Menschenrechte - Wirtschaftsverband fordert Beibehaltung des Lieferkettengesetzes

Do 23.01.25 | 06:16 Uhr | Von Jan Wiese
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Symboldbild: Container stehen auf einem Container Terminal im Hamburger Hafen. (Quelle: dpa/Brandt)
Audio: rbb24 Inforadio | 23.01.2025 | Jan Wiese | Bild: dpa/Brandt

Mehrere Parteien plädierten zuletzt für die Abschaffung, jetzt macht sich ein großer Verband dafür stark, dass es doch bleibt: Das Lieferkettengesetz hat für manche Unternehmen seine Vorteile, Kritik gibt es allerdings auch. Von Jan Wiese

Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) fordert die Beibehaltung des deutschen Lieferkettengesetzes. Es gebe deutliche Fortschritte bei der Umsetzung in den Unternehmen, außerdem brauche die Wirtschaft Planungssicherheit.

Die politische Diskussion um eine mögliche Abschaffung des Gesetzes bezeichnet der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Lars Kleeberg, gegenüber rbb24 Recherche als "nicht zielführend." CDU/CSU, FDP und AfD hatten die Abschaffung des Lieferkettengesetzes gefordert.

Großunternehmen kommen gut mit Gesetz zurecht

Der 10.000 Mitglieder umfassende Wirtschaftsverband positioniert sich anlässlich einer aktuellen Studie unter seinen Mitgliedsunternehmen, die rbb24 Recherche exklusiv vorliegt. Danach seien gerade Großunternehmen, die sich seit 2023 an das Gesetz halten müssen, in allen Kernbereichen besser aufgestellt als noch ein Jahr zuvor. So kämen 55 Prozent dieser Unternehmen inzwischen gut bis sehr gut mit den regelmäßigen Risikoanalysen ihrer direkten Lieferanten zurecht, die das Gesetz vorsieht.

Die größten Schwierigkeiten bestehen der Studie zufolge bei der Kontrolle der Einhaltung von Standards bei indirekten Zulieferern. Doch auch hier bewerten mit 32 Prozent der Großbetriebe nun doppelt so viele Unternehmen wie im Vorjahr die Umsetzung der Sorgfaltspflichten als sehr gut oder eher gut. "Die Ergebnisse verdeutlichen, dass ein gesetzlicher Rahmen erforderlich ist, um einen echten Wandel herbeizuführen," so Lars Kleeberg. Außerdem sei das Gesetz eine gute Vorbereitung auf die Lieferkettenrichtlinie der EU, die ab 2027 europaweit verbindlich wird.

Zur Info

Das deutsche "Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten" gilt seit 1. Januar 2023. Es soll dazu beitragen, dass in den globalen Lieferketten grundlegende Menschenrechtsstandards und die Umwelt nicht unter die Räder kommen. Zurzeit gilt es für Firmen ab 1.000 Mitarbeitern. Bei Verdacht auf Ausbeutung oder Umweltschäden können betroffene Menschen, aber auch Gewerkschaften oder NGOs Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) einreichen. Das Amt kann Strafen und Bußgelder verhängen.

Unternehmen fordern Planungssicherheit

Durchgeführt wurde die Studie vom BME und dem Risikomanagement-Unternehmen Integritynext. Insgesamt gaben 166 Unternehmen aus allen Branchen Auskunft über ihre bisherigen Erfahrungen mit dem Lieferkettengesetz. Auf rbb-Anfrage weisen mehrere Großunternehmen darauf hin, dass sie Rechts- und Planungssicherheit benötigten. Darunter sind zum Beispiel der weltweit agierende Komsumgüterproduzent Unilever und der deutsche Textil-Discounter Kik.

"Sprunghafte Änderungen führen zu erheblichen Mehrkosten und bringen Wettbewerbsnachteile mit sich," schreibt Kik. Das Unternehmen habe "eine siebenstellige Summe" investiert, um den Anforderungen des Lieferkettengesetzes gerecht zu werden. Für das Logistikunternehmen Hapag-Lloyd habe das Gesetz "Klarheit über die Erwartungen an eine sozial-nachhaltige Lieferkette" geschaffen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Umsetzung gebe es nun ein System, Risiken für Menschenrechtsverletzungen zu identifizieren und zu minimieren.

Kritik üben einige Unternehmen an der Vielzahl unterschiedlicher Nachhaltigkeitsberichte, zu denen sie das nationale Lieferkettengesetz und unterschiedliche EU-Richtlinien verpflichten. Der Umfang des Berichtswesens sei "zu hoch", urteilt der Bekleidungshersteller s.Oliver auf rbb-Nachfrage. Die Firma KiK beklagt "deutlich mehr Verwaltungsaufgaben". Das binde Ressourcen, "die wir sonst gezielt für wirksame Nachhaltigkeitsaspekte einsetzen könnten." Beide Unternehmen plädieren dafür, die unterschiedlichen Berichtspflichten zu vereinheitlichen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.01.2025, 06:35 Uhr

Beitrag von Jan Wiese

25 Kommentare

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  1. 25.

