Brandenburg - Neue Hundehalterverordnung kommt und niemand weiß genau, was drin steht

So 09.06.24 | 09:39 Uhr | Von Georg-Stefan Russew
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Symbolbild: Eine Frau setzt am 11.10.2023 in Berlin ihrem Hund der Rasse Cane Corso Italiano in einem Park einen Maulkorb auf (gestellte Szene). (Quelle: dpa Themendienst/Christin Klose)
Audio: rbb24 Antenne Brandenburg | 09.07.2024 | Sebastian Meerheim | Bild: dpa Themendienst/Christin Klose

Anfang Juli soll in Brandenburg eine neue Hundehalterverordnung in Kraft treten. Doch viele Kommunen wissen noch immer nicht präzise, was das für sie bedeutet, was da auf sie zukommt. Viele reagieren verunsichert. Von G.-S. Russew

Brandenburg will zum 1. Juli seinen Umgang mit gefährlichen Hunden neu regeln. Hierzu erarbeitet das Innenministerium gerade eine neue Hundehalteverordnung, die zum 1. Juli in Kraft treten soll. Das verkündete Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unlängst auf einer Tierschutzkonferenz in Potsdam.

Einzelheiten wurden bislang aber noch nicht bekannt. Ein Sprecher des federführenden Innenministeriums teilte rbb|24 auf Nachfrage am Donnerstag mit, "dass detaillierte Fragestellungen erst dann beantwortet werden, wenn die Hundehalterverordnung in Kraft getreten ist". Ein Interview sei zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.

Nur einzelne Eckpunkte bekanntgegeben

Auf der zweiten Tierschutzkonferenz am 22. Mai in Potsdam hatte Woidke vorab erklärt, dass die Rasseliste für Hunde in Brandenburg ab dem 1. Juli entfallen soll. Denn die Gefährlichkeit von Hunden werde nicht mehr aus einer bestimmten Rasse abgeleitet, unterstrich Woidke.

Bislang wurden gefährliche Hunde in zwei Listen-Kategorien [bravors.brandenburg.de] eingeteilt:

Zur ersten zählten bislang "Kampfhunde mit unwiderlegbarer Gefährlichkeit". Zu dieser Gruppe zählen Rassen wie der American Pitbull Terrier, der American Staffordshire Terrier, der Staffordshire Bullterrier, der Bullterrier und der Tosa Inu. Für diese Hunde besteht seit 2004 ein generelles Haltungsverbot. Dieses beinhaltete auch Kreuzungen aus diesen Rassen.

In die zweite Kategorie gehörten "Hunde mit widerlegbarer Gefährlichkeit". Auf der Liste stehen unter anderen der Alano, der Bullmastiff, der Cane Corso, der Dobermann, der Mastiff oder der Rottweiler. Diese Kategorie-2-Hunde sind gestattet, dürfen aber nicht gezüchtet werden. Mit einem Wesenstest konnten Halter die Gefährlichkeit ihres Hundes widerlegen.

Diese Einteilung stammt übrigens aus dem Jahr 2004. Zwanzig Jahre später soll nun der Systemwechsel erfolgen.

Lokale Behörden sollen mehr Spielraum erhalten

Woidke hatte auf der Tierschutzkonferenz Ende Mai in Potsdam zudem erläutert, dass die lokalen Behörden mehr Raum für die Einschätzung der Gefährlichkeit von Tieren erhalten sollen. Eine Kennzeichnungspflicht soll auf alle Hunde ausgeweitet werden. Bislang müssen alle gefährlichen Hunde, die in Brandenburg gehalten werden, am Halsband eine rote, kreisrunde Plakette deutlich sichtbar tragen [externer Link]. Zudem soll laut Woidke ein Verbot besonders aggressiver Zuchtlinien bestehen bleiben. An der Leinen- und Maulkorbpflicht für gefährliche Hunde soll ebenfalls nicht gerüttelt werden.

Kommunen verunsichert, dass kaum Infos zu den Neuregelungen haben

Das genauere Was, Wie und Wo blieb das zuständige Innenministerium bislang schuldig. Und das bereitet vielen Kommunen Kopfzerbrechen."Worauf sollen wir uns vorbereiten, wenn wir die Rechtsverordnung noch gar nicht kennen?", sagte Frankfurts Stadtsprecher Uwe Meier rbb|24. Wie es heißt, sollen die lokalen Ordnungsbehörden die Gefährlichkeit eines Hundes im Einzelfall bestimmen, aber Frankfurt (Oder) habe keine Experten für Verhaltensanalysen von Hunden. Meier fragte ironisch, ob Ordnungsamtsmitarbeiter ein betreffendes Tier jetzt reizen sollten, umzusehen was passiert.

Jedoch sei das Problem für Frankfurt auf den ersten Blick aber nicht akut. In der Oderstadt gebe es aktuell gerade sechs gemeldete gefährliche Hunde, so Meier.

