Fragen & Antworten - Elektronische Patientenakte ab 2025: Das ändert sich

Mi 27.11.24 | 12:40 Uhr
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Eine Ärztin arbeitet in ihrer Praxis für Allgemeinmedizin am Computer. (Quelle: dpa/Daniel Vogl)
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Video: Super.Markt vom rbb | 18.11.2024 | Bild: dpa/Daniel Vogl

Ärzte benötigen möglichst viele Informationen über ihre Patienten, etwa im medizinischen Notfall. Doch die liegen selten vor. Die elektronische Patientenakte (ePa) soll Abhilfe schaffen. Doch wie sind Nutzen und Risiken?

Derzeit bekommen bundesweit rund 73 Millionen gesetzlich Versicherte Post von ihrer Krankenkasse - mit der Ankündigung, dass die elektronische Patientenakte (ePa) Mitte Januar 2025 flächendeckend eingeführt wird. Laut einer aktuellen AOK-Umfrage wollen 75 Prozent der Berliner und 76 Prozent der Brandenburger die ePa nutzen.

Die elektronische Patientenakte wird von den gesetzlichen Krankenkassen für ihre Versicherten angelegt. Privat Versicherte müssen selbst aktiv werden, wenn sie eine solche Akte wollen. Ab dem 15. Januar 2025 sollen die ePas in einigen Modellregionen eingeführt werden, Mitte Februar dann bundesweit.

In der ePa können alle Gesundheitsdaten hinterlegt werden. Zugang erhalten Arztpraxen durch das Einlesen der Versichertenkarte.

Wie läuft die Umstellung praktisch ab?

Versicherte können über eine ePa-App der jeweiligen Krankenkasse auf ihre ePa zugreifen und die Daten verwalten. Dokumente - etwa Befunde oder Laborergebnisse - können abfotografiert, in die App geladen und so in der Akte ablegt werden. Auch selbst geführte Tagebücher mit Blutdruckmessungen können angelegt werden.

Dabei soll es für Versicherte möglich sein, selbst festzulegen, welches Dokument für wen sichtbar ist. Das kann über Vertraulichkeitsstufen laufen: Ein Dokument in der E-Akte wird entweder als freigegeben für alle markiert, die über den Chip der Gesundheitskarte Zugriff haben, oder es wird für alle verborgen, so dass nur der Patient selbst es sehen kann.

Nach Auskunft der Verbraucherzentralen soll es jederzeit möglich sein, Inhalte einzusehen, einzufügen, zu löschen oder zu verbergen oder auch Zugriffsrechte zu ändern.

Ärzte befüllen die Akte über den Praxiscomputer mit Befunden zu aktuellen Behandlungen. Auch die Krankenkassen selbst können in der Akte Daten ablegen, etwa welche Leistungen abgerechnet wurden. So ist für Patienten schnell nachvollziehbar, wann welcher Arzt besucht, welche Diagnose dort gestellt oder welches Medikament wann verschrieben wurde.

Wie transparent ist die ePa?

Befürworter erklären, die ePa bringe Transparenz und eine größere Informiertheit von Patienten, weil diese selbst einen Überblick über die eigenen Gesundheitsdaten bekommen. Mithilfe der Daten könnte es auch leichter werden, Zweitmeinungen einzuholen oder gezieltere Rückfragen bei Ärzten zu stellen.

Außerdem könnten die Daten einer ePa im Notfall sehr wichtig sein und Behandlungen vereinfachen. Beispielsweise sei es wichtig, von bestimmten Unverträglichkeiten zu wissen, sagt Dr. Ralf Offermann, leitender Oberarzt der Notaufnahme der Berliner Charité. Das gelte zum Beispiel für den Einsatz von Kontrastmitteln bei radiologischen Untersuchungen. Er gehe davon aus, dass solche sicherheitsrelevanten Daten in der ePa vorhanden seien - "und dann für uns auch immer einsehbar sind".