    Sie sehen im Staat offenbar ein Dienstleistungsunternehmen. Anders lässt sich Ihr Kommentar nicht interpretieren.

    Was der Unterschied zwischen einem Staatswesen und einem Dienstleistungsunternehmen ist, kann im WWW an vielen Stellen umfangreich nachgelesen werden.

  2. 24.

    Und wenn es so wäre? Immerhin kann man über meine Aussagen definitiv diskutieren. Man kann also sagen, ob und warum man sie für richtig oder falsch hält. Das ist bei Swantjes, Reginas und Nancys Schlagworten schon deutlich schwieriger, aber ich bin dennoch darauf eigegangen. Bei Postings wie Ihrem hier ist eine inhaltliche Auseinandersetzung dagegen leider komplett unmöglich. Aber vermutlich geht es Ihnen darum überhaupt nicht, stimmt's?

  3. 23.

    Sonderlich substanzreich sind Ihre Ausführungen aber auch nicht. Um von einem Wahlplakat abgelesen zu sein ist es zuviel. Aus einem Parteiprogramm vll. abgelesen?

  4. 22.

    Wir benötigen einen schlanken Staat, der seine Kernaufgaben schnell, effizient und digital erledigt, statt sich auf tausenden Baustellen teuer zu verzetteln.

  5. 21.

    ...ßendienstabrechnungen. Da geht dem Keller so wie dem Kommentarfeld. Man braucht ein noch eins.

  6. 20.

    Ich auch, dann wäre einer der Kelleräume als Materiallager wieder nutzbar. Muss man sich mal vorstellen, kleiner Betrieb, 40 Jahre am Start, mittlerweiler 35 MA ... die Aufbewahrungsfristen für Rechnungen, Kontoauszüge, Gehaltsunterlagen, Materialeinkäufe, Steuerkram, Jahresabschlüsse, Zollunterlagen - sofern das Dienstsiegel Pigmentierfarben enthält im Original, Handels- Geschäftsbriefe und Buchungsunterlagen im Original, bei Eingangsrechnungen mit Vorsteuerabzug im Original, elektronische Rechnungen AUCH digital, ggf. Kalkulationsunterlagen, Ausfuhrbelege und Bewertungen für Eigenleistungen, Geschenknachweise, Betriebskostenrechnungen, Fahrkostenerstattungsunterlagen, Frachtbriefe, Grundbuchauszüge und Einheitswertbescheide, abgelaufene/getilgte Kreditunterlagen, Lieferscheine, Nachnahmebelege, Überstundenlisten, Versicherungspolicen, Vollmachten nach Erlöschen, Organisationsunterlagen der EDV-Buchführung, Preislisten, Kontenregister, Investitionszulagen, Betriebsprüfungsberichte, Au

  7. 19.

    Swantje, lassen Sie uns doch bitte sachlich argumentieren statt Schlagworte von Wahlplakaten wiederzugeben. Ein Lieferkettengesetz erzieht niemanden. Es soll dafür sorgen, dass zumindest elementare Menschenrechte eingehalten werden. Und dass jene Firmen, die das von sich aus tun, nicht länger im krassen Nachteil gegenüber jenen Firmen sind, die für Profit buchstäblich über Leichen gehen. Das ist eine Grundvoraussetzung für ECHTEN Wettbewerb. Und den muss jeder wollen, der etwas von Marktwirtschaft versteht. Dessen Sicherung ist eine Funktion des Staates, die auch Wirtschaftsliberale unterstützen. Außer natürlich, die sind eigentlich gar keine Liberalen, sondern Verfechter des Gesetzes des Dschungels. Oder haben einfach null Plan.

  8. 18.

    Worauf bitte basiert diese Schlussfolgerung? Was seit Jahrzehnten tatsächlich Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet ist, dass Menschen anderswo zu Niedrigstlöhnen gezwungen werden, so dass Arbeit (Energie, Umweltschutz...) in Deutschland angeblich "zu teuer" ist. Weil die Herrschaften Aktionäre dann ein paar EUR kriegen. Unter anderem hier schafft eine Kontrolle der Lieferketten fairere Bedingungen - und weniger Anlass, Arbeit auszulagern. => Prinzipiell ist also genau das Gegenteil Ihrer Behauptung der Fall.
    Und fordern Sie allen Ernstes, dass Menschen in anderen Ländern auf elementarste Rechte wie ein bisschen Freizeit, garantierten Lohn und zumindest grundlegende Arbeitssicherheit verzichten sollen? Damit in Deutschland alles weiterhin vergleichsweise luxuriös bleibt? Schauen Sie sich doch mal reale Arbeitsbedingungen in vielen Textilfabriken, Minen der Kakaoplantagen an. Dagegen lebt jede* Deutsche, der eine Wohnung hat, wie ein König.

  9. 17.

    Bin dafür. Würde ich sofort als Online-Petition unterschreiben. Was ist denn aus dem versprochenen Bürokratieabbau geworden? Gefühlt werden es immer mehr Gesetze und Vorschriften. Man sieht doch auch in anderen Bereichen, dass das eher schadet als nützt.

