Vor Hertha/HSV und St. Pauli/Union - Warum Berlin eine bessere Fußballstadt ist als Hamburg

Mi 22.01.25 | 08:29 Uhr
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Hertha-Malerei (imago images)
Bild: imago images

Dass Hertha und Union wie am kommenden Wochenende quasi zeitgleich gegen den Hamburger SV und St. Pauli spielen, ist ungefähr so selten wie ein ausgeglichner Berliner Haushalt. Zeit für einen Direktvergleich der beiden Fußballstädte. Von Ilja Behnisch

Die Meistertitel

Dass Erfolg nicht alles ist, sagen natürlich nur die, die ihn nicht haben. Oder weniger als andere. So wie Hamburgs Fußball, wenn man mal das große Ganze betrachtet. Seit 1903, seit Gründung des Deutschen Fußball Bundes in Leipzig (was - vermutlich kein Zufall - viel näher an Berlin denn an Hamburg liegt) haben Hamburger Sportvereine sechs deutsche Meisterschaften errungen.

Wobei das wörtlich zu nehmen ist: Hamburger Sportvereine. Denn einzig dem HSV ist es bisher gelungen, wirklich Stolz über die Hansestadt zu bringen. In Berlin hingegen: 21 Meistertitel, brav aufgeteilt auf fünf Vereine (BFC Dynamo, ASK Vorwärts, Viktoria, Hertha, Berliner TuFC 1892). Nun ist Berlin deshalb nicht automatisch fünfmal so gut wie Hamburg. Aber irgendwie auch doch. Punkt jedenfalls für die Hauptstadt.

Fußball-Berlin vs. Fußball-Hamburg: 1-0

Die Fan-Basis

In einer anderen, gut messbaren Kategorie liegt Hamburg tatsächlich vorn: Der FC St. Pauli (49.000) und der Hamburger SV (110.000) kommen zusammen auf mehr Vereinsmitglieder als der 1. FC Union Berlin (69.000) und Hertha BSC (58.000). Dafür muss sich die deutsche Hauptstadt allerdings gar nicht grämen, ganz im Gegenteil: In der Hansestadt haben sie eben auch sonst nichts! Ob Handball (Füchse), Eishockey (Eisbären), Basketball (Alba), Volleyball (BR Volleys) - überall zählen Berliner Teams zur absoluten Spitze, wenn sie nicht gleich Serien- und Rekordmeister sind. Und Hamburg? Kommt auf jeweils ein Mittelklasse-Team in der Hand- und Basketball-Bundesliga. Macht in der Gesamtbetrachtung ein Unentschieden in dieser Kategorie.

Fußball-Berlin vs. Fußball-Hamburg: 2-1

Die Vereinshymnen

"Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder", heißt es nach dem Dichter Johann Gottfried Seume, der vor allem einen Makel hat: Er kommt nicht aus Berlin. Aber Recht hat er dennoch. Nun wird auch in Hamburg vor Fußballspielen gesungen. Ja, ja. Aber während man beim HSV nach langen Jahren, in denen es "Hamburg, meine Perle" hieß, nun auf "Mein Hamburg lieb ich sehr" setzt und der FC St. Pauli nach "Das Herz von St. Pauli" immer schon auf die australischen Rockgranden von AC/DC und ihre "Hells Bells" zurückgreifen muss, weil wohl sonst nicht viel ist, ist man sich seiner Sache in Berlin sicher.

Im Olympiastadion röhrt Legende Frank Zander "Nur nach Hause", im Stadion an der Alten Försterei röhrt Legende Nina Hagen "Eisern Union" - mehr braucht es nicht, brauchte es nie. Und Hamburg? Schaut angesichts dieser Gänsehaut-Garanten, genau - in die Röhre. Punkt für die Hauptstadt.

Fußball-Berlin vs. Fußball-Hamburg: 3-1

Die Kennzeichen

Was mag der Deutsche außer Fußball noch? Autos. Zeig’ mir dein Auto und ich sag’ Dir, wer Du bist, heißt es auch. Und was fährt der stereotype HSV-Fan? Porsche oder irgendein anderes Fahrzeug, bei dem man sich nie so recht sicher sein kann, was mehr drüber ist: die PS-Zahl oder der Preis? Und St. Pauli-Anhänger? Fahren entweder Lastenrad oder VW Bus, übersät mit Aufklebern von Viva con Aqua, Kliemannsland (ging nicht ab) und irgendwas mit Hamburg- oder Surf-Referenz (Aloha <3 Poppenbüttel).

Hertha-Fans halten mit Japan-Youngtimern dagegen, ohne zu wissen, was das ist: ein Youngtimer. Die eisernen Dacias und Skodas der Unioner hingegen werden gefahren, bis sie nicht mehr fahren. Klarer Sympathie-Punkt für Berlin. Und da haben wir noch nicht mal angefangen, über KfZ-Kennzeichen zu sprechen. Denn HH-SV als Grundlage jedes Wunsch-Kennzeichens, das klingt doch schon nach Selbstaufgabe. B-SC hingegen - solidestes Understatement, Reduktion auf das Wesentliche.

