Giffey, Lo, Thiemann & Wagner - Wie ein Berliner Quartett aktuell den deutschen Basketball prägt

Do 08.09.22 | 18:20 Uhr | Von Jakob Lobach
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Basketball-Nationalspieler Franz Wagner, Johannes Thiemann und Niels Giffey (imago images/Sven Simon)
Audio: rbb24 Inforadio | 09.09.2022 | Jakob Rüger | Bild: imago images/Sven Simon

Mit vier Siegen aus fünf Spielen haben sich die deutschen Basketballer bei der EM beeindruckend souverän ins Achtelfinale gespielt. Ein Erfolg, an dem ein Berliner Quartett um Franz Wagner und Maodo Lo maßgeblichen Anteil hat. Von Jakob Lobach

Es brauchte nur eine Frage, um dem ohnehin schon gut gelaunten Niels Giffey am Mittwochabend ein breites Grinsen aufs Gesicht zu zaubern. Gegen Ungarn hatte der schlaksige Forward mit der deutschen Basketball-Nationalmannschaft gerade den vierten Sieg im fünften und finalen EM-Vorrundenspiel geholt. Nun stand er in den Katakomben der Kölner Arena und wurde gebeten, den Blick prompt nach vorne zu richten – genauer gesagt auf die am Samstag beginnende Endrunde in Berlin.

Was ihm diese Rückkehr in seine Heimat bedeute, wurde der gebürtige Berliner und einstige Kapitän von Alba Berlin gefragt. "Es gibt nichts Besseres. Es wird extrem gut, die nächste Runde dort mit Heimvorteil vor Familie und Freunden zu spielen", antwortete Giffey

Genauso "extrem gut", wie Giffey es findet, in ein paar Tagen mal wieder in Berlin aufzulaufen, war auch das, was die deutschen Basketballer in den vergangenen Tagen auf dem Kölner Parkett abgeliefert haben. Mit besagten vier Siegen – darunter zwei gegen die favorisierten Litauer und Franzosen – haben sie sich in der mit Abstand schwersten Vorrundengruppe souverän auf Platz zwei und ins Achtelfinale gespielt. Nicht zuletzt dank eines Quartetts von Spielern, die bei Alba Berlin geformt und gefördert wurden.

Der neue Star

Der dieser Tage am meisten gefragte und gelobte Spieler dieses Quartetts ist Franz Wagner. Die Geschichte, wie der heute 21-Jährige mit sieben Jahren in einer von Albas Mini-Mannschaften zum Basketball gekommen ist und sich anschließend zu einem außergewöhnlichen Talent entwickelt hat, wurde in den vergangenen Jahren oft erzählt. Mittlerweile, das hat bereits die Vorrunde in Köln eindrücklich bewiesen, ist der NBA-Akteur von den Orlando Magic neben Dennis Schröder der Star der deutschen Mannschaft.

16,2 Punkte pro Partie hat der Flügelspieler bei seinem ersten großen Turnier bis dato erzielt und dabei gewirkt, als wäre er schon seit Jahren gestandener Nationalspieler. Wagner kombiniert seine schon jetzt große Spielintelligenz mit einem aggressiven Zug zum Korb und einem sicheren Distanzwurf. Nicht selten legt er sich seine Gegenspieler dabei erst zurecht, um sie dann gemäß seinem Plan zu schlagen.

Das beste Beispiel war das knappe und hitzige dritte Gruppenspiel gegen Litauen, das erst nach doppelter Verlängerung entschieden wurde und in dem Wagner mit 32 Punkten schlichtweg explodierte. "Er ist was Besonderes, Mann. Wir können uns glücklich schätzen, ihn in unserer Mannschaft zu haben", kommentierte ein fast schon ungläubiger Maodo Lo im Anschluss.

Maodo Lo zeigt NBA-Potential

Womit wir prompt beim zweiten Berliner wären, der die Nationalmannschaft dieser Tage prägt. Nachdem Maodo Lo sich in den vergangenen zwei Jahren bei Alba Berlin zu einem der besten Guards in Europa entwickelt hat, ist er nun die bislang vielleicht größte Offenbarung im deutschen EM-Team.

Auch, aber bei weitem nicht nur im letzten Gruppenspiel gegen Ungarn zauberte Lo und sorgte insbesondere mit seinem patentierten Step-Back-Dreier ein ums andere Mal für eine Mischung aus Raunen und Jubel auf den Rängen. Der 29-jährige Spielmacher agiert dieser Tage mit einer fast schon frechen Leichtigkeit, einem Spielwitz, der ihn selbst gegen Gegner vom Formate Frankreichs trickreiche Dribblings in sein Spiel einbauen lässt.