Ähnlich äußerte sich auch Amtsdirektor Andre Nedlin aus Biesenthal (Barnim). Auch er wisse nichts Definitives, was die neue Hundehalterverordnung beinhaltet. Wenn nun neue Aufgaben auf Ordnungsbehörden zu kommen sollten, hätte Nedlin "gar keine Manpower". Auch den Städten Eberswalde und Wittenberge (Prignitz) liegt noch nichts Konkretes vor, wie es ab dem 1. Juli weitergehen soll.

Landkreistag findet es "ungewöhnlich"

Es sei schon ungewöhnlich, dass man wenig bis gar nichts über ein in wenigen Tagen in Kraft tretendes Gesetz weiß, sagte Landkreistag-Chef Johannes Wagner rbb|24. Im April hätte den Landkreistag ein Entwurf zur neuen Hundehalterverordnung erreicht und man habe dazu Stellung bezogen. Seitdem hätte Wagner nichts mehr dazu aus dem Innenministerium gehört.

Ähnliches erklärte der Städte- und Gemeindebund gegenüber rbb|24. In welchem Umfang der Verordnungsgeber die Hinweise des Städte- und Gemeindebundes aufgreifen wird, ist nicht bekannt, erklärte Geschäftsführer Jens Graf.

Der Städte und Gemeindebund hatte kritisiert, dass im Entwurf der Hundehalterverordnung die Eingriffsmöglichkeiten der örtlichen Ordnungsbehörden erheblich eingeschränkt werden sollen. Zudem wird erwartet, dass die Kosten des zusätzlichen Bürokratieaufwandes gedeckt werden.

Thema Sachkundenachweis?

Auch Panketals Bürgermeister Maximilian Wonke (SPD) habe es so erlebt. Ihm sei ein erster Entwurf der neuen Hundehalteverordnung vorgelegt worden. Generell könne er die Abschaffung der Rasseliste nachvollziehen. Kritisch zu bewerten sei aber, dass im Entwurf kein Sachkundenachweis ("Hundeführerschein") von Haltern gefordert wird. Durch die geplante Abschaffung der Rasselisten einerseits und der Verzicht auf einen generellen Sachkundenachweis andererseits werde laut Wonke die präventive Kontrolle der Hundehaltung in Brandenburg stark eingeschränkt.

Ob und wie das Innenministerium auf das Feedback reagiert, weiß Wonke nicht. Eine Rückmeldung hierüber habe der Bürgermeister nicht erhalten.

Das Thema Sachkundenachweis ist für Brandenburgs Landestierschutzbeauftragte Anne Zinke eine Herzensangelegenheit. Zumindest für große Hunde sollte ein solcher Passus in die neue Hundehalterverordnung. Obwohl Zinke am Entstehungsprozess der neuen Rechtsverordnung beteiligt war und für einen Sachkundenachweis geworben hat, wisse sie auch nicht, ob der Sachkundenachweis Einzug in die neue Hundehalterverordnung erfährt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 22.05.2024, 21:02 Uhr

Beitrag von Georg-Stefan Russew

77 Kommentare

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  1. 77.

    Bullshit! Gar nichts wird einfacher - im Gegenteil, die Bestimmungen werden verschärft: Zuchtverbot für alte dt. Diensthunderassen wie Dobermann und Rottweiler! Aber kein Zuchtverbot für Qualzuchtrassen wie Möpse und Französisch Bulldogs - nicht nachvollziehbar.

  2. 76.

    Zahlreiche Tierärzte und Verhaltenstrainer sprich Fachleute sprechen sich gegen die Mitnahme des Hundes am Rad aus -weil sie die Schäden, Unfälle und Verletzungen kennen, die täglich passieren. Der Hund kann rein gar nichts artgerechtes tun - schnüffeln; in Ruhe schauen, sich Artgenossen in angemessenen Tempo nähern etc. - ein großer Hund kann durch seine Kraft nicht gut am Rad kontrolliert werden, wenn etwas unerwartetes (anderer Hund, Kind ) in den Weg läuft. Nur die wenigen trainieren es artgerecht mit dem richtigen Equipment oder berücksichtigen die Temperatur, die Bodenbeschaffenheit, die Fitness und Rassetypischen Belastungsgrenzen.

  3. 75.

    Meine Kritik betraf die Mitnahme von Hunden am Fahrrad, Hunde die im schnellen Tempo am Rad geführt werden, was in den wenigsten Fällen wirklich kontrollierbar und für den Hund meist eine Quälerei ist. Darauf reagiert mein Hund - nicht auf Radfahrer.

  4. 74.

    Leider wird es nun auch für gewaltbereite und aggressive Menschen leichter - diese Hunde als Waffe zu benutzen. Durch das Verbot und die Einschränkungen durch die Rasseliste war dies erheblich erschwert. Es wird im nächsten Jahr einen deutlichen Anstieg der Beißvorfälle durch diese Rassen geben. Ob Sie von einem Dackel gebissen werden - oder von einem ausgewachsenen Pitbull Terrier - ist wohl ein deutlicher Unterschied in der Auswirkung, den Folgen.

  5. 72.

