Abgang von Christensen - Wie geht es im Tor von Hertha BSC weiter?

Mi 09.08.23 | 16:48 Uhr
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Ex-Hertha-Keeper Oliver Christensen pariert einen Ball (imago images/camera4+)
Video: rbb24 | 10.08.2023 | Dennis Wiese | Bild: imago images/camera4+

Nach dem Abgang von Stammtorwart Oliver Christensen muss Hertha BSC die Torhüter-Position neu besetzen. Die Berliner stehen vor der Wahl, einen erfahrenen Ersatz zu verpflichten oder aber einem Talent zu vertrauen. Oder etwa beides? Von Marc Schwitzky

Von Rune Jarstein zu Alexander Schwolow, von Schwolow zurück zu Jarstein, zwischendurch eine kurze Blüte von Marcel Lotka und seit den Relegationsspielen gegen den Hamburger SV Oliver Christensen. Zweitligist Hertha BSC schickt sich seit nun Jahren an, die Schnelllebigkeit des Profi-Fußballs immer wieder auf ein neues Extrem zu hieven – in allen Bereichen, die ein Profi-Fußballverein so zu bieten hat. Auch bei den Torhütern lassen die Berliner jene Konstanz vermissen, die es ganz besonders auf dieser Position braucht.

Christensen kam 2021 von Odense nach Berlin und sollte langfristig zur neuen Nummer eins aufgebaut werden. Nach einer Saison als Ersatztorhüter wurde der Däne in der vergangenen Spielzeit zu Herthas Stammlösung zwischen den Pfosten. Doch auch er sollte das Berliner Tor nicht lange ausfüllen. Nach nur einem Jahr als Nummer eins verlässt Christensen die deutsche Hauptstadt in Richtung Florenz. Ein Abgang, der zwischenzeitlich durch die Verpflichtung von Marius Gersbeck gar nicht schlimm erschien, ist nun wieder ein Problem.

Wer wird Herthas neue Nummer eins?

Mit dem Verkauf von Christensen tut sich eine weitere Lücke im ohnehin noch löchrigen Kaderkonstrukt Herthas auf. Einen vollkommen logischen Nachfolger bietet das Berliner Aufgebot derzeit nicht auf. Die Personalie Gersbeck lässt sich derzeit kaum bewerten – sowohl von den Vereinsverantwortlichen als auch vom Umfeld. Der Torhüter, der erst vor wenigen Monaten zu Hertha zurückgekehrt ist, ist aufgrund eines Vorfalls im vergangenen Trainingslager vom Verein suspendiert worden. Die polizeilichen Ermittlungen hierzu sind nicht abgeschlossen.

Und doch ist es gegenwärtig kaum vorstellbar, dass der 28-Jährige noch einmal im Hertha-Tor stehen wird. Es wäre der maximal unglückliche Verlauf eines Transfers, der sportlich wie auch in Bezug auf Gersbecks Identifikation mit dem Verein eigentlich perfekt zu sein schien.

So wie es sich momentan darstellt, muss Gersbeck in den Planspielen der Verantwortlichen also ausgeklammert werden. So bleiben drei Torhüter mit Profi-Vertrag als zurzeit verfügbare Alternativen: Tjark Ernst, Robert Kwasigroch und Tim Goller. Die Eigengewächse Kwasigroch und Goller stellen mit ihren 19 und 18 Jahren und zudem kaum Erfahrung im Profi-Kader Herthas allerdings keine ernsthaften Möglichkeiten dar. Die beiden werden auch zukünftig Spielpraxis bei Herthas U23 in der Regionalliga sammeln und sich so empfehlen, über den Status als Nummer drei und vier aber vorerst nicht hinauskommen.

Tjark Ernst sollte eine Chance bekommen

Bleibt aktuell also nur Tjark Ernst. Der 20-Jährige wechselt im Sommer 2022 aus der Jugend des VfL Bochum nach Berlin. Aufgrund der Suspendierung Jarsteins stieg Ernst überraschend schnell zur Nummer zwei auf. Der Junioren-Nationalspieler Deutschlands gilt als eines der größten Torhütertalente seines Jahrgangs. Sein Potenzial durfte er in der vergangenen Saison am 34. Spieltag beim VfL Wolfsburg unter Beweis stellen.

