Berliner Krisenhilfe - Neue Außenstelle soll Kindernotdienst entlasten

Fr 11.08.23 | 06:29 Uhr | Von Kirsten Buchmann
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Das Gebäude des Kindernotdienstes Berlin in Kreuzberg. (Quelle: Steffen Kugler/dpa)
Audio: rbb24 Inforadio | 11.08.2023 | Kirsten Buchmann | Bild: Quelle: Steffen Kugler/dpa

Kindernotdienst-Beschäftigte klagen immer wieder über Gewaltvorfälle. Angesichts der chronischen Überlastung der Krisenhilfe soll ein neuer Raum die Situation verbessern – und der Senat stellt weitere Hilfen in Aussicht. Von Kirsten Buchmann

Im Berliner Kindernotdienst herrscht ein ständiges Kommen und Gehen: Erst am Mittwochabend haben vier Kinder das Haus in Kreuzberg mit Garten und Klettergerüst verlassen. Zwei neue kamen in der Nacht dazu."Viele Kinder bleiben ein paar Tage", sagt Alexandra Haberecht, die vor zwei Monaten die Arbeit als kommissarische Leiterin des Kindernotdienstes begonnen hat. Im Moment hat sie mit ihren zehn Plätzen neun Kinder in Obhut. "Manche Inobhutnahmen sind kurz, weil die Eltern gerade ihr Sorgerecht nicht ausüben können", erklärt Haberecht. "Dann können die Kinder nach zwei Tagen zurück."

Bewerbungsverfahren auch für Kinder

Nicht alle finden nach den ursprünglich vorgesehenen maximal drei Tagen im Kindernotdienst Anschlussplätze, etwa in anderen Einrichtungen. Kinder erleben, dass andere nach Hause dürfen, sie aber monatelang bleiben müssen, weil sie nicht zurück können und sich für sie kein passender Platz findet. Haberecht hat die Erfahrung gemacht, sie seien teilweise frustriert, "weil sie die Ablehnung aus dem Elternhaus und von Einrichtungen erfahren." Es gebe Bewerbungsverfahren auch für Kinder. "Dann müssen sie sich vorstellen und wissen auch, dass sie abgelehnt werden können."

Solcher Frust entlade sich immer wieder in Gewalt, hatten Beschäftigte Anfang Juni in einem offenen Brief geschildert - in Gewalt auch gegenüber Jüngeren. Einige Kinder bewaffneten sich, um sich vor Übergriffen anderer zu schützen oder "selbst welche zu begehen", heißt es in dem Brief. Als eine Reaktion darauf wurde in einem Nachbargebäude ein Raum eingerichtet, um Kleinkinder von Älteren getrennt unterbringen zu können. Nach Einschätzung der kommissarischen Leiterin Haberecht entspannt das die Situation: "Es gibt natürlich Gewaltvorfälle, es gibt Frustration, aber das ist nicht das Hauptaugenmerk, wie die Gruppe hier funktioniert."

Jugendsenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) schaut sich bei einem Besuch die Neuerungen im Kindernotdienst an. "Hier kommen schwerstbelastete, traumatisierte Kinder her, weil es Ausnahmesituationen sind, mit denen sich der Notdienst befassen muss." Umso wichtiger sei es, "dass die Qualifikation da ist und die Schutzkonzepte funktionieren."

Neue Außenstelle ab September

Die Bildungsverwaltung hatte auf den offenen Brief reagiert, indem sie unter anderem tagesstrukturierende Angebote freier Träger für die Mädchen und Jungen in Kindernotdienst ausweitete. Ausflüge, Sport oder Basteln sind einige Beispiele.

Um den Standort in Friedrichshain-Kreuzberg zu entlasten, hat sie zudem für Ende September eine neue Außenstelle in Treptow-Köpenick angekündigt. Dort sollen vier Kinder mit komplexem Hilfebedarf intensiv betreut werden. Kinder, die nicht schnell in Anschlusseinrichtungen vermittelt werden können, sollen bleiben können, bis sich für sie ein geeignetes Angebot findet. Drei weitere Plätze an dem neuen Ort sind als Ausweichplätze gedacht, wenn der Kindernotdienst in der Gitschiner Straße voll belegt ist.

Fünf Millionen Euro wolle die Koalition 2023/24 zur Verfügung stellen, um die Plätze in bestehenden Einrichtungen der stationären Jugendhilfe zu erweitern, sagt Jugendstaatssekretär Falko Liecke (CDU).

Kinder ohne Perspektive

Perspektivisch ist zudem eine Einrichtung an der Schnittstelle zur Kinder- und Jugendpsychiatrie vorgesehen. Sie soll mit 25 Plätzen in Steglitz-Zehlendorf entstehen. Mit ihrem Start rechnet die Bildungsverwaltung in zwei Jahren. Als ein Problem hatten Beschäftigte geschildert, dass Kinder ohne Anschlussperspektive aus der Psychiatrie entlassen würden und deshalb zum Kindernotdienst kämen.

