Hertha BSC mit Offensivproblemen - Ohne Reese biste Neese

So 17.12.23 | 16:54 Uhr | Von Lukas Witte
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Herthas Fabian Reese schlägt die Arme über dem Kopf zusammen (imago images/Eibner)
Bild: imago images/Eibner

Mit einem 0:0 gegen den Tabellenletzten hat sich Hertha BSC in die Winterpause verabschiedet. Der enttäuschende Heimauftritt offenbarte vor allem die großen Offensivprobleme, die die Berliner ohne Flügelstar Fabian Reese haben. Von Lukas Witte

Reese - dieser Name steht bei Hertha BSC für Kampfgeist, Torgefahr, feine Dribblings, Siege in der Liga und große Momente im DFB-Pokal. Doch wenn man nur einen Buchstaben verändert, wird das Erfolgswort plötzlich zur Nullnummer. Denn wer vom Berliner oder der Berlinerin als Neese bezeichnet wird, der hat laut Duden das Nachsehen oder geht leer aus. Ein Wort, das perfekt die Offensivleistung Herthas ohne Flügelstar Fabian Reese im Spiel gegen Osnabrück beschreibt.

Instagram-Story statt Angriffsfußball

Eigentlich war am Samstag im Olympiastadion alles für einen perfekten Abschluss der Hinrunde angerichtet: 43.650 Zuschauer, zu Gast war der Tabellenletzte, der seit September in der Liga nicht mehr gewonnen hat. Hertha hatte hingegen zuletzt gleich drei Siege innerhalb einer Woche gefeiert, unter anderem der spektakuläre Erfolg im Elfmeterschießen gegen den HSV im Achtelfinale des DFB-Pokals. Viel besser hätten die Vorzeichen also nicht stehen können.

Doch kurz vor dem Anpfiff kam die Hiobsbotschaft: Statt verbeugend vor der Ostkurve wendet sich Fabian Reese mit müdem Blick in die Kamera seines Smartphones per Instagram-Story an die Hertha-Fans. "Mich hat´s erwischt", schreibt der 26-Jährige. Wie gefühlt die halbe Stadt hat sich auch der Angreifer einen Erkältungs-Infekt eingefangen und konnte sein Team gegen Osnabrück nur vom heimischen Sofa aus unterstützen.

Einen Reese kann man nicht ersetzen

Von dort musste er beobachten, wie seine Kollegen mit Mühe und Not 0:0 gegen den Tabellenletzten spielten. Keine schnellen Flankenläufe, keine gewonnenen 1:1-Situationen und keine Ecken, getarnt als Einwürfe – die Partie zeigte eindrücklich, wie abhängig die Berliner Offensive von Reese ist. Und das gegen eine Mannschaft, die derzeit wohl die wackligste Defensive der Liga hat und bereits 38 Gegentore kassierte. Noch nie spielten die Niedersachsen in dieser Saison zu Null – bis zu ihrer Reise ins Olympiastadion am Samstag.

Denn dort war von den Offensiv-Qualitäten, die Hertha noch beim Kantersieg gegen Elversberg, dem Pokalfight gegen den HSV und dem Comeback gegen Kaiserslautern zeigte, plötzlich nichts mehr zu sehen. Kein Wunder, schließlich fehlte mit Reese der Mann, der in Herthas Hinrunde an mehr als einem Drittel der 33 Tore seiner Mannschaft beteiligt war (4 Tore, 9 Vorlagen). "Jeder kennt die Qualität von Fabi. Er ist einer der besten, wenn nicht sogar der beste Spieler der 2. Liga. Ihn zu ersetzen, bekommt man nicht hin, das haben wir heute gemerkt", musste sich Kapitän Toni Leistner nach dem enttäuschenden Remis eingestehen.

Es fehlt an Kreativität

Trainer Pal Dardai hatte es natürlich trotzdem versucht. Auf den Flügeln starteten die jungen Derry Scherhant und Gustav Christensen und gaben ihr Bestes, um zumindest für einen Bruchteil der Torgefahr zu sorgen, die sonst von Reese ausgeht. Beide Ersatzspieler haben eigentlich die Fähigkeit, einen Gegner im Eins-gegen-eins auch mal zu schlagen.

Das zeigte Scherhant bei der wohl größten Chance des Spiels kurz vor der Halbzeit. Der 21-Jährige tanzte mit einem sehenswerten Solo drei Gegenspieler aus, sein enttäuschender Abschluss stellte den Osnabrücker Keeper Philipp Kühn aber vor keine wirkliche Aufgabe. Der erkrankte Reese hätte diesen Ball hingegen wahrscheinlich im Schlaf verwandelt.

Sowohl Scherhant als auch Christensen haben eben beide (noch) nicht die Fähigkeiten, den Unterschied auszumachen. Erst recht nicht, wenn sie ihre Dribbelstärke gar nicht ausnutzen können, weil sie zu selten am Ball sind. Denn Hertha fehlt es völlig an Kreativität nach vorne. Gerade die Sechser wissen im Aufbauspiel kaum etwas mit dem Ball anzufangen und es scheint fast zufällig, wenn sich doch einmal eine gefährliche Situation entwickelt. "Heute war einfach nicht mehr drin. Da muss man nicht drumherum reden. Physisch, Konzentration, Ballzirkulation – das alles hat gefehlt. Das war einfach nicht gut", analysierte der Trainer den enttäuschenden Auftritt seiner Mannschaft am Samstag.

Mit Ibu Maza, Jeremy Dudziak und Palko und Bence Dardai fehlen außerdem einige langzeitverletzte Spieler, die vor allem im Zehnerraum für mehr Kreativität sorgen könnten, auch wenn sie einen fehlenden Reese natürlich nicht völlig ersetzen könnten.