Bei seinem Profi-Debüt zeigte Ernst eine herausragende Leistung, ermöglichte durch zahlreiche Paraden den 2:1-Sieg seiner Mannschaft. Trotz seiner jungen Jahre strahlte Ernst, der sonst immer mal wieder bei Herthas U23 Spielpraxis sammelte, große Sicherheit aus.

Ernst überzeugte auch in den Vorbereitungsspielen vor der kürzlich gestarteten Saison. So ist der Gedanke, dem 20-Jährigen nun erst einmal die Chance zu geben, der naheliegendste. Weshalb sonst bezahlt man 300.000 Euro für ein externes Torwart-Talent? Für Torhüter öffnen sich nur selten Fenster für Spielzeit und es ist nun nicht die Frage, ob Ernst eine Chance bekommen sollte, sondern nur ob er sie auch zu nutzen weiß.

Zumal die Strategie, einem jungen Torhüter, der seit über einem Jahr mit den Profis trainiert und ein sehr überzeugendes Debüt gefeiert hat, das Vertrauen zu schenken, auch zum "Berliner Weg" passen würde, den die Verantwortlichen vor ein paar Monaten ausriefen. Genannter Weg soll symbolisch dafür stehen, das Talent in den eigenen Reihen wieder aktiver zu förden. Wenn also nicht jetzt, wann dann?

Es braucht eine erfahrene Alternative

Allerdings wäre es zu blauäugig, Ernst allein zu vertrauen und keinen Rettungs-Fallschirm in Form einer erfahreneren Nummer zwei einzuplanen. So wird Hertha nun noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv werden müssen und jemanden verpflichten, der Ernst, sollte dieser nach ein paar Spielen zu viele Unsicherheiten gezeigt haben, vertreten kann – ohne aber ihm den Weg gänzlich zu verbauen. Es ist schließlich alles andere als garantiert, dass Ernst dem Druck, dem Hertha aktuell ausgesetzt ist, standhält.

So wäre beispielsweise Fabian Bredlow, die aktuelle Nummer zwei des VfB Stuttgart eine sinnvolle Lösung. Der 28-Jährige wird medial immer wieder mit Hertha in Verbindung gebracht, auch weil er aus Berlin kommt und bei Hertha 03 Zehlendorf das Fußballspielen lernte. Bredlow hat nur noch ein Jahr Vertrag, wäre also recht günstig zu haben und aufgrund seiner langjährigen Rolle als Ersatz-Torhüter müsste er sich einem fairen Konkurrenzkampf mit Ernst stellen.

Auch vereinslose Torhüter, die den deutschen Fußball kennen, könnten ins Profil passen - Namen wie Örjan Nyland (32, ehemals FC Ingolstadt und RB Leipzig), Samuel Sahin-Radlinger (30, ehemals Hannover 96) oder Timo Horn (30, ehemals 1. FC Köln). So könnte Hertha, ohne viel Geld auszugeben und die Christensen-Millionen direkt wieder zu reinvestieren, auf ausbleibende Leistungen Ernsts vorbereitet sein.

Ein guter Deal für Hertha

Bei allen Problemen, die Gersbecks Suspendierung mit sich bringt, hat sie womöglich auch einen guten Aspekt für Hertha. Die Verhandlungsposition von Sportdirektor Benjamin Weber wurde hierdurch unerwartet gestärkt. Wäre Gersbeck wie geplant zu Herthas neuer Nummer eins geworden, wäre Christensen keine sportlich relevante Rolle mehr zugekommen. Zum Zweitliga-Start hätte er auf der Bank gesessen. Doch so stand Christensen an den ersten beiden Spielen im Tor – Hertha konnte sich den Umstand, den vermeintlichen Stammtorhüter zu verlieren, also noch teurer bezahlen lassen.

Die Ablösesumme für Christensen liegt nach rbb-Informationen bei 4,5 Millionen Euro und kann mit Bonuszahlungen auf fünf Millionen Euro ansteigen. Ein überaus guter, wenn nicht sogar herausragender Deal für Hertha. Bei allem Potenzial, das Christensen als noch junger Torhüter womöglich in sich trägt, hat er sich in der vergangenen Saison nicht gerade mit konstant guten Leistungen ausgezeichnet. Sein Beginn für die Berliner war vielversprechend, doch im Laufe der Saison brach die Form des 24-Jährigen besorgniserregend ein.

