Typologie von Fußball-Fans - Traditionell abkippend

Fr 25.08.23 | 21:58 Uhr
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Ein Fußball-Fan (imago images)
Bild: imago images

König Fußball lockt noch immer die Massen in die Stadien. Jede Menge Menschen, die zum Glück oft grundverschieden sind. Wobei, gewisse Muster lassen sich schon entdecken. Von Ilja Behnisch

Die Welt, sie ist im steten Wandel. Ganz besonders gilt das für den Fußball. Mal wird der FC Bayern München mit 25 Punkten Vorsprung Meister vor Borussia Dortmund (2012/13). Mal nur aufgrund des besseren Torverhältnisses (2022/23). Mal spielt Hertha BSC in der ersten Liga gegen den Abstieg. Mal in der zweiten. Und mal bedroht chinesisches Geld die Hegemonie des europäischen Fußballs, mal jenes Saudi-Arabiens.

Von alledem bleibt natürlich auch der gemeine Fan nicht verschont. Der sich immer wieder aufs Neue fragen muss: Wer bin ich und wenn ja, für wen? Höchste Zeit also, einen aktuellen Blick auf eine Typologie der gängigsten Fußball-Anhänger zu werfen.

Der Mit-der-Zeit-Geher

Er hat schon immer in RB-Leipzig-Bettwäsche geschlafen, also mindestens seit "Gründung" des "Vereins" 2009. Vielleicht auch erst seit dem Bundesliga-Aufstieg, so genau weiß er das nicht mehr, ist schon so lange her. Die Kritik am "Konstrukt RB" hält er für Heuchelei, schließlich sei der Fußball doch längst schon durch kommerzialisiert und überhaupt machen sie einfach gute Arbeit da in Leipzig, das müsse man einfach mal anerkennen. Der Erfolg des Klubs sei auch wichtig für die Region, sagt der Mit-der-Zeit-Geher und hofft, dass niemand nachfragt, was das eigentlich genau bedeutet. Und wenn RB in dieser Saison zum dritten Mal in Folge den DFB-Pokal holt, auf den Rasen getragen vom offiziellen "Club-Botschafter" Perry Bräutigam (Spiele für RB: null; Spiele für Carl Zeiss Jena und Hansa Rostock: 438), dann soll nochmal jemand mit fehlender Tradition kommen!

Der Groupie

Für die Bundesliga hat er sich nie interessiert, höchstens für die Torquote von Erling Braut Haaland bei Borussia Dortmund. Der Groupie ist kein verschrobener Objektophiler, der sein Herz an ein schwer greifbares Vereins-Gebilde hängt. Der Groupie schwärmt für richtige Menschen. Oder Cristiano Ronaldo. Hauptsache Kategorie "internationaler Superstar". Der Groupie sonnt sich im Lichte seines Idols, schenkt jedem seiner Instagram-Beiträge mindestens drei Likes und versucht seinem Angebeteten so nahe wie möglich zu kommen, was eigentlich immer nur bedeutet: Er kopiert dessen Frisur. Der Groupie ist der beste neue Freund der Saudi Arabia Pro League. Immerhin einer.

Der Insider

Hat einen "Alert" auf seinem Handy, um auch ja keinen Tweet von sogenannten Transfer-Gurus wie "Plettigoal" oder Fabrizio Romano zu verpassen. Der Insider weiß, mit was für einem Privatjet Harry Kane zur Vertragsunterschrift nach München geflogen ist (Cessna 560XL Citation XLS+) und auch, dass der hoch gehandelte, französische Nachwuchsstürmer inzwischen seine Wohnung in Rennes gekündigt hat. Der Insider spricht, schreibt und denkt in Hauptsätzen voller Anglizismen, von denen sein Deutschlehrer behauptet hätte, es wären keine Hauptsätze. True. Komplette Fußballspiele schaut sich der Insider so gut wie nie an. Er braucht die Zeit, um die Kommentarspalten von Internetforen zu aktualisieren.

Der Taktik-Guru

Er hält Spiele von Manchester City für Erotik-Streifen und Pep Guardiola für einen direkten Nachfahren vom Fußballgott. Der Taktik-Guru hat das große Ganze im Blick und kann anhand eines beliebigen, 30 Sekunden langen Videos erklären, warum der SC Verl im 2+3-Aufbau über Linie 1 kommt und den Gegner so aus den Sechser-(Halb-)Räumen locken will. Dass sein Nebenmann auf der Bezirkssportanlage (zurecht) einen Platzfehler bedauert, nachdem der dicke Neuner den Ball statt ins Tor auf die Ortsdurchfahrt gepöhlt hat, will der Taktik-Guru nicht stehen lassen: "Da müssen die inversen Außen besser kreuzen!"

Der Traditionalist

Kann mit der Zusammensetzung der aktuellen Bundesliga wenig anfangen. Früher, mit Kaiserslautern, 1860 und Duisburg - das war noch Fußball! Hält gar nix von Taktik-Analysen, ist sich stattdessen sicher, dass alles eine Frage der Einstellung sei. Verfolgt den Fußball eigenen Aussagen zu Folge ganz genau. Findet, bis auf Gabor Kiraly sollten bei Hertha alle gehen.

Der Opportunist

Wechselt seinen Lieblingsverein häufiger als Superman seinen Umhang. War lange Bremen-Fan, mochte dann Gladbach, zuletzt Frankfurt. Mit dem Europapokal-Sieg der Eintracht hat das natürlich gar nichts zu tun. Spielten einfach überragenden Fußball, seine Adler. Das sei ihm vorher halt nur nie so aufgefallen, so der Opportunist. Findet auch Union Berlin ziemlich gut, weil: ehrlicher Fußball. Wie die drei in der Innenverteidigung genau heißen, könne er jetzt nicht sagen. Aber ist sein neues Robin Gosens-Trikot nicht schön?

Der Nerd

Sagt, dass er mit dem modernen Fußball nix anfangen könne und sich eigentlich kaum noch Spiele anschaue. Geht während des Drei-Tage-Städte-Trips nach Lissabon, Prag oder Dublin spätestens am zweiten Tag trotzdem ins Stadion, um Erstliga-Fußball zu schauen und einen "Ground zu machen". Hat dabei "zufällig" noch 50 Hansa-Rostock-Sticker in der Bomberjacke entdeckt. Kann man dann auch kleben. Kann bei 95 Prozent aller Bundesliga-Profis aller Zeiten nur anhand der Karriere-Stationen erraten, um wen es sich handelt. Bekommt bei Fotos von bulgarischen Abwehrspielern aus den frühen neunziger Jahren Gänsehaut auf den Synapsen. Geht in kein Bundesliga-Stadion mehr, weil er mit modernem Fußball ja nix anfangen kann, aktualisiert Samstag, 15:30 Uhr trotzdem alle fünf Minuten die Ergebnistafeln. Angeblich, um zu wissen, wie er im Tippspiel abschneidet, bei dem er "nur noch aus Gewohnheit“ mitmacht. Findet Lothar Matthäus ganz schrecklich, wenn er an ihn denkt. Findet Lothar Matthäus ganz toll, wenn er ein Tor von ihm sieht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.08.2023, 22:15 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Und dann gibt es auch noch den "Besserfan" auch Ultra genannt, der jeden Samstag sinnbefreite Choreos vorführt, ebensolche Fangesänge grölt und mit dem Abbrenen von Pyros sich selbst und andere gefährdet. Gerne spottet er über andere Besucher von Fußballspielen, die es ihm nicht gleichtun als "Eventfans".

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