Riesen-Solarium und Schneeflocken - Neue Technik im Klärwerk Ruhleben soll für sauberes Wasser in Spree und Havel sorgen
Das Klärwerk Ruhleben in Berlin-Spandau wird für über 250 Millionen Euro modernisiert. UV-Strahlen und andere moderne Technik sollen mehr schädliche Stoffe und Bakterien aus dem Wasser filtern. Von Thorsten Gabriel
Das Berliner Klärwerk Ruhleben wird mit zusätzlicher Technik ausgerüstet, um Wasser besser von Keimen und Phosphor zu reinigen. Dafür investieren die Berliner Wasserbetriebe 250 Millionen Euro in die Anlage.
UV-Desinfektion und Schneeflocken-Technik
Das Werk erhalte unter anderem eine sogenannte Flockungsfiltration, mit der der Nährstoff Phosphor nahezu komplett entfernt werden könne, sagte Wasserbetriebe Vorstand Christoph Donner bei einem Besuch der Klärwerks-Baustelle in Spandau. "Im Prinzip erzeugen wir mit Polymeren eine Schneeflocke im Wasser. Diese Schneeflocke wächst, weil sie Stoffe, die im Wasser sind, aufnimmt und einbindet", erklärte der Wasserbetriebe-Vorstand. "Dann senkt sie sich und wird zu Schlamm und wir filtrieren sie ab."
Allerdings würden schon mit der bestehenden Technik 98 Prozent des im Wasser enthaltenen Phosphors beseitigt, betonte Donner.
In einem weiteren Schritt werden künftig in einer UV-Anlage - "das ist eine Art Riesen-Solarium" - noch im Wasser enthaltene Keime und Bakterien unschädlich gemacht. Dabei handele es sich um ein Verfahren, für das die Sonne auf natürlichem Wege eine viel längere Fließstrecke als bis zu den Badestellen zwischen Grunewaldturm und Gatow brauchen würde, so Donner.
Ab 2028 saubereres Wasser für Spree und Havel
"Die riesige UV-Desinfektion wird dafür sorgen, dass das Wasser wirklich so keimfrei gemacht wird, dass es nahezu Trinkwasserqualität hat", zeigt sich Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) beim Besuch des Klärwerks erfreut. Sie ist Aufsichtsratschefin und hatte in dieser Funktion das millionenschwere Investitionsprogramm mit genehmigt. "Die neue Technik sorgt dafür, dass ab 2028 noch saubereres Wasser in Spree und Havel abgeleitet werden kann, was unter anderem den Algenwuchs im Sommer reduziert."
Zwar wird sich damit die Gewässerqualität, vor allem auch an den Badestellen der Havel und dem Wannsee, verbessern - doch eine durchgängige Badewasserqualität in der Spree kann damit laut BWB-Vorstand Donner nicht gewährleistet werden. "Was wir sehen, ist, dass es deutlich besser wird. Aber wir haben das gerade auch in Paris gesehen, bei den Olympischen Spielen, welche Herausforderungen man hat."
Schwimmen in der Spree? "Kann ich nicht sagen"
Die Herausforderung sei, dass jedes Jahr mindestens ein Prozent innerstädtische Fläche entsiegelt werden müsste, damit Regenwasser ablaufen und Überschwemmungen vermieden werden können. "Das Thema ,Schwammstadt' ist uns sehr wichtig." Allerdings erinnert Donner daran, dass gleichzeitig auch zehntausende neue Wohnungen gebaut werden sollten, was gerade innerhalb der Stadt oft in Konflikt zur Entsiegelung steht.
"Das heißt, ob man demnächst mal in der Spree schwimmen kann, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Aber temporär wird man es auf jeden Fall können." Nur wenn es wieder Regen- oder Starkregen gebe, werde man in Zukunft wohl, ähnlich wie in Paris, mit einem Ampelsystem darauf reagieren müssen, das einem anzeige, ob man in den nächsten drei, vier Tagen nach einem Starkregen in der Spree baden könne oder nicht. Ungeachtet der Wasserqualität ist das Baden in der Spree in der Innenstadt, auch wegen des Schiffverkehrs, bislang nicht erlaubt.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND, begrüßt den Einbau der neuen Technik. Er kritisiert allerdings, dass die Umrüstung deutlich länger dauere, als ursprünglich vorgesehen. "Die Anlagen in Ruhleben sollen erst 2028 ihren Betrieb aufnehmen. Die Nachrüstung der weiteren fünf Berliner Klärwerke mit solchen Anlagen soll erst Ende der 2030er Jahre abgeschlossen sein", heißt es in einer Mitteilung des BUND.
Berliner Wasserbetriebe investierten 2023 fast 500 Millionen Euro
Unklar bleibe auch, wann an den Klärwerken die erforderlichen weiteren technischen Anpassungen erfolgten, um auch Spurenstoffe wie Arzneirückstände, Mikroplastik, Pflanzenschutzmittel oder Rückstände aus Flammschutzmitteln besser zu behandeln. Die Klärwerke der Berliner Wasserbetriebe seien heute nicht in der Lage, diese Stoffe aus dem Abwasser zu entfernen.
BWB-Vorstand Christoph Donner reagiert auf diese Kritik mit Verständnis, verweist aber auf die bereits getätigten Investitionen. "Allein im letzten Jahr haben wir 474 Millionen investiert. Das ist ein massives Wachstum und Transformationsszenario, das wir stemmen, und das sind natürlich große Herausforderungen - gerade in einer kompakten Anlage wie hier, wo wir nicht freie Wiese haben und einfach neu bauen können. Das ist an einer Bestandsanlage immer komplexer." Nach und nach würden auch alle Klärwerke vor 2040 eine Anlage zur Entfernung von Spurenstoffen erhalten.
Klärwerk Stahnsdorf wird komplett neu gebaut
Seit 2017 sind die Berliner Wasserbetriebe damit beschäftigt, ihre Klärwerke nach und nach um- und aufzurüsten. "Heute drehen sich in fünf unserer sechs Kläranlagen die Baukräne", so Donner. Das 1931 in Betrieb gegangene Klärwerk Stahnsdorf werde bis Mitte der 2030er Jahre sogar durch einen kompletten Neubau ersetzt.
Ein Teil des Klarwassers wird nach Angaben der Wasserbetriebe künftig noch ins Kraftwerk Reuter West am gegenüberliegenden Spreeufer geleitet. Dort werde aus der Restwärme des Wassers Fernwärme für Berliner Wohnungen gemacht.
Sendung: rbb24 Abendschau, 16.08.2024, 19:30 Uhr