Es braucht einen Plan B

Es sind große offensive Defizit, die schon lange bekannt sind, über welche Reese aber zuletzt mit seiner starken Einzelleistung hinweggetäuscht hatte. Denn der Zweitliga-Ausnahmeangreifer kann aus fast jeder Position auf dem Spielfeld einen gefährlichen Angriff starten. Wie kein Zweiter im Team kann er den Ball über weite Distanzen nach vorne schleppen und bindet dabei häufig gleich mehrere Gegenspieler. So entstehen dann auch größere Räume für seine Kollegen, die er immer wieder in Szene setzt.

Ohne ihn geht nach vorne jedoch nichts, das zeigte vor dem 0:0 gegen Osnabrück bereits die erste Hälfte in Kaiserslautern. Erst mit der Einwechslung Reeses kamen die Berliner dort zu Offensivaktionen und konnten das Spiel drehen. Auch der Pokal-Traum wäre gegen HSV wohl geplatzt, wenn der gebürtige Kieler Hertha nicht zurück ins Spiel gebracht hätte.

Diese Abhängigkeit von nur einem Spieler kann Hertha schnell zum Verhängnis werden, wenn Reese wie gegen Osnabrück ausfällt. Die Winterpause kommt also zum richtigen Zeitpunkt. Der Flügelstar kann sich ausreichend erholen und Trainer Dardai hat Zeit, um auch einen Plan B für offensive Kreativität zu entwickeln. Und zumindest Dudziak wird wohl rechtzeitig zum Rückrundenstart wieder fit sein und könnte Teil dieser Überlegungen sein. Bis dahin bleibt Hertha ohne Reese aber Neese.

Sendung: rbb24, 17.12.2023, 18 Uhr

Beitrag von Lukas Witte

12 Kommentare

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  1. 12.

    Bis vor kurzem war Tabakovic der unverzichtbare Held, jetzt ist’s seit ein paar Spielen Reese. Schön dass wir beide haben. Aber da kommen noch andere. Es geht um die Mannschaft - und die macht Spaß, auch wenn wir mit Scherhant & Co noch geduldig sein müssen.

  2. 11.

    Es geht ausschließlich um einen Wechsel in der Winterpause - den halte ich für ausgeschlossen. Ab Juni werden die Karten neu gemischt.

  3. 10.

    Nee, RW
    Da muss man Nils mal recht geben.
    Fussball ist Schnellebig . Das passiert so schnell, daß ein Spieler wie Reese den alten Verein verlässt, wenn ein anderer Verein mehr bietet.Auch das Geld aus dem DFB Pokal wird nicht reichen, wenn Hertha nächstes Jahr nicht Erstklassig spielt.
    Aufgestiegen ist Hertha BSC auch noch lange nicht.
    Wie schnell man wieder unten rein in die Abstiegszone kommen kann zeigt das Beispiel 1.FC Kaiserslautern.
    Vor 7 Spieltagen in der Spitzengruppe, als Aufstiegskandidat gehandelt, jetzt nach 6 Niederlagen eher ein Abstiegskandidat auf dem 15. Platz.
    Auch von dieser Mannschaft hatte man gedacht das sie Stabil und gefestigt ist.

  4. 9.

    Solange er die durchaus realistische Chance hat die 1te Liga mit Hertha zu erreichen, wird er den Verein nicht verlassen. Ob ein Bremen et al. da nun mit 2-3 Mios wedelt ist unerheblich. Wirtschaftlich hat der DFB Pokal dies möglich gemacht.

  5. 8.

    Sie sagen doch selbst, der Junge will erstklassig spielen.
    Das tut er aber bei Hertha BSC eben nicht, und ob er das nächstes Jahr bei Hertha BSC tut, ist sehr fraglich.
    Und ob er 6 Monate, 1 Jahr oder 2 Jahre da ist, interessiert die Bundesligisten nicht.
    So ist es eben, als Underdog, das ist Hertha BSC zur Zeit.

  6. 7.

    Aber nicht nach 6 Monaten. Der Junge will erstklassig spielen und wird bei einem möglichen Verpassen der Aufstiegsplätze zum Ende der Saison seinen Optionen prüfen. Finanziell hat der DFB Pokal momentan die schlimmsten Löcher geschlossen. Ergo kein realistisches Szenario momentan. Aber darum ging es dir ja auch nicht:)

  7. 6.

    Naja , wer hier gerade wie ein Absteiger spielt , sieht man , wenn man nach Köpenick schaut .

  8. 5.

    Hoffe mal nicht das er wechselt. Einen Superspieler wie ihn, findet hertha nicht mehr so schnell. Aber wie bereits einmal geschrieben, schlimm das hertha von einem Spieler abhängig ist.

  9. 4.

    Naja, wenns ums Geld geht, ist auch ein Vertrag bis 2026 nichts wert.
    Das ist das Los der meisten Vereine in der 2.Bundesliga.
    Sobald ein guter Spieler da ist, winkt der ein oder andere Bundesligist dem Verein und dem Spieler mit großen Geldscheinen.

  10. 3.

    Ach naja nun - wir sind doch nicht in Köpenick;) Warum sollte er denn wechseln bei einem Vertrag bis 26?

  11. 2.

    Kann man jetzt natürlich schlecht finden, dass man ohne ihn nicht gerade besser wird, man kann sich aber auch darüber freuen, dass er sich so entwickelt hat, der Reese.
    Diese Qualität scheint ja auch noch nicht allzu lange sichtbar zu sein, sonst würde er kaum bei Hertha spielen und vorher in Kiel.

  12. 1.

    Ohne Reese spielt Hertha BSC wie ein Absteiger.
    Mal gespannt ob er nicht sogar schon im Wintertransferfenster wechselt.

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