Uni-Campus Golm - "Ich habe nichts als Hass in diesen Augen gesehen"

Mo 17.04.23 | 06:09 Uhr | Von Sara Simons
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Ein Gang in einem Seminargebäude der Universität Potsdam in Golm (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Audio: rbb24 Brandenburg aktuell | 17.04.2023 | Sara Simons | Bild: dpa-Zentralbild

Nach tätlichen Angriffen auf Studierende fordert die Universität Potsdam Maßnahmen gegen gewalttätige Jugendliche, die immer wieder am Campus Golm in Erscheinung treten. Die Polizei sieht zunächst keinen besonderen Handlungsbedarf. Von Sara Simons

"Die Landeshauptstadt Potsdam muss in Schwung kommen", sagt Silke Engel, die Pressesprecherin der Universität Potsdam. Potsdam sei eine tolerante und weltoffene Stadt. "Nur weil das jetzt in Golm ist, ein bisschen jenseits der Innenstadt, kann man nicht einfach sagen, da muss die Universität selbst sehen, wie sie klarkommt." Stattdessen müsse man gemeinsam mit der Stadt an einem Strang ziehen, um das Problem zu bekämpfen, so Engel weiter.

Das Problem, von dem Engel spricht, ist eine Gruppe von Jugendlichen. In den vergangenen Monaten haben sie auf dem Campus Golm drei Mal Studierende angegriffen.

Situation eskaliert seit Monaten

"Es ging los als Randale von einer Gruppe von zehn bis zwölf Jugendlichen", erzählt Engel im Interview mit rbb24 Recherche. Erst hätten die Jugendlichen auf dem Campus nur gefeiert. Dann sei es immer öfter zu Vandalismus gekommen: Scheiben gingen zu Bruch, die Turnhalle wurde aufgebrochen, das Studentencafé der Universität verwüstet. Es gab Hakenkreuzschmierereien und rechte Musik soll lautstark abgespielt worden sein.

Studierende berichten von rassistischen und diskriminierenden Beleidigungen. Mit drei Angriffen auf Studierende eskalierte die Situation dann. [tagesspiegel.de]

Pöbeleien und Schläge

Zu den ersten Übergriffen kommt es im Juli und November vergangenen Jahres, in beiden Fällen trifft es ein Pärchen, das in Golm studiert. Die beiden möchten aus Angst vor den Angreifern namentlich nicht genannt werden. "Einer von denen hat geschrien, während ich auf den Kopf geschlagen wurde 'Deutschland! Ausländer raus!'", erzählt der junge Mann.

"Ich habe sie im Grunde genommen angefleht aufzuhören", erinnert sich seine Freundin. Einer der Täter habe sie mit einem hasserfüllten Blick angeschaut. "Niemand hat mich jemals zuvor so angesehen. Ich habe wirklich nichts als Hass in diesen Augen gesehen."

Der jüngste Vorfall ist erst wenige Wochen her. Das Opfer: ein Student. Er wird mehrfach geschlagen und queerfeindlich beleidigt.

Niemand hat mich jemals zuvor so angesehen. Ich habe wirklich nichts als Hass in diesen Augen gesehen

Betroffene Studentin

Universität Potsdam ergreift Maßnahmen

"So etwas kann nicht toleriert werden", erklärt Pressesprecherin Silke Engel. "Wir sind eine Universität, die ein offenes Klima lebt. Wir setzen uns für eine demokratische Kultur ein, die die Gleichheit aller Menschen vorlebt und dafür einsteht." Die Universität selbst habe Maßnahmen ergriffen, um weiteren Vorfällen vorzubeugen. So wurden die Schließzeiten der Gebäude verändert und das Sicherheitspersonal kontrolliert jetzt häufiger.

Die Gruppe Jugendlicher ist auf dem Campus schon länger bekannt, aber die Universität allein kann die Probleme mit den Jugendlichen nicht lösen.

Noch vor den tätlichen Angriffen im vergangenen Jahr hatten die Sozialarbeiterin und Ortsvorsteherin Kathleen Knier und ihre Kollegin einen Brandbrief verfasst. Knier wies schon damals auf eine sich immer mehr zuspitzende Situation durch die teils rechtsgerichteten Jugendlichen in Golm hin. Auch eine Auflistung der Sachbeschädigungen seit 2021 war Bestandteil des Briefes. Die Stadt Potsdam bewilligte daraufhin eine Sozialarbeiterstelle - die allerdings erst jetzt besetzt werden soll. Bislang fehlte das Geld.

