Adventskalender 2019 - 3. Tür: Endlich mehr als nur Mischbrot
24 kleine Geschichten über die großen Errungenschaften und kleinen Niederlagen der Brandenburger und Berliner in Sachen "Essen und Trinken". Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Brot und Berlin - das ist nicht gerade das ideale Paar. Berlin war nie ein Brotparadies, aber ist langsam auf dem Weg dahin. Berlin wuchs im 19. und 20. Jahrhundert rasend schnell, war geprägt von Industrie und Arbeitersiedlungen und so hatte in der Stadt ganz einfach kaum einer Zeit und Geld, sich hier den kulinarischen Besonderheiten des Brots zu widmen. Brot musste vor allem billig sein und satt machen.
Einst waren Heu und Stroh im Teig und manchmal sogar Holz
Der Ernährungswissenschafter Rudolf Otto Neumann schrieb 1920 über die Zeit den großen Mangels und die Auswirkungen auf die Brotzubereitungen: "Aus schüchternen Versuchen heraus, den Weizen durch Roggen zu ersetzen, das Getreide intensiver auszumahlen, dem Brot Kartoffeln, Mais, Gerste, Rüben und dergleichen zuzusetzen, entwickelten sich alsbald dreistere Substitutionen. Man empfahl unnatürliche Zusätze wie Heu, Stroh, Holz und streifte damit manchmal schon das Gebiet des Strafbaren." Diese hier beschriebenen Mehl-Scheußlichkeiten allerdings wurden vor allem in den Jahren des ersten Weltkriegs und der Nachkriegszeit produziert und sind heute im Berliner Pumpernickel, den Schrippen, den Schusterjungen, Brezeln, Doppelten, Knüppeln, Hörnchen - und was es da sonst noch so gibt, natürlich nicht mehr zu finden.
Brot muss heute nicht einfach nur satt machen, sondern schmecken
Heute wird in Berlin wieder ordentlich in gutes Mehl investiert. Es ist schick und üblich, sein Brot nicht im Discounter sondern bei Berlins Bäckern zu kaufen, wo am frühen Morgen das Licht in der Backstube angeht und gebacken wird, was das Korn hergibt. Rund 30 Jahre nach der ostdeutschen Mangelwirtschaft und der Westberliner Effizienzsucht mit Brot aus dem Supermarkt ist das gute Weizen- und Roggenbrot und sind die Mischbrote vom Bäcker wieder schwer angesagt. So gibt es neben den klassischen Brotgetreiden nun auch Buchweizen-, Dinkel-, Gerste-, Hafer-, Hirse- und Maisbrote, Sauermilchbrote, Kaviarstangen, Ciabatta und viele andere Weißbrote und Schrotbrote. Brot muss heute nicht einfach nur satt machen, sondern schmecken, und zwar ganz verschieden.
Und damit das Brot schmeckt, muss der Laden schick und am besten auch noch historisch aussehen, muss einen einprägsamen Namen haben und die Laibe müssen aus einem besonderen Ofen, etwa dem Steinofen oder dem Holzofen kommen. Und eine Verordnung der Berliner Polizei aus dem beginnenden 20. Jahrhundert, die laut dem Museum der Brotkultur in Ulm festlegte, dass die Bäcker gefälligst den Teig nicht mit den Füßen kneten dürfen und auch nicht in die Backstube spucken, braucht es heute auch nicht mehr.
Splitterbrötchen, Schweineohr und Hefezopf - Berlin ist knusprig und sorgt dafür, dass man sich hier so richtig sesamig fühlen kann.