Pro und Contra - Ist Urs Fischer noch der Richtige für Union Berlin?
Kann der 1. FC Union mit Urs Fischer noch zurück in die Erfolgsspur finden? Unsere rbb24-Inforadio-Sportreporter sind geteilter Meinung. Ein Pro und Contra zum Festhalten am Trainer von Lars Becker und Guido Ringel.
Lars Becker: "Es ist noch nicht vorbei"
Die Situation ist bedrohlich: neun Bundesliga-Partien in Folge verloren, in Leverkusen zuletzt schlicht überfordert und abgestürzt ans Tabellenende. Ein herber Rückschlag nach dem Punktgewinn in Neapel. Und doch ist es richtig, weiter an Urs Fischer festzuhalten. Der 1. FC Union beweist damit Rückgrat und Solidarität und widersetzt sich den sogenannten Mechanismen der Branche. Nicht aus Dankbarkeit für die verblüffenden Erfolge der letzten Jahre, sondern aus Überzeugung, wie Präsident Dirk Zingler bereits vor dem letzten Heimspiel im Stadionheft geschrieben hat.
Urs Fischer ist Realist. Die unverminderten Sprechchöre der Fans tun gut, aber die Unterstützung der Vereinsverantwortlichen bedeutet natürlich keine Jobgarantie. Das Vertrauen in ihn ist nicht unbegrenzt und kann es auch gar nicht sein. Die Situation muss immer wieder neu beurteilt werden und am Ende müssen Ergebnisse und Punkte her – bereits im nächsten Heimspiel gegen Augsburg. So lange Fischer die Überzeugung besitzt, den Trend brechen und die Wende schaffen zu können, wird er kämpfen. Nur eines darf nicht passieren: Fischer darf die Mannschaft und die Kabine nicht verlieren. Das scheint – siehe kollektive Erleichterung und Freude in Neapel – auch nicht der Fall zu sein.
Dass im Krisenfall ungute Stimmungen aufkommen und einzelne Spieler Kritik und Unzufriedenheit äußern - geschenkt. Sollten aber auch Führungsspieler auf Abstand gehen, dann wäre es vorbei. Dann würde der Realist Fischer aller Wahrscheinlichkeit nach auch selbst hinwerfen. Jetzt hat er in der Länderspielpause zwei Wochen Zeit, um mit der Mannschaft zu arbeiten, Basics zu trainieren und Gespräche zu führen – alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wagenburg Union, gemeinsam aus der Krise. Es ist noch nicht vorbei.
Guido Ringel: "Urs Fischer hat ausgespielt"
Nibelungentreue – ein großer Wert. Und dieser stünde manchem Verein gut zu Gesicht, aber nicht mehr dem 1. FC Union Berlin. Urs Fischer hat ausgespielt, so weh das auch tut. Seine Verdienste um den Verein sind natürlich unangetastet. Der Schweizer wird zurecht von den Fans verehrt, aber er hat auch den aktuellen Schlamassel zu verantworten – zumindest teilweise, denn er hat seinen Anteil am aktuellen Kader und der ist die Ursache für den Absturz.
Die geholten großen Namen haben das Gleichgewicht zerstört und den Teamgeist verdrängt. Es greift das uralte Phänomen: kein Zusammenhalt, kein Erfolg. Und da man wie immer nicht kurzfristig die halbe Mannschaft austauschen kann, oder einen Mannschaftsgeist einfach anordnen, bleibt in höchster Not nur der bekannte Reflex. Der Trainer muss getauscht werden, um allem wieder Leben einzuhauchen. Es ist ein schmerzhafter Einschnitt, der im Grunde nicht zum Stil und Selbstverständnis der Eisernen passt, aber jetzt auch ein Muss, weil sich sonst nichts mehr bewegt, wie der furchtbare Auftritt in Leverkusen bewiesen hat. Fischer selbst sprach anschließend von zwei Schritten rückwärts.
Union ist Letzter in der Bundesliga und das als Champions-League-Teilnehmer. Was muss denn noch kommen? Und jetzt ist die Länderspielpause da. Zwei Wochen Zeit, in denen sich ein vermeintlich Neuer einfinden und etwas anschieben kann. Der charmante, sympathische, kompetente und erfolgreiche Urs Fischer ist ein Meister seines Fachs, aber nicht mehr der Magier beim 1. FC Union. Es ist Zeit, die Nibelungentreue zu opfern, damit die Erfolge der letzten Jahre nicht zum Strohfeuer mutieren.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.11.2023, 15:15 Uhr