Polizei: Golm kein kriminalitätsbelasteter Ort

Nicht nur die Stadt, auch die Polizei sieht zunächst keinen besonderen Handlungsbedarf: "Eine signifikante Straftatenhäufung im Phänomenbereich der Jugendkriminalität am Campus der Universität in Golm ist derzeit durch die Polizeidirektion West nicht festzustellen", schreibt die Polizeipressestelle auf rbb-Anfrage.

Die Situation vor Ort galt für die Polizei offensichtlich nicht als besonders ernst. Als die beiden Opfer nach dem ersten Angriff Hilfe riefen, hat es ihrer Darstellung nach längere Zeit gedauert, bis jemand kam. Den Umgangston empfanden die beiden als schroff.

Anzeige nach dem zweiten Angriff erstattet

Dass Polizei in Brandenburg oft mit Verspätung komme, sei ein Kapazitätsproblem, sagt Hannes Püschel vom Verein Opferperspektive. "Sich dann aber nicht zu entschuldigen, sondern den Opfern mit einem Vorwurf entgegenzutreten, verstärkt das Gefühl von Nichtachtung und von Nicht-Ernstnahme", erklärt er weiter. Wenn den Opfern nicht geglaubt wird, könne das zu einer "sekundären Viktimisierung" der Opfer führen, so Püschel. "Sie erleben das dann wie einen zweiten Angriff."

Das Verhalten der Polizeibeamten entmutigte die Betroffenen damals offenbar so sehr, dass sie sich zuerst gegen eine Anzeige entschlossen.

Erst nach dem zweiten Angriff erstatteten sie dann doch Anzeige. Die beiden hatten deswegen einen Termin bei der Polizei – ihre Zeugenaussage wurde noch einmal aufgenommen, wie sie sagen. Jetzt sei ihnen zugehört worden – mehr als vier Stunden.

"Ich hoffe, wir können endlich Frieden finden", sagt die junge Frau nach dem Termin. Erleichterung verspüre sie aber noch nicht. Das, so sagt sie "wird wohl erst passieren, wenn die Täter Konsequenzen für ihr Handel erfahren."

Die Angst bleibt

Auch bei ihrem Freund stellt sich nach dem Termin keine Erleichterung ein. Dafür verspürt er die Sorge, dass die Jugendlichen Rache üben könnten, weil sie sich an die Polizei gewendet haben und den Angriff öffentlich machen.

Er habe schon jetzt mit den psychischen Folgen der Schläge und Beleidigungen zu kämpfen, erzählt er. Jeden Tag gebe es Momente, in denen er sich in den Erinnerungen an die Übergriffe verliere. Und nicht nur das: "Ich wollte Lehrer werden, aber dieser Traum wurde mir genommen", denn seit den Übergriffen konnte er sein Studium kaum noch fortsetzten, konnte kaum noch Kurse besuchen, da ihn die Situation so sehr belaste.

Auch seine Freundin, mit der er gemeinsam nach Potsdam zog, ist durch die Vorfälle eingeschüchtert: "Alleine gehen wir eigentlich gar nicht mehr raus", erzählt sie, "einfach aus Angst und Sorge, dieser Gruppe Jugendlicher wieder zu begegnen."

Präventionsrat von Potsdam inzwischen involviert

Im März trafen die beiden wieder auf die Jugendlichen. Sie wurde beschimpft, er rassistisch beleidigt – körperlich wurden sie diesmal nicht angegangen, doch das Gefühl der Unsicherheit bleibt. Beide, so schildern sie, seien sich in einigem Momenten nicht mehr sicher, ob sie hier in Potsdam ihr Studium fortsetzen wollen. Nur klein beigeben, das wollen sie auch nicht.

Inzwischen hat sich auch der der Präventionsrat der Landeshauptstadt Potsdam des Themas angenommen.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 17.04.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Sara Simons

49 Kommentare

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  1. 49.

    Ja, geben Sie's sich! "brandenburgisches Flach(denker)land" – Ihre Meinung, Ihre Freiheit. Wohin wollen Sie damit kommen? Irgendein Schritt zum Gemeinsamen statt zur Lager-Feuer-Gruppe?