    Genau so ist es. Die Tierheime sind voll von "Kampfhunden" wie Staffordshire Terrier u.Ä. die eben wegen der Beißvorfälle dort hin gelangt sind - es gibt keine Golden Retriever - die dort in Einzelhaltung in Isolierzellen gehalten und nur mit größtem Aufwand aufgrund Ihrer Aggression versorgt werden können. Alle diese Tiere - die trotz allem Opfer des Menschen sind - was mir durchaus klar ist, werden nun in "gute Hände" von Haltern gegeben, die zum Großteil nicht in der Lage sind diese Tiere so zu halten, dass eine Gefährdung von anderen Hunden und Menschen garantiert ist. Keiner leugnet den Jagdtrieb des Jagdhundes aber ein Hund der nur zum kämpfen und töten seiner eigenen Artgenossen gezüchtet wurde - dessen Mimik weg gezüchtet wurde um ihn für die Gegner nicht einschätzbar zu mac hen - dessen Beißhemmung deutlich geringer gezüchtet wurde , der ist harmlos wie ein Kätzchen und würde niemals etwas tun. Das ist nicht nachvollziehbar und gefährlich.



  6. 71.

    Ein Foto ist gar nicht nötig - kann's mir gut vorstellen. Sibirian Huskies sehen oft aus, als ob sie übers ganze Gesicht geinsen.

  7. 70.

    Echt jetzt? Schade, das hier keine Fotos gespostet werden können. Ich hätte da Eines von einem grinsenden Hund.

  8. 69.

    Es ist m.A. nach ein Fehler, die Gefährlichkeit eines Hundes an der Grösse festzumachen. Die Mehrzahl dieser "Untiere " hat eine lange Zündschnur,und braucht länger, um Aggressionen zu entwickeln. Mich graust es eher vor den hysterischen, kläffenden "Fusshupen", die so klein und süss sind, dass sie keine Erziehung benötigen. Wobei ich natürlich die Unterschiede bei - bedauerlichen - Beissvorfällen nicht leugnen kann. Aber Schuld hat immer der Mensch am anderen Ende der Leine.

  9. 67.

    Die im Beitrag gezeigten Fotos sind klar tendenziell und parteilich gegen Hunde. Es werden nur große, gefährlich wirkende und zähnefletschende Hunde gezeigt. Der kleine Schosshund einer alten einsamen Dame findet keine Erwähnung. Übrigens sind auch große Hunde oft lieb und freundlich.

  10. 66.

    Das hat mit dem Beißkorb nix zu tun - Molossoide gucken immer so. Wahrscheinlich seit sie in der Antike mit Halsbänder, die mit Messern besetzt waren, durch die Streitwagen der Griechen/Römer gehetzt wurden.

  11. 65.

    Ich bin doch nicht der Einzige….
    Tiere gehörten zum Leben dazu sogar in Berlin. Und wer, warum auch immer, Angst vor Hunden, Katzen, Meerschweinchen hatte… der Hatte halt ein Problem… aber nur er und wollte nicht sein Problem zu dem Aller machen und verlangte möglichst permanent, dass die Menschheit gefälligst auf ihn Rücksicht nimmt.
    … aber unsere Generation stirbt immer mehr aus.

  12. 64.

    Mannmannmann - ungelegte Eier und schon wieder dreschen hier alle aufeinander ein?? Etwas Toleranz auf allen Seiten und ein friedliches Miteinander wäre möglich.....

  13. 63.

    Ich hatte einen sogenannten gefährlichen Hund (American Pitbull) der aufgrund seiner Erziehung in der Familie jeder Aggression aus dem Weg gegangen ist. Es gab bis zu seinem Tod nicht einen einzigen Vorfall weder mit Menschen noch mit anderen Tieren. Danach hatte ich einen Jack Russel und im ersten Jahr schon einen Beißvorfall. Heute habe ich einen Mops und einen Malteser die ich bei entgegenkommenden fremden Hunden niemals von der Leine lassen würde. Diese beiden Fußhupen greifen jeden fremden Hund an. Beide gut erzogen aber bei fremden Hunden aggressiver als der gefährlichste Listenhund.

  14. 62.

    Und nicht zu vergessen Grundbuchauszug und Schufa, Testament und Geburtsurkunde der Nachbarin. Oh Mann!

  15. 61.

    Den Gesichtsausdruck des Hundes im Maulkorb-Foto kann ich voll und ganz verstehen.

  16. 60.

    Die Statistik können sie vergessen. Natürlich wird sie angeführt von Schäferhund und Retriever, weil auch Mischungen darunter zählen und es von diesen Rassen nunmal deutlich mehr gibt, als von so genannten Kampfhunden. Eben weil es bisher diese Liste gab. Die Beißstatistik sagt darum aber nunmal nichts gewinnbringendenes aus, über die mögliche Gefährlichkeit einer Rasse.

  17. 59.

    In den Kommentaren ist wunderbar die Einstellung der Hundehalter zu sehen. Mein Hund und ich... lernt ihr doch euch an uns anzupassen.

  18. 58.

    Wenn es für Sie okay ist von Hunden gebissen zu werden...
    Für mich ist es das nicht, da helfen auch nicht mystische Andeutungen über die "wahren " Gefahren.

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