Fußball-Berlin vs. Fußball-Hamburg: 4-1

Der Unterhaltungsfaktor

Zugegeben, der FC St. Pauli macht als Verein vieles richtig. Er kämpft für Nachhaltigkeit und gegen Nazis, ist sich seiner sozialen Verantwortung vielleicht noch mehr bewusst als andere Klubs, selbst wenn diese das auch oft ganz gut machen. Und ja, der Hamburger SV hat einen ganz unterhaltsamen Lauf, seitdem er sich zunächst in einer Reihe von Relegationsspielen gegen den ersten Bundesliga-Abstieg der Vereinsgeschichte stemmte, um sich anschließend in einer Reihe von Relegationsspielen gegen den ersten Bundesliga-Wiederaufstieg der Vereinsgeschichte zu stemmen.

Aber mal im Ernst: Allein die beiden Stichwörter "Windhorst-Einstieg" und "Klinsmann-Tagebücher" bieten mehr unterhaltsamen Stoff als die komplette Vereinschronik eines durchschnittlichen Bundesligisten. Wer es lieber herz-kitschig mag, wird in Köpenick fündig wie sonst nirgends. Bluten für den Stadion-Neubau. Applaus auch in der Niederlage. Und niemals vergessen: Eisern Union. Kurzum - Punkt und Kantersieg für Berlin.

Fußball-Berlin vs. Fußball-Hamburg: 5-1

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.01.2025, 09:15 Uhr

18 Kommentare

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  1. 18.

    Ja, fast richtig. Es möge der Glücklichere (HH) oder der Bessere (B) gewinnen. Oder?

  2. 17.

    Danke Mike jetzt bin ich auch schlauer. In HH spielt man aber Fussball mit ll. Man spielt eben um ein l besser. Möge der glücklichere oder vielleicht doch der bessere gewinnen.

  3. 16.

    Eine Glosse sollte als Glosse gekennzeichnet werden lieber RBB. Ganz nett gemacht.

  4. 14.

    Ich zum Bleistift. So 'ne räumliche Trennung zwischen Arbeit und Privatleben ist mir zumindest sehr wichtig. Homeoffice ist nicht so meins. Oder besser gesagt, Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps! Glück Auf!

  5. 13.

    Berlin ist noch nie Fußballstadt gewesen.

  6. 11.

    ach ja... in Sachen Randale ist der HSv wohl beiden Berliner Profivereinen weit voraus.
    Fragt mal die Kölner oder Bremer ;-) Der Punkt geht deutlich nach Humbug.

  7. 10.

    Haben Sie nicht verstanden. Berlin hat eine große (Fußbal)Fanbasis, OBWOHL es noch viele andere sehr erfolgreiche Sportarten gibt. Anders, als in Hamburg, da gibt es NUR Fußball.

  8. 9.

    Tja :-))) Wir "kämpfen" täglich gegen EINEN glühenden HSV Fan im Büro - wo wir schon überall Sticker mit "nur der HSV" haben... ;-)
    Letzten Donnerstag Abend in größerer Runde war das Hertha-Gefühl sehr deutlich spürbar.... das ist auch etwas sehr Spezielles. Das ist leise, liebevoll und nahbar.

  9. 8.

    Lustiger Beitrag. Glaube auch in vielen Punkten sind sich der HSV und die Hertha sehr ähnlich. 20000+ werden es jedenfalls wieder genießen ihren HSV in Berlin spielen zu sehen. Nur der HSV

  10. 7.

    Vielleicht besser, aber langweiliger.

  11. 6.

    Berlin ist die bessere Fussballstadt weil es hier bessere
    Vereine in anderen Sportarten gibt!? Darauf muss man erstmal kommen. Wenn man sonst nichts hat. Ach ja, Kunstrasen ohne Ende. Gruß aus HH-SV

  12. 4.

    Als Berliner HSV-Fan musste ich schon schmunzeln. Sehr lesenswert.

  13. 3.

    "Bluten für den Stadion-Neubau."
    Bitte mit dem Thema beschäftigen.
    Ich habe 2004 für die Regionalliga-Lizenz geblutet!
    und in diesem Jahr meine 10 Aktien für den Neubau gezeichnet.

    Ansonsten lustiger Artikel, der in Hamburg sicher anders gesehen wird. Das einzig Erstaunliche für mich ist, dass es HH in keiner Mannschaftssportart irgendwie aus der Mittelklassigkeit heraus schafft.

  14. 2.

    Ich erkenne Einsparungspotenzial, denn solchen Content sollte sich der rbb besser sparen und der Low-Brain-Journalie überlassen.

  15. 1.

    Sehr guter Artikel.
    Leider werden einige die Ironie nicht mitbekommen und zetern ohne Ende.

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