Interview | Radprofi Schachmann vor Saisonstart - "Ich war immer nur müde - egal, ob ich viel oder wenig trainiert habe"

Mo 20.02.23 | 10:51 Uhr
  1
Maximilian Schachmann
Bild: imago/ Sirotti

Maximilian Schachmann ist zurück im aktiven Radsport. 2022 musste der zweimalige Deutsche Meister wegen eines Erschöpfungssyndroms nach zwei Corona-Infektionen vorübergehend aussetzen. Im Interview spricht er über die schwierige Phase und seine Pläne für die neue Saison.

Wir erreichen Maximilian Schachmann während eines Trainingslagers auf Teneriffa. Von dort aus geht es Anfang März nach Frankreich zum Rennen Paris-Nizza, danach in die italienische Wahlheimat und von da zum Rennen Mailand-San Remo, erzählt der gebürtige Berliner am Telefon. "Ab jetzt ist der Kalender voll". Für ein Interview nimmt er sich dennoch Zeit.

rbb|24: Herr Schachmann, 2022 war aus sportlicher und gesundheitlicher Sicht nicht unbedingt Ihr Jahr. Zwei Corona-Erkrankungen und daraus folgend ein Erschöpfungssyndrom. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Maximilian Schachmann: Es war natürlich ein schwieriges Jahr mit vielen Rückschlägen. Zweimal Covid, Stürze. Ich bin dann zwar immer irgendwie zurückgekommen, aber es kam trotzdem stets etwas dazwischen. Es ist mental sehr, sehr anstrengend, wenn man sich nicht mehr so fühlt, wie man es gewohnt ist. Ich bin froh, dass das Jahr vorüber ist, dass ich mich besser fühle und mit Zuversicht ins neue Jahr schauen kann.

Was hat für Sie im Vorjahr den Ausschlag gegeben, zu sagen, dass eine Pause nun das Beste wäre?

Das war gar nicht so schwer, weil ich einfach nicht mehr auf das Training reagiert habe. Ich habe trainiert, aber ich war einfach immer nur müde - egal, ob ich viel oder wenig trainiert habe. Es hat sich immer gleich angefühlt. Es ist halt einfach nichts mehr passiert. Man muss sich vorstellen: Ich bin aufs Rad gestiegen und war schon nach ein, zwei Stunden echt fertig davon. Ich habe mich von den Einheiten auch nicht mehr erholt. Selbst mit kleinen Pausen kam ich aus dem Zustand nicht heraus. Deswegen haben wir entschieden, eine größere Pause einzulegen, um eine Art Reset durchzuführen. Das hat gut funktioniert.

Rennpause klingt so, als ob das Fahrrad in der Ecke stand. War es so?

Ich habe tatsächlich eine längere Zeit nicht trainiert, sechs oder sieben Wochen. Höchstens spazieren, ganz leichte Belastungen.

In Ihrer Rennpause ist auch Ihre Tochter geboren. Was hat sich dadurch verändert?

Während der Vorbereitungsphase ist es natürlich nicht leicht, jedes Mal fast einen Monat weg zu sein. Aber gerade die letzten beiden Wochen habe ich sehr genossen mit meiner Familie. Wir haben es jetzt ganz gut eintakten können: das Leben als Sportler und als Vater mit meiner Frau zusammen. Aber es ist eine Umstellung.

Zur Person

Der Berliner Radprofi Maximilian Schachman bei der sechsten Etappe der Tour de France (imago images/frontalvision.com)
imago images/frontalvision.com

Radrennfahrer Maximilian Schachmann, Jahrgang 1994, fährt seit 2019 für das Team Bora-hansgrohe. Der gebürtige Berliner konnte 2020 und 2021 Paris-Nizza für sich entscheiden. Damit ist er der erste Deutsche, der dieses Etappenrennen zweimal gewinnen konnte. Im September 2022 beendete Schachmann die Saison vorzeitig aufgrund eines Erschöpfungssyndroms. Bislang nahm der 29-Jährige dreimal an der Tour de France teil (zuletzt 2022: 46. Platz).

Wie schnell kommt man auf das Level von vor Corona zurück - ist das überhaupt möglich?

Ich bin jetzt noch nicht auf meinem Top-Niveau. Das wäre auch zu früh. Aber auf einem Level, bei dem man davon ausgehen kann, dass ich die Topform zeitnah erreichen kann. Von daher läuft alles nach Plan und so, wie ich es vor 2022 vor Covid gewohnt war. Es fühlt sich so an, als sei ich voll regeneriert.

Die Tour Down Under (17. bis 22. Januar) war das erste Rennen nach fast sechs Monaten Pause. Australien sollte ein Test für die Klassiker im Frühjahr sein. Welche Erkenntnisse konnten Sie aus den Etappen mitnehmen?

Ich habe gesehen, dass das Niveau im Fahrerfeld sehr hoch ist, auch schon im Januar. Für mich war die Tour jetzt kein Saisonziel. Ich habe sie eher als Training genommen und gehe da mit einem Gefühl aus dem Rennen, weil ich schon gemerkt habe, dass ich auf einem ganz guten Niveau bin gemessen an dem Training, das ich bis dahin hatte. Ich bin jetzt zuversichtlich für den Saisonstart in Europa.

Was nehmen Sie sich für die nächsten Rennen vor?

Mein Augenmerk liegt jetzt hauptsächlich auf den Klassikern. Ich fahre das zweite Mal die Flandern-Rundfahrt (Anm.: am 2. April), danach die Ardennen-Klassiker. Ob ich schon beim Rennen Paris-Nizza (Anm.: 5. bis 12. März) hunderprozentig fit sein werde, weiß ich noch nicht. Das heißt: Erst sind die Klassiker mein Ziel, und wenn ich es danach in den Tour-de-France-Kader schaffe, dann liegt mein Fokus natürlich darauf.

Im August steht mit der WM in Schottland ein weiteres Highlight an.

Genau, die ist für alle in diesem Jahr eine Herausforderung. Denn es wird nicht einfach sein, die WM mit der Tour de France zu vereinen, also den Leistungshöhepunkt. Aber ich werde schon versuchen, in sehr guter Verfassung bei der WM an den Start zu gehen. Denn ich denke, dass das Straßenrennen nicht einfach sein wird. Ich bin schon mal in Schottland gefahren, es ist sehr verwinkelt und kurvenreich dort. Ich erwarte ein schweres Rennen – was mir liegen könnte.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lynn Kraemer, rbb Sport.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.02.2023, 07:15 Uhr

1 Kommentar

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 1.

    Eine wirklich bewegende Geschichte.

Nächster Artikel