    Machen Sie doch mal konstruktive Vorschläge gegen Abgehängt-Sein, gegen Ihr:
    "eine breite Schicht moralisch-ethisch entwurzelter, stets alkoholisierter junger oder jüngerer Menschen ohne vernünftige und bezahlte Tagesbeschäftigung"

    – es mangelt wohl eher an vernünftig bezahlter (!) "Tagesbeschäftigung" -> Arbeit.

  2. 48.

    Die beste Prävention ist gesellschaftlicher Ausgleich, strikte Vermeidung von Extremen wie Mittellosigkeit vs. Macht durch (ökonom.) Mittel. Die Studienlage dazu ist sehr klar!

    Das wird aber auch hier nicht angegangen, von wegen "Wir setzen uns für eine demokratische Kultur ein, die die Gleichheit aller Menschen vorlebt und dafür einsteht."

  3. 47.

    Ich verstehe nicht, wie Frau so einen Unsinn schreiben kann. Die Straftaten laut StGB sind Beleidigung, Körperverletzung, Volksverhetzung, Bedrohung, Sachbeschädigung uva. 13 stimme ich zu.

  4. 46.

    „Die Brandenburger“… Sehr differenziert. Sind „die Berliner“ alle so?

  5. 45.

    Ja - sogar in Zossen! und was hat das mit dem Thema hier zu tun?

  6. 43.

    Echt? Ich nicht. Also jedenfalls keines, was explizit diesen Bericht stützt.

  7. 42.

    "Vielleicht hat er selbst auch Schlagseite?"

    Vielleicht? Suchen Sie einmal im Netz nach Verlautbarungen dieses Herrn in den letzten Monaten. Haarsträubend, was eine SPD so zum Minister macht ... Da wundert dieser Golmer Vorgang niemanden!

  8. 41.

    Nein, natürlich nicht. Aber warum sollen denn ausgerechnet Studierende hier ihren Kopf hinhalten, die schon durch Angriffe traumatisiert sind oder damit rechnen müssen, angegriffen zu werden? Das ist Sache des Innenministeriums und der ständigen EinwohnerInnen. Das ewige Gequassel von der angeblich so toleranten Stadt Potsdam kann ich schon seit Jahren nicht mehr hören. Jetzt wird allen Ernstes behauptet, Golm sei ja nicht eigentlich Potsdam. Nee stimmt, da kann man sich eher nicht in einer Gated Community einschließen. Hauptsache das Image bekommt nicht schon wieder nen Kratzer. Mir tun einfach die Studis leid.

  9. 40.

    Was mir nicht einleuchtet, ist die Bemühung um die Täter, wenn Sozialarbeit auf dem Campus (?), wo die Rowdies gar keinen Zugang zu haben sollten, stattfinden soll. Was für eine Schnapsidee! Stattdessen sollten die Opfer ausreichend psychologisch betreut und unterstützt werden.
    Ich kann nur an die jungen Menschen appellieren: Lasst euch nicht die Studienzeit vermiesen! Es gibt zig tolle Orte in Deutschland, wo sich mit Genuss und Spaß studieren lässt!

  10. 39.

    Ja, hat sie. Stübgen weiß das auch, redet das Problem aber klein, nach dem Motto strukturell ist da alles in Ordnung. Vielleicht hat er selbst auch Schlagseite? Der Fisch stinkt ja bekanntlich immer vom Kopf her.

  11. 38.

    Ich würde mich als Polizeichef schämen, durch UNtätigkeit meine Mitarbeiter und die Polizei im Allgemeinen dem Anschein der Ausländer- oder Menschenfeindlichkeit auszusetzen.

  12. 37.

    Ich kann lesen. Und deshalb kann ich auch ein Statement der Polizei im Artikel lesen.

    Wieso kommentieren Sie einen Artikel, den Sie nicht gelesen haben?

  13. 36.

    Was sie so alles wissen. Scheint aber eher aus ihrer rechten Blase zu kommen...

  14. 35.

    Das muss man auch erst mal bringen: Aus einem Überfall rechter Schläger einen Vorwurf an die Linken zu konstruieren.

  15. 32.

    Wo sind all die linken Studenten auf dem Riesencampus hin, wenn sie gebraucht werden.

    Kein Verlass auf linke Sozis, die den studentischen Zusammenhalt propagieren.

    In Golm steht auf dem Campus gesprüht „Golm bleibt links“.

    Schlimm, denn dann hilft ja niemand.

  16. 30.

    Wir haben auch Angst ..... Aber von Anderen.

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