Vor zwei Jahren kostete Christensen noch drei Millionen Euro. Seine Leistungen für Hertha trugen eigentlich kaum dazu bei, jenen Wert dermaßen zu steigern. Doch hier zeigt sich, was passiert, wenn die Berliner – anders als bei etwa Lucas Tousart oder Krzysztof Piatek – in der besseren Verhandlungsposition sind. Christensen war noch langfristig bis 2026 gebunden, hat sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft, verdient ein Gehalt, das Hertha auch in Liga zwei hätte zahlen können und zuletzt hatte er öffentlich ausgesagt, sich auch ein weiteres Jahr in Berlin vorstellen zu können.

Alle Trümpfe lagen in Herthas Hand. So ergab sich ein Deal, den die klamme "alte Dame" gar nicht ablehnen konnte - aufgrund Christensens durchwachsenen Leistungen aber womöglich auch gar nicht wollte.

Sendung: rbb24, 9.8.2023, 18:15 Uhr

13 Kommentare

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  1. 13.

    Ja, da muss ich Ihnen Recht geben.
    Es war noch zu früh.
    Natürlich muss die Aufstellung 1-7-2-1 heißen. Wobei: sollte es bis Ende der Saison noch kein quivalenten Ersatz für den Schläger geben, stehen acht vor dem Tor. Dann der Richtigkeit halber 8-2-1.

  2. 12.

    Eigentlich braucht diese Trümmertruppe keinen Tormann.
    Steigen eh ab.

  3. 11.

    Ja, da muss ich Ihnen Recht geben.
    Es war noch zu früh.
    Natürlich muss die Aufstellung 1-7-2-1 heißen. Wobei: sollte es bis Ende der Saison noch kein quivalenten Ersatz für den Schläger geben, stehen acht vor dem Tor. Dann der Richtigkeit halber 8-2-1.

  4. 10.

    An diesem Beitrag ist die maximal erreichbare Unsinns- Quote erreicht. Gratuliere.

  5. 9.

    Ahnung ist nicht so ihr Ding, oder?
    Ihr tolles System 1-1-2-7 heißt sieben Stürmer und einer steht vor dem Tor, aber egal, Hauptsache was raushauen.

  6. 8.

    Der BCC777 spielt im System 1-1-2-7.
    Sieben stehen solange vor dem Tor, bis der brutale Schläger vor einem österreischen Gericht stand, vielleicht seine Haftstrafe abgesessen hat. Dann aber ist der BCC777 vielleicht schon in der Regionalliga

  7. 6.

    Der Trainer stellt die Mannschaft auf und sonst niemand.

  8. 5.

    Bei allen erstmal nachvollziehbaren Erwägungen, einem Talent eine Chance zu geben, sollte man diese extrem wichtige Position nicht immer wieder unterschätzen. Schwolos katastrophalen Auftritte sind sicher noch vielen im Kopf. Wenn Hertha eine gefestigte, eingespielte Mannschaft hätte, die auch im Rahmen ihrer Zielsetzung punkten würde, dann ja. Aber jetzt? In dieser immer noch desolaten Verfassung? Nein, absolut nicht. Der Torwart ist immer die letzte Möglichkeit, eine schwache Vorstellung noch zu retten. Er kann allerdings auch mit Fehlern, die beste Mannschaft verunsichern.

  9. 4.

    Bergab....aha...wer sagt sowas....er soll seine Chance bekommen und er wird sie nutzen,nicht das ein Fall Lotka nochmals passiert,wäre doch toll,wenn auf dieser Position dann bei Hertha für die nächsten Jahre Ruhe herrscht

  10. 3.

    Hertha braucht einen weiteren Torwart,T. Ernst ist bestimmt gut, aber ein gleichwertiges Backup muss her, daß Mittelfeld sollte noch aufgerüstet werden, einiges ist noch zu tun

  11. 2.

    Guter Artikel. Genau so sollten die Verantwortlichen es machen. Das Mittelfeld ist die wahre Baustelle, nicht das Tor. Da MUSS schnell was passieren.

  12. 1.

    „Wie geht es im Tor von Hertha BSC weiter?“

    Genauso wie es mit dem ganzen Verein weitergeht:

    BERGAB

    Schade um diesen Traditionsverein

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