Gedenkveranstaltung - Evangelische Kirche lässt 51.000 Namen von gestorbenen Geflüchteten vorlesen

Sa 17.06.23 | 16:11 Uhr
Von der griechischen Küstenwache veröffentlichtes Foto, das ein Fischereifahrzeug mit einer großen Anzahl von Migranten zeigt, das in internationalen Gewässern südwestlich des Peloponnes fährt. (Foto: picture alliance/ANE/Eurokinissi)
Video: rbb|24 | 17.06.2023 | Material: ARD aktuell | Bild: picture alliance/ANE/Eurokinissi

In der Passionskirche in Berlin-Kreuzberg werden noch bis Sonntagnachmittag 51.000 Namen von Geflüchteten vorgelesen, die in den letzten 30 Jahren auf der Flucht nach Europa gestorben sind. Insgesamt seien es 32 Stunden, teilte die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz mit.

An der Lesung beteiligte sich am Samstagmittag unter anderem der evangelische Landesbischof Christian Stäblein. Die Namen der Toten wurden zudem auf Stoffstreifen vor und in der Kirche aufgehängt.

Stäblein: Man lässt nicht Kinder und Familien vor den Toren stehen

Man müsse an diese Menschen und ihre Schicksale, an ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben und Träume erinnern, sagte Stäblein. Gleichzeitig kritisierte er die geplante Asylrechtsreform auf EU-Ebene. Die EU-Innenminister hatten sich in der letzten Woche auf eine einheitliche Asylpolitik geeinigt, die auf eine Verschärfung hinausläuft.

"Man lässt nicht Kinder und Familien vor den Toren stehen. Punkt. Die europäischen Parlamentarier müssen sich bewegen. Es geht um die Werte Europas, die im Mittelmeer untergehen", betonte der evangelische Landesbischof.

Hunderte Menschen vor Griechenland ertrunken

So versuchen seit Jahren viele Menschen, in Booten über das Mittelmeer in die EU zu flüchten. Dabei setzen viele ihr Leben aufs Spiel. Zuletzt kenterte nach Angaben der griechischen Behörden am vergangenen Mittwoch vor der Halbinsel Peloponnes ein vollkommen überladenes Fischerboot.

Nach bisherigen Erkenntnissen lehnten die Leute an Bord ein Hilfsangebot durch die griechische Küstenwache ab, weil sie nach Italien wollten. Überlebende Migranten werfen der griechischen Küstenwache aber vor, das Boot in Richtung italienischer Gewässer gezogen zu haben, wie ein WDR-Reporter berichtet [tagesschau.de]. Die UN-Organisationen schätzen nach Angaben von Überlebenden, dass zwischen 300 und 750 Menschen an Bord waren. Zunächst wurden nur 104 gerettet und 78 Leichen geborgen. Die anderen Passagiere befanden sich der Küstenwache zufolge unter Deck und wurden mit dem Boot in die Tiefe gerissen. Der Unglücksort rund 50 Seemeilen südwestlich der Halbinsel Peloponnes liegt genau über dem Calypsotief - mit mehr als 5.000 Metern die tiefste Stelle des Mittelmeers. Möglicherweise wird der Fischkutter nie geborgen.

Wenigstens Namen zurückgeben

Die Aktion "Beim Namen nennen" zum Weltflüchtlingstag am kommenden Dienstag findet in mehr als 18 europäischen Städten statt. Stäblein, der auch Flüchtlingsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland ist, betonte, mit dem Gedenken sollen den Toten wenigstens ihre Namen zurückgegeben werden. "Noch immer ertrinken Menschen auf der Flucht im Mittelmeer, weil sie nicht gerettet werden, weil sie nicht an Land gelassen werden", erklärte er. "Diese Menschen haben einen Namen. Sie alle haben ihre ureigene Geschichte, Familien und Freunde, die sie lieben." An diese Menschen und ihre Schicksale, an ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben und ihre Träume müsse erinnert werden.

Sendung: rbb 88.8, 17.06.2023, 07:30 Uhr

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