Offener Brief an Bundesregierung - Bibliotheken wollen auch sonntags öffnen dürfen

Der Deutsche Bibliotheksverband fordert, dass die Bundesregierung zwei Worte aus einem Gesetz streicht. Dann dürften Bibliotheken auch sonntags öffnen. Besonders Berufstätige und Alleinerziehende würden profitieren. Doch an Personal mangele es. Von Julian von Bülow
Wer sonntags in einer öffentlichen Bibliothek ein Buch ausleihen will, steht bislang in der Regel vor verschlossenen Türen. Und wenn nicht, dann ist die Wahrscheinlichkeit, ein Buch auszuleihen doch ziemlich gering. Der Deutsche Bibliotheksverband fordert, dass das endlich geändert wird.
Denn bisher verhindert das Bundesarbeitszeitgesetz grundsätzlich eine Öffnung an Sonn- und Feiertagen. Für einige Lebensbereiche gibt es dabei aber Ausnahmen, etwa für Krankenhäuser oder Restaurants, Kinos und Theater.
Öffnung ja, Ausleihe nein
Einige Bibliotheken dürfen sonntags zwar öffnen, doch auch sie können und dürfen dann nicht immer ein vollwertiges Angebot anbieten. Die Berliner Zentral- und Landesbibliothek etwa veranstaltet Lachyoga oder gemeinsames Lesen, zudem können manche Bücher mittels Automat ausgeliehen werden. Das volle Angebot gibt es aber erst am folgenden (Mon-)Tag wieder, wenn die Bibliothekar:innen wieder regulär arbeiten.
Ihr Leiter, Volker Heller, will das endlich geändert haben, denn von Bibliotheken profitierten besonders Menschen mit wenig Geld und Wohnraum. Heller, gleichzeitig Vorsitzender des Deutschen Bibliothekverbands (DBV), sagt: "Wir fordern die Bundesregierung daher auf, mit der Änderung des Bundesarbeitszeitgesetzes den Zugang zu den Dienstleistungen von Öffentlichen Bibliotheken an sieben Tagen in der Woche zu ermöglichen." Davon würden besonders Familien, Alleinerziehende oder beruflich stark beanspruchte Menschen profitieren.
Dazu hat der DBV einen offenen Brief [bibliotheksverband.de] an die Bundesregierung aufgesetzt. Denn die hatte in ihrem Koalitionsvertrag 2021 angekündigt: "Wir wollen öffentliche Bibliotheken [...] stärken und Sonntagsöffnungen ermöglichen." Dazu müsste das Arbeitszeitgesetz angepasst werden. Auf rbb|24-Anfrage antwortet das Bundesarbeitsministerium: "Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der regierungsinternen Abstimmung." Zu weiteren Details wollte sich das Ministerium nicht äußern.
Genügend Bücher, zu wenig Personal
Die Gewerkschaft Verdi lehnt die Sonntagsöffnungen allerdings ab. "Schon jetzt reicht das Personal kaum, um die Öffnungszeiten mit dem vorhandenen bibliothekarisch ausgebildeten Personal abzudecken", sagt Dominic Wilhelms, Sprecher des Arbeitskreises Bibliotheken von Verdi Berlin-Brandenburg. Sonntagsöffnungen würden dieses Problem noch verschärfen. Die Ausweitung der Öffnungszeiten sei mittel- und langfristig nur vertretbar, wenn die "ohne Bibliothekspersonal und unter Ausbau der dafür erforderlichen technischen Ausstattung ermöglicht wird", so Wilhelms.
Der Deutsche Bibliotheksverband betont allerdings auch: Für Bibliotheken solle damit lediglich die Möglichkeit, aber kein Zwang bestehen, an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. "Für eine erfolgreiche Umsetzung ist jedoch die jeweilige Situation vor Ort entscheidend und eine ausreichende Personal- und Finanzausstattung in den Bibliotheken zentral", so der DBV.
Ausnahme für "wissenschaftliche Präsenzbibliotheken"
Die einzigen Bibliotheken, die gemäß Arbeitszeitgesetz an Sonn- und Feiertagen bislang für einen richtigen Bibliotheksbetrieb öffnen dürfen, sind "wissenschaftliche Präsenzbibliotheken". Als jene gelten Einrichtungen für Forschung, Studium und geistige Berufsarbeit, wie etwa die Universitätsbibliotheken, schreibt der wissenschaftliche Dienst des Bundestags. In Berlin sind das beispielsweise das Grimm-Zentrum der Humboldt-Uni oder die rechtswissenschaftliche Bibliothek der Freien Universität.
Damit das dann zukünftig für alle Bibliotheken gilt, müssten aus dem Ausnahmekatalog im Bundesarbeitszeitgesetz nur zwei Worte gestrichen werden: "wissenschaftliche" und "Präsenz".