  10. 16.

    Der Staat ist nun mal nicht dein Erziehungsberechtigter. Ein bißchen mehr Eigenverantwortung wäre ganz prima. Auch wenn wir mal ein geteiltes Land waren, waren die Freiheitsgrade doch größer im Westen. Wir brauchen weniger Staat für mehr Wachstum!

  11. 14.

    Mir fehlt die Fantasie mir vorzustellen wie Klein und Mittelunternehmen das bewerkstelligen sollen. Letztendlich ist man auf "Gutachten" Dritter angewiesen. Die Verlässlichkeit derer? ich weiß ja nicht. Ähnlich, wie beim gelben Sack, wird es dann, "bis in alle Ewigkeit weitergeführt, obwohl es effizientere Methoden gibt. Da verdienen dann einige zu viel dran. Aber eigentlich eine gute Idee.

  12. 13.

    „Großunternehmen kommen gut mit Gesetz zurecht“
    Das will ich glauben, weil man ja nach unten weiter verlagern kann und die Zuarbeiten/Nachweise kleiner Lieferanten mit Terminvorgaben erzwingen kann.

  13. 12.

    Das Gesetz und das dazugehörende Verordnungswerk ist recht umfangreich und nicht nur auf größere Betriebe bezogen. KMU (Klein- und Mittelständische Unternehmen) sind je nach Branche auch als Zulieferer betroffen. Bspw. die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten in der Europäischen Union - Große Unternehmen müssen ab dem 30. Dezember 2025, Kleinst- und Kleinunternehmen ab dem 30. Juni 2026 der Verordnung nachkommen. Diese regelt die Ein-, Ausfuhr und Bereitstellung bestimmter Rohstoffe die in der VERORDNUNG (EU) 2023/1115 kleinlichst aufgeführt sind.
    "Als relevante Erzeugnisse gemäß Anhang I, werden Produkte betitelt, die relevante Rohstoffe enthalten, mit diesen gefüttert wurden oder unter deren Verwendung hergestellt wurden." Alles klar? Eigentlich schon. Nebst Dokumentations-, Aufbewahrungs- und Berichtspflichten ist das ein Wust, der Seinesgleichen sucht. Wenn man neben Ackerbau und Viehzucht auch noch einen dritten Abschluß in Jura benötigt ist Schicht im Schacht.

  14. 11.

    Was für große Firmen durchaus machbar und zumutbar ist, kann für kleinere Unternehmen schwierig und sehr kostspielig sein. Lieferzeiten sind u. U. Nicht nachvollziehbar, der Unternehmen haftet trotzdem. Eine schlechte Konstellation

  15. 10.

    Der Denkansatz ist gut, das Gesetz ist schlecht. Wie man das Gesetz verbessern könnte, dass der Denkansatz zur Realität passen würde, wüsste ich auch nicht. Ob einzelne Firmen damit wirklich umgehen können so dass es wirklich irgendwas auf der Welt besser macht würde ich bezweifeln.

  16. 9.

    Lächerlich! "gerade Großunternehmen, die sich seit 2023 an das Gesetz halten müssen" ein lieferKETTENsorgfaltspflichtengesetz verpflichtet ALLE Teilhaber der Kette, den Mist mitzumachen! Kleine Unternehmen sind Unilever-Zulieferer (z. B. Klobürsten), die müssen dann diese Analysen "bedienen", dafür müssen diese Zulieferer der Klobürsten alle ihre eigenen Zulieferer mit Risikoanalysen überziehen, ebenso diese ihre Lieferanten. Die Verbände wollen nur das ausgegebene Geld sichern, ansonsten wäre es egal.....

  17. 8.

    Kik ist ein Grossunternehmen mit Millarden Umsatz. Es kann den Mehraufwand stemmen. Tchibo ist vorbildlich und begrüßt das Lieferkettengesetz.

  18. 7.

    Genau, wir wollen weniger Gesetze! Danke, CDU, FDP, AfD! Es sollte endlich auch in Deutschland erlaubt sein, andere Menschen auszurauben, zu verletzen und gesundheitlich zu ruinieren! Das Recht des Stärkeren soll endlich wieder überall gelten! [Ironie Ende] - Das Lieferkettten-Gesetz kann elementare Rechte für Menschen bringen, die für unseren immensen Wohlstand und unseren billigen Konsum ein Leben mit minimaler Freizeit, sklavenähnlicher Bezahlung und in hoch giftigen Umgebungen führen. Und es kann die weitere Abwanderung von Arbeitsplätzen aus Mitteleuropa vermindern. - Eine Reform des Lieferkettengesetzes ist sicherlich sinnvoll. Wer aber seine Abschaffung fordert, hat entweder keine Ahnung, was in der Welt vor sich geht oder ist zynisch, arrogant - und extrem kurzsichtig.

  19. 6.

    Das klingt gut, führt in der Praxis sofort dazu, dass sich Unternehmen aus jeglicher ethischer bzw. moralischer Verantwortung zurückziehen. Regeln setzen den Rahmen und sind notwendiger denn je!

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