Hinzu kommen wichtige Würfe in wichtigen Momenten, die auch Bundestrainer Gordon Herbert schwärmen lassen. Man könne sich durchaus wundern, dass Lo überhaupt noch bei Alba Berlin spiele, erklärte Herbert im Verlauf der Vorrunde – kurz nachdem Dennis Schröder seinem Kollegen auf der Guard-Position bereits NBA-Potenzial bescheinigt hatte.

Alba-Philosophie führt zum Erfolg

Vielleicht nicht unbedingt NBA-Potenzial, aber definitiv einen wichtigen Beitrag zum deutschen Weiterkommen kann man auch den Berlinern drei und vier, Johannes Thiemann und Niels Giffey, attestieren. Allen voran bei den Siegen über Frankreich sowie Bosnien & Herzegowina war Thiemann ein Aktivposten im deutschen Spiel, erzielte jeweils 14 Punkte und überzeugte so, wie er es in den vergangenen Jahren auch bei Alba getan hat: mit viel Intensität, guter Arbeit beim Rebound und einem guten Gefühl dafür, was das Team gerade von ihm braucht. Und auch Giffey spielte erst eine wichtige Rolle gegen Frankreich, ehe er anschließend im letzten Gruppenspiel gegen Ungarn 19 Zähler markierte.

Selbstverständlich sind diese Leistungen des Berliner Quartetts nicht, sensationell überraschend oder gar unerklärbar allerdings ebenfalls nicht. So haben Wagner, Lo und Co. auf ihrem Weg allesamt von ihrer Zeit bei Alba und der dort gelebten Philosophie profitiert. Als einer der ersten großen Bundesligisten hat Alba vor einigen Jahren entschieden, konsequenter und nachhaltig auf den eigenen Nachwuchs, aber auch auf deutsche Spieler zu setzen

Talentrekrutierung ab der Grundschule, erfolgreiche Nachwuchsteams und große Rollen deutscher Spieler in der Profimannschaft sind heute das Ergebnis. "Es ist riesig, wie sich das in den letzten Jahren verbessert hat", sagt Giffey - und Thiemann ergänzt: "In den vergangenen Jahren und Generationen war das Problem, dass die Deutschen im Vereinsbasketball als Rollenspieler abgestempelt wurden, keine tragenden Rollen bekommen haben."

Alba Berlin ist zwar lange nicht das einzige, aber doch das Paradebeispiel dafür, dass sich das mittlerweile geändert hat. Sei es Wagner, der mit 17 Jahren in Berlin bereits wichtige Minuten spielen durfte, sei es Lo, der bei Alba in knappen Spielen zum Ende hin den Ball bekommt, oder Thiemann, der vergangene Saison zum besten Spieler der Finalserie gewählt wurde: "Deutsche Spieler haben mittlerweile wichtige Rollen, statt nur zu verteidigen und vorne in der Ecke zu stehen", sagt der 28 Jahre alte Center.

"Ernsthafte Freundschaften" abseits des Parketts

Hinzu kommt ein weiterer Vorteil, den die Berliner Basketballer bei der Nationalmannschaft genießen: Sie kennen sich schlichtweg sehr gut. Was banal klingt, sei laut Thiemann ein großer Vorteil: "Maodo weiß genau, in welchen Situationen ich gut bin und mir hilft es sehr, zu wissen, wo genau Maodo gerne den Ball bekommt und wann Niels besonders stark ist."

Letzterer teilt Thiemanns Einschätzung und ergänzt sie mit Blick auf das Miteinander abseits des Parketts. "Ernsthafte Freundschaften und Beziehungen" seien dort während der gemeinsamen Berliner Zeit entstanden. Beziehungen, die es auch Franz Wagner leichter gemacht haben, diesen Sommer im Nationalteam anzukommen. "Es hat extrem geholfen, Niels, Maodo und JT schon ein bisschen besser gekannt zu haben", sagt Wagner.

Bestens kennen tun Wagner und die anderen Berliner Basketballer auch die Arena am Ostbahnhof, in der sie am Samstag (18 Uhr, MagentaSport) ihr Achtelfinale gegen Montenegro absolvieren. "Ich freue mich riesig auf Berlin", betonte Wagner nach dem Spiel gegen Ungarn. Kurz, bevor Niels Giffey doch noch eine mit dem Heimspiel verbundene Herausforderung ausmachte: "Es gibt diesen Kampf um Tickets, den wir jetzt alle antreten müssen."

Sendung: rbb24, 08.09.2022, 18 Uhr

Beitrag von Jakob Lobach

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  1. 1.

    Viel Erfolg

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