Wie ist es um Nutzerfreundlichkeit und Datenschutz bestellt?

Kritiker bemängeln, dass die Steuerung der Akte per Smartphone-App ältere oder weniger technikaffine Menschen überfordern könnte. Jeder Nutzer kann allerdings eine vertrauenswürdige Person festlegen, die sich um die technische Betreuung der Akte kümmert.

Gegner kritisieren oft die unzureichende Datensicherheit der elektronischen Patientenakte. Das Szenario: Arbeitgeber oder Versicherungen könnten irgendwie an Patientendaten kommen. Die dahinterliegende Befürchtung ist, dass Versicherungsbeiträge für bestimmte Personengruppen steigen könnten oder ein Versicherter marginalisiert wird, "weil vielleicht in seiner elektronischen Patientenakte zu lesen war, er sei depressiv", erklärt der Berliner Psychotherapeut Christian Esser.

Das Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt hat die geplanten Sicherheitsvorkehrungen der ePa gecheckt und Verbesserungsvorschläge gemacht. Wenn die einbezogen würden, sei "die Spezifikation als solche nach Stand der Technik als sicher anzusehen", sagt Softwareentwickler Steven Arzt.

Auch die Verbraucherzentralen (VZ) sehen das so: Die Anforderungen an die Datensicherheit seien sehr hoch. Die Akte und die darin enthaltenen Dokumente und Daten werden nach Angaben der VZ zentral auf Servern in Deutschland gespeichert und verschlüsselt. Technisch läuft das über die sogenannte Telematikinfrastruktur, ein in sich geschlossenes Netzwerk, an das die Akteure des Gesundheitswesens angebunden sind.

Laut Gesundheitsministerium kann niemand außer den Versicherten und denjenigen, die von ihnen zum Zugriff berechtigt wurden, die Inhalte der E-Patientenakte lesen. Ein Risiko von Datenklau und Hackerangriffen besteht im digitalen Raum allerdings immer, die Nutzung solcher Technologien bleibt also auch immer eine persönliche Abwägung.

Was sagen Ärzte zur ePa?

Nach dem Digitalisierungsreport im Auftrag der DAK, Ärztezeitung und Springer Medizin standen 2021 zwei Drittel der Ärzte in Deutschland der elektronischen Patientenakte skeptisch gegenüber. Manche raten ihren Patienten aktuell auch zum Widerspruch.

Der größte Kritikpunkt von Psychotherapeut Christian Messers an der ePa ist, dass es dann keine ärztliche Schweigepflicht mehr gebe. "Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte ist diese Schweigepflicht zu Ende. Das heißt, dass alle Daten, die in dieser ePa sind, allen Leistungserbringern des Gesundheitssystems, allen, die beteiligt sind, offengelegt werden."

Verbraucherschützer sehen das weniger problematisch, denn der Versicherte allein entscheide, wer seine Daten sehe. "Das Recht ist an sich schon gut und ausführlich geregelt. Grundsätzlich haben die Versicherten viele Möglichkeiten einzustellen, welche Leistungserbringer welche Daten einsehen können", erläutert Thomas Moormann, Leiter des Teams Gesundheit und Pflege bei der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Wie kann man widersprechen?

Versicherte können bei ihrer Krankenkasse dem Anlegen einer ePa widersprechen. Auch nach der Anlage der ePa können die Versicherten über die ePA-App oder gegenüber ihrer Krankenkasse weiterhin jederzeit widersprechen.

Kritiker bemängeln, dass in den Anschreiben der Krankenkassen oft konkrete Informationen dazu fehlen, wie man das Anlegen einer ePa per Widerspruch verhindert. Und oft werde dann nur ein Weg ausgewiesen: das Internet.

Bisher haben nur rund ein Prozent aller Versicherten der Einrichtung einer ePa widersprochen.

"Die Gefahr besteht, dass einzelne Versicherte den Widerspruch gar nicht äußern, weil die Hürden zu hoch gesetzt sind. Um das barrierefrei zu machen, muss es den Versicherten möglich sein, alle Kommunikationskanäle zu wählen", sagt Verbraucherschützer Thomas Moormann. Er befürchtet, dass ohne eine deutliche Verbesserung der Kommunikation das Vertrauen in die elektronische Patientenakte leiden könnte.

Wichtig: Die Form des Widerspruchs lässt sich frei wählen. Wenn man dem aktuellen Anschreiben der Krankenkassen allerdings nicht widerspricht, wird die ePa automatisch angelegt. Wird sie dann nicht von den Versicherten genutzt, wird sie hauptsächlich von den behandelnden Ärzten befüllt.

Sendung: Super.Markt, 18.11.2024, 20:15 Uhr

58 Kommentare

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  1. 57.

    Jeder würde die Vorteile der Akte nutzen wollen, die bessere Versorgung und schnelle Information von behandelden ÄrtztInnen!
    Das Problem bei It-Plattformen ist, dass ein Berater/ITler immer ganz von vorne anfangen. Es gibt schon sichere Plattformen und Zugangsformen, die lässt man aber ggf. gerne aussen vor.
    Der normale Anwender ist voraussichtlich völlig überfordert, wenn schon bei der Frage nach Zustimmung nicht alle Kanäle bedacht wurden.
    Es gibt noch Menschen (idR Intensivnutzer medizinischer Dienste), die haben keine Erfahrung mit IT und keine jungen Nachkommen, ggf. auch keinen Computer, mit dem sie die Verwaltung übernehmen können.
    Der Patient wurde zum Pseudo-Verwalter gemacht, weil man so Berbeitungskosten spart, die Verwaltung wurde an Dritte ausgelagert, die dann auch das Sicherheitsproblem darstellen, weil man weder Pflege noch Verantwortung zB für Folgekosten möchte..
    So ist ggf. ein Monster geschaffen worden, das weder dem Patienten noch der Versorgung nutzt!

  2. 55.

    Herrlich! Als würde man dadurch schnellere Arzttermine bekommen. Der war gut!

  3. 54.

    Irgendwann wurde der ePerso eingeführt, der erlaubte, das Fingerabdrücke "freiwillig" genommen und "freiwillig" auf dem ePerso gespeichert wurden. Mittlerweile wurde die Gesetzeslage angepasst und die Abgabe und Speicherung der Fingerabdrücke ist verpflichtend ohne Widerspruchsrecht. Was das für jeden bedeutet, falls es in diesem Land zur Machtübernahme einer autokratischen Diktatur kommt, benötigt sicherlich keine weitere Erläuterung. Wenn ein System eingeführt ist, dann wird es gegen die Einzelperson eingesetzt. Es können auch Daten hinzu kommen, wie etwa das eigene Genom, die dann mit anderen Dateisystemen verknüpfbar sind. Die ePA ist lediglich ein weiterer möglicher Baustein zur Totalüberwachung.

    "Alles für unsere Freiheit und unser Wohlergehen." – Aber ich kann doch einen Asyl-Antrag in China stellen?

  4. 53.

    "Abstellen lässt sich das allemal. " E-ben, das lässt sich abstellen. Oder man holt sich gleich ein Smartphone ohne Schüffelsoftware. Gibt es zu kaufen.

    Diese Schnüffelsoftware aber kann ich weder beeindlussen, noch habe ich Kontrolle übere meine Daten. Die zentrale Erfassung lädt regelrecht zum Missbrauch ein.

    Aber noch mehr als gewöhnliche Kriminelle befürchte ich die Interessen der Industrie und die Stümper in der IT. Deshalb habe ich der Nutzung aktiv widersprochen. Werden trotzdem Daten erhoben?

    Da bin ich mir absolut sicher.

  5. 52.

    Pech wenