Ein Jahr Tesla-Produktion in Grünheide - 365 Tage, E-Autos vom Band und ein ungelöster Wasserstreit

Mi 22.03.23 | 12:57 Uhr | Von Martin Krauß und Juan F. Álvarez Moreno
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Archivbild: Mitarbeiter der Tesla Gigafactory Berlin Brandenburg arbeiten an der Endkontrolle der fertigen Elektrofahrzeuge vom Typ Model Y. (Quelle: dpa/P. Pleul)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 21.03.2023 | Matthias Krauß, Andreas Oppermann | Bild: dpa/P. Pleul

Genau vor einem Jahr lieferte Tesla die ersten in Grünheide gefertigten Autos aus. Seitdem hat der US-Elektroautobauer die Region verändert - ob es um Jobs geht oder den Blick auf das Wasser. Von Martin Krauß und Juan F. Álvarez Moreno

Es sind Bilder, die um die Welt gehen: Vor genau einem Jahr, am 22. März 2022, startet in Grünheide die Produktion des ersten europäischen Tesla-Werks. Firmenchef Elon Musk persönlich ist gekommen, um die ersten Teslas Made in Germany an 30 Kunden zu übergeben – Party und Politprominenz inklusive. Unter den 500 geladenen Gästen befinden sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Ein Tag, der vielen in Erinnerung bleiben soll - denn die Ansiedlung im grünen Grünheide, die zum Teil in einem Wasserschutzgebiet liegt, polarisiert von Anfang an. Während der Produktionsstart für die einen ein "besonderer Tag für die Mobilitätswende in Deutschland" darstellt (Robert Habeck) oder durch die Ansiedlung der Osten fortan "industriell vorne mit dabei" ist (Olaf Scholz), sehen andere das andere kritischer.

Kritiker legten Widerspruch gegen die Genehmigung ein

So kommt es, dass während in den Hallen der in Windeseile errichteten und genehmigten "Gigafactory" Berlin-Brandenburg noch gefeiert und getanzt wird, sich draußen bereits der Protest formiert. Denn auch die Umweltaktivisten von "Sand in Getriebe", "Ende Gelände" und "Extinction Rebellion" wissen den Tag medienwirksam zu nutzen – spielen jedoch in den darauffolgenden Monaten im Tesla-Diskurs kaum noch eine Rolle. Anders die Bürgerinitiative Grünheide.

Das lokale, Tesla-kritische Bündnis ist auch an diesem 22. März mit einem Protestzug vor Ort. Auch Mitglieder der Umweltverbände Nabu und der Grünen Liga Brandenburg finden sich unter den 100 Teilnehmern. Die Mitglieder der Initiative eint insbesondere die Sorge um das Wasser. Ein Thema, das bereits wenige Tage nach dem Produktionsstart eine neue Dimension bekommen soll.

Denn bereits am 25. März reichen die Umweltverbände Widerspruch gegen die Genehmigung der Tesla-Fabrik ein. Sie fordern (bis heute) Akteneinsicht in die teilweise geschwärzten Antragsunterlagen sowie Aufklärung über den Wasserbedarf, die Abwasserbehandlung und den Umgang mit möglichen Störfällen.

Gefährliche Stoffe mehrmals ausgetreten

Offene Fragen, die knapp einen Monat später eine neue Relevanz bekommen - mit einem ersten Zwischenfall auf dem Tesla-Gelände Mitte April. Eine wassergefährdende Flüssigkeit aus der Lackiererei tritt aus und gelangt ausgerechnet beim Entsorgen durch ein Fachunternehmen ins Freie. Der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) sprich von einem Störfall, die Genehmigungsbehörden versuchen zu beruhigen.

Es bleibt nicht der einzige Vorfall dieser Art. Ende Juni passiert es erneut: Auf einem Tesla-Außenlager im nahegelegenen Güterverkehrszentrum Freienbrink treten zehn Kilogramm eines wassergefährlichen Kathodenmaterials zur Batterie-Herstellung aus. Auch dabei soll es sich um einen Unfall handeln - wie auch am 26. September, als es zu einem Brand eines Recyclinghofs auf dem Werksgelände kommt.

Wasser als größter Kritikpunkt

Das Wasser wird zum größten Streitpunkt zwischen Tesla und den Kritikern. Immer stärker involviert ist auch der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE). Denn obwohl Tesla noch in der Genehmigungsphase seinen Wasserbedarf um zwei Drittel senken kann, verbraucht das Werk bis heute noch sehr viel.