Im Kindernotdienst hat sich aus Sicht von Liecke inzwischen die Personalsituation verbessert: "Es geht jetzt hier echt aufwärts im Vergleich zu den vergangenen Monaten." Von 45 Beschäftigten seien zehn krankgemeldet, rechnet die Bildungsverwaltung vor, also nicht mehr 28 wie Anfang Juli. Bis auf eine Verwaltungs- und eine Hauswirtschafts-Stelle des Kindernotdienstes seien momentan alle besetzt.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Senatsverwaltung unterstützten den Kindernotdienst zudem personell. Auch wenn Notdienst-Beschäftigte weitere Gewaltvorfälle in der Einrichtung schilderten und nach wie vor in Sorge sind, Kinder nicht sicher unterbringen zu können, erhielt die Bildungsverwaltung zuletzt keine weiteren Überlastungsanzeigen.

Sendung: rbb24 Inforadio , 10.08.2023, 16:06 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

8 Kommentare

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  1. 8.

    Kinder der 2 Klasse- Holzklasse:...Daher schlagen Fachleute Alarm: Der Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), das Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Mi­gran­t*in­nen (BBZ), der Flüchtlingsrat und Moabit hilft sehen in den Zuständen eine klare Gefährdung des Kindeswohls und Diskriminierung. „Wenn deutsche Kinder in eine Kriseneinrichtung kommen, weil sie nicht mehr bei ihren Eltern bleiben können, würden sie niemals mit weiteren Hunderten Kinder mehr schlecht als recht betreut und noch dazu monatelang ohne Schulplatz bleiben. Das hat mit den gesetzlichen Vorgaben der Jugendhilfe und des Berliner Schulgesetzes nichts zu tun“....

  2. 7.

    Es gibt in Berlin Kinder der 2. Klasse:..."Daher schlagen Fachleute Alarm: Der Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), das Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Mi­gran­t*in­nen (BBZ), der Flüchtlingsrat und Moabit hilft sehen in den Zuständen eine klare Gefährdung des Kindeswohls und Diskriminierung. „Wenn deutsche Kinder in eine Kriseneinrichtung kommen, weil sie nicht mehr bei ihren Eltern bleiben können, würden sie niemals mit weiteren Hunderten Kinder mehr schlecht als recht betreut und noch dazu monatelang ohne Schulplatz bleiben. Das hat mit den gesetzlichen Vorgaben der Jugendhilfe und des Berliner Schulgesetzes nichts zu tun“, sagt Daniel Jasch, Berater beim BBZ"...

  3. 6.

    Es darf nicht eine Gruppe von Kindern in Not gegen eine andere verglichen/hervorgehoben werden.
    Kinder in Not brauchen Hilfe, ob geflüchtet oder nicht!

    "Die Kinder- und Jugendlichen, die nicht gesehen werden: Der Kinderschutz für geflüchtete Kinder und Jugendliche in Berlin muss sofort sichergestellt werden!"
    Das diese Kinder nicht gesehen werden, würde ich in Frage stellen.
    Natürlich ist dies "große Herausforderung für alle im System Verantwortlichen."
    Personal sowie Finanzen muss schnellstens erhöht werden!
    Versuchen Sie bitte einmal mit einem "einheimischen" Kind einen Termin bei einer Beratungsstelle/Psychiatrie zu bekommen ... (Rest des Satzes lasse ich jetzt einmal bewußt offen)

  4. 5.

    Die Kinder- und Jugendlichen, die nicht gesehen werden: Der Kinderschutz für geflüchtete Kinder und Jugendliche in Berlin muss sofort sichergestellt werden!
    Die Einhaltung des Kinderschutzes nach dem Standard der geltenden Jugendhilfebestimmungen wird nicht mehr gewährleistet. Dank des Senates!
    Das Kinder-und Jugendstärkungsgesetz vom 10.06.2021 soll in diesem Jahr umgesetzt werden. Wir können jedoch aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen diese gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr einhalten.
    Die seit letztem Jahr stetig steigenden Zahlen der Kinder und Jugendlichen, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, sind nach wie vor eine große Herausforderung für alle im System Verantwortlichen.
    Nach Auskunft der Senatsverwaltung befinden sich derzeit Hunderte unbegleitete Minderjährige im Clearingverfahren und über 800 warten auf einen Clearingplatz.

  5. 4.

    Ea muss nicht bis zum Notdiensteinsatz kommen.
    Für überforderte Eltern gibt es zahlreiche, auch sehr kostenintensive Unterstützungsangebote. Allerdings ist die Teilnahme so lange freiwillig, wie nicht das Familiengericht dazu verpflichtet. Die wahnsinnig schwergängige Zusammenarbeit von Schulen, Jugendamt und Justiz, Datenschutz und die Widerstände vieler Eltern erschweren/verhindern leider oft rechtzeitiges und effektives Eingreifen.

  6. 3.

    Interessant, vor einigen Wochen und Monaten wurden die Probleme klein geredet und von der Politik als quasi nicht existent dargestellt. Und nun Außenstelle, Geld, Gruppe mit Psychiatrie....

    Komisch wenn du alles eigentlich total ok war, Herr Liedtke.

  7. 2.

    Schön wäre es, wenn diese Maßnahme Besserung bewirkt.
    Ich finde es beschämend, dass man immer wieder Informationen über nicht ausreichende Angebote für die sozial ärmsten Menschen in einer der reichsten Nationen bekommt und am Ende kaum Besserung erfolgt. Nur populistische Hilfsangebote, oft vor Wahlen, die keine nennenswerten Verbesserungen bedeuten.

  8. 1.

    Die armen Kids, hier wäre es mal sinnvoll Gelder hinzuleiten und nicht in weitere Waffenlieferungen und noch größere Flüchtlingshilfe.

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