Der WSE sichert dem US-Elektroautobauer immerhin rund 1,8 Millionen Kubikmeter pro Jahr für seine Produktion zu - den durchschnittlichen Verbrauch von umgerechnet rund 40.000 Haushalten. Doch damit sind die letzten verfügbaren Fördermengen für das gesamte Verbandsgebiet aufgebraucht, wie der WSE immer wieder betont. In der Folge erteilt der WSE allen neuen Plänen für Wohn- und Gewerbegebiete in seinem Verbandsgebiet eine Absage.

Und auch vor Gericht wird der Streit um das Wasser ausgetragen. Für die Ansiedlung des US-Konzerns hatte nämlich das Landesamt für Umwelt (LfU) eine erhöhte Fördermenge am Wasserwerk Eggersdorf genehmigt - und zwar der Tesla-Geschwindigkeit entsprechend schnell. Umweltverbänden ging das jedoch zu schnell. Sie beklagten, dass die Erlaubnis ohne ausreichende Prüfung erfolgte und zogen vor das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), wo sie nur wenige Tage vor dem Produktionsstart in Grünheide Anfang März in Teilen Recht bekommen.

Um den angestrebten Produktionsstart aber nicht zu verzögern, muss das LfU daraufhin eine Duldung aussprechen, so dass in Eggersdorf zumindest die für Tesla benötigte Förderung erfolgen kann. Da dies aber keine dauerhafte Lösung für die angespannte Wassersituation sein konnte, startete auf Landesebene die Suche nach einer nachhaltigen Lösung.

Wasserverband spricht von einem "handfesten Skandal"

Zwei Optionen werden daraufhin verstärkt geprüft. Die eine ist eine Versorgung durch die Berliner Wasserbetriebe; dafür prüft das LfU eine Leitung nach Waßmannsdorf. Die andere Option favorisiert vor allem der Wasserverband WSE selbst. Er will in der Nähe des Güterverkehrszentrums Freienbrink - und somit in der Nähe von Tesla - ein eigenes Klärwerk errichten. Dieses soll einerseits Abwässer zu verarbeiten und andererseits durch die Wiederaufbereitung neues Wasser in den Kreislauf einzuspeisen.

Im September 2022 bestätigt der Brandenburger Haushaltsausschuss den Verkauf eines Grundstücks, damit der WSE sein Klärwerk bauen kann. Doch der Verkauf zieht sich hin - und auch die Option Waßmannsdorf wird weiterhin geprüft.

Seit Dezember prüft das Land darüber hinaus eine dritte Option: eine Wasserförderung im Grünheider Ortsteil Hangelsberg. Auch Tesla selbst begibt sich mit eigenen Erkundungsbohrungen im Gebiet des Wasserverbands Fürstenwalde auf die Suche.

Doch der Wasserstreit hat noch weitere Facetten: Im November entscheidet das LfU, dass Tesla den Wasserverband nicht mehr unmittelbar über die Ergebnisse seines Grundwassermonitorings auf dem Werksgelände informieren muss. Der WSE spricht von einem "handfesten Skandal" und reicht Widerspruch gegen die Entscheidung des LfU vor Gericht ein. Auch der Umweltausschuss des Brandenburger Landtages fordert Aufklärung zu dem Vorgang in einer Sondersitzung.

Tausende Mitarbeiter und ein Wirtschaftsmagnet für andere Unternehmen

Abseits der Rechtsstreitigkeiten und des Streits um das Wasser und die Umweltsicherheit kann Tesla nach einem Jahr Produktion wirtschaftliche Erfolge vebuchen: Mit rund 10.000 Mitarbeitern ist Tesla in Brandenburg inzwischen der größte private Arbeitgeber. Mittlerweile rollen rund 4.000 Autos pro Woche vom Band - etwa 200.000 Fahrzeuge im Jahr. Damit ist die erste Zielmarke von 500.000 Autos im Jahr zwar noch nicht zur Hälfte erreicht; Landesregierung und der US-Konzern erwarten aber, dass die Produktion in den kommenden Monaten weiter ausgeweitet werden kann. Gesetzt den Fall, dass Tesla genug geeignete Mitarbeiter findet. In puncto Beschäftigte hat die Ansiedlung positive Effekte erzielen können. So berichtet die Arbeitsagentur Frankfurt (Oder), dass in den vergangenen zwölf Monaten 1.400 Arbeitslose erfolgreich an Tesla vermittelt werden konnten. Zuzug von Arbeitnehmern wiederum generiert weitere Steuereinnahmen.

Ein weiterer Effekt: Das Tesla Werk funktioniert als Wirtschaftsmagnet für andere Unternehmen, die sich nun in der Region ansiedeln wollen. So wird im November 2022 bekannt, dass ein US-Logistiker ein Zentrum mit fast 100.000 Quadratmeter in Tesla-Nähe plant. "Tesla wird mit Innovation, Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen gleichgesetzt", sagt damals Wolfgang Rump von der Regionalen Planungsgemeinschaft dem rbb. Auch in Märkisch-Oderland und in Frankfurt (Oder) haben sich bereits Zulieferbetriebe angesiedelt, und überregional Firmen für die Batteriefertigung.

Und auch Tesla selbst hat nach verschiedenen Unsicherheiten seine eigene Batteriefabrik in Betrieb genommen. Bislang werden dort zwar nur Einzelteile hergestellt, dennoch soll auch dort bald die Produktion vollständig erfolgen.

Weitere Produktionshallen geplant

Das Tesla-Werk soll in Zukunft noch größer werden. So haben die Grünheider Gemeindevertreter bereits der Aufstellung eines Bebauungsplans zugestimmt, damit Tesla sich um weitere rund 100 Hektar vergrößern kann. Mitte März reicht der US-Konzern zudem seinen ersten Erweiterungsantrag für die zweite Ausbaustufe ein. Mit dabei ein Versprechen: So will das Unternehmen den Ausbau ganz ohne weitere Frischwassermengen stemmen. Das soll durch einen geschlossenen Wasserkreislauf funktionieren – ein Punkt, den Umweltschützer seit langem fordern. Dafür will das Unternehmen zunächst seine bestehenden Anlagen aufrüsten.

Gleichzeitig sind auch weitere Ausbauschritte in dem Antrag enthalten. Perspektivisch möchte Tesla seine Produktion auf eine Million E-Autos pro Jahr ausweiten. Dafür sollen auf dem bisherigen Gelände neue Produktionshallen entstehen, für die bereits der Wald gerodet worden ist. Auch für diese Anlagen, teilt das Unternehmen dem rbb mit, sollen neue Abwasseraufbereitungsanlagen entstehen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.03.2023, 16:40 Uhr

Beitrag von Martin Krauß und Juan F. Álvarez Moreno

28 Kommentare

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  1. 28.

    q.e.d. Fern- und Regional, während Sie hier schon wieder die U-Bahn als Alternative toll finden.

  2. 27.

    „dass eine U-Bahn eine Alternative zu Fern- und Regionalzügen ist“
    Schon wieder dokumentieren Sie Ihre Böswilligkeit. Niemals ist das behauptet worden. Im Gegenteil, die U-Bahn würde mehr eine PKW-Alternative in die Innenstadt bieten. Den Nutzen einer Stammbahn bleiben Sie schuldig.... Weil er noch nicht so nachgewiesen ist, dass dies sich lohnen würde. Nach heutigen Maßstäben.

  3. 26.

    Allerdgins haben sich bekanntlich die Profis von den Umweltverbänden nur an einer Fördermengenerhöhung gestört und die weitaus größere Menge widerspruchslos akzeptiert.

  4. 25.

    Sie weigern sich beharrlich zu verstehen, dass der Pegel eines Sees unweigerlich sinkt, wenn man mehr Wasser ableitet als zufließt. Dabei gab es auch dazu eine öffentliche Veranstaltung. Aber ok, Sie glauben ja auch, dass eine U-Bahn eine Alternative zu Fern- und Regionalzügen ist.

  5. 24.

    Wollen Sie nun sagen, woher die die Wasserzuteilungsmengen kennen? Oder weiter ausweichen? Wetten das die Wassermengen nicht solide bekannt sind? Was bekannt ist, ist das was man genehmigt :-(

  6. 23.

    Ich bin als Wohnungseigentümer und Vermieter direkt betroffen und werde zur nächsen Eigentümerversammlung eine Erhöhung der Instandhaltungspauschale bezahlen, um den "Habeck-Hammer" für meine Wohnungen bezahlen zu können.

    Das wird teuer, muss aber wohl so sein!

  7. 22.

    Gibt sowas, das nennt sich Studium, plus Spezialisierung., z.B. Hydrogeologe, Umweltingenieure,...

  8. 21.

    Über Jahrzehnte?

    Energetische Modernisierungen können mit 8% pro Jahr umgelegt werden, also nach knapp 13 Jahren hat der Mieter diese für den Vermieter bezahlt UND zahlt weiter!

  9. 20.

    Ich bin Wohnungseigentümer und Vermieter. Ich werde bei der nächsten Eigentümerversammlung eine Erhöhung der Instandhaltungspauschale fordern, damit die Gasheizung durch eine PV-Anlage mit Wärmepumpe ersetzt werden kann.
    Das wird teuer!!

  10. 19.

    Wieso "ungelöser Wasserstreit"? Die relevante Vorgehensweise wurde von den zuständigen Behörden genehmigt.

  11. 18.

    Der Straussee und die Wasserrationierungen kümmern sich nicht um „Schürfrechte“. Es ist wie in Kanada der Goldgräberzeit: Schürfrechte bedeuten schürfen ohne Garantie auf Gold.

  12. 17.

    Kriminell sind diejenigen, die andere Straftaten vorwerfen ohne das Beweise zu haben.

  13. 16.

    Wenn selbst die Umweltverbände bei dem größter Teil der von der WSE beantragten Förderrechte kein Haar in der Suppe gefunden haben, sollte auch Ihnen das zu denken geben. Was passiert mit dem Pegel eines Sees, wenn man aus dem mehr Wasser ablässt als zufließt?

  14. 15.

    Und wieder ein Beitrag für die Teslaerzengel um ihre kriminellen Machenschaften zu verharmlosen.

  15. 14.

    Die Umweltverbände haben bekanntlich nur bei einem kleinen Teil der auf Antrag der WSE genehmigten Förderrechte ein Haar in der Suppe gefunden.

  16. 13.

    Echt jetzt? Wie machen die das? Und was ist die Befähigung im Sinne von KÖNNEN?

  17. 12.

    Dieses NIMBY-Gefasel verursacht langsam körperliche Schmerzen. Als Berliner kann man sich ja beruhigt zurucklehnen: die Windräder stehen ja bei den Anderen. Und als Mieter kümmern einen ja PV-Anlagen, Gas- und Olheizungsverbot nicht. Das bezahlen ja die Anderen. Das Geschrei möchte ich hören, wenn die Kosten direkt von den Mietern getragen werden müßten, zahlbar sofort, nicht mit 50 Cent pro m2 über Jahrzehnte.

  18. 11.


    Sie mögen es kaum glauben, aber es ist der Job von manchen Menschen das Grundwasserpotential zu beurteilen und entsprechend auch eine Nutzung zuzulassen.

  19. 10.

    Wenn man das alles liest, was in den letzten Tagen so passiert ist, wie IPCC- Klimabericht, Waldzustandsbericht oder UN- Wasserkonferenz , dann frag ich mich, wann wacht man auf, um nicht die Natur noch weiter zu versiegeln.

    Man sollte sich mal über Verzicht und intelligente Lösungen für ein friedliches, sinnvolles und gesundes Zusammenleben Gedanken machen.

    Hallo Politiker, z. B. Autos und Geld kann man nicht essen !!!!

  20. 9.

    Na dann sind wir beide auf den ersten Blick gar nicht so weit entfernt denn ich habe überhaupt kein Auto, weil ich meine BVG-Jahreskarte und meine Bahncard 50 wirtschaftlicher finde.
    Fakt ist aber auch, dass wir von den fossilen Brennstoffen loskommen müssen und andere Menschen eben nicht auf das Auto verzichten können/wollen. Um diese Dekarbonisierung zu erreichen muss sich die Stromproduktion aus Erneuerbaren in diesem Jahrzehnt verdoppeln. Das heißt auf jedes Hausdach, jeden Schulhof, jeden Parkplatz eine PV-Anlage, verbunden mit einem Speicher, um die Schwankungen auszugleichen. Ausbau der Windkraft, Erdwärme, Biomasse, Wasserstofftechnologie, sowie Austausch der Öl- und Gasheizungen - das kostet uns alle viel Geld!
    Ist das mit einer NIMBY-Einstellung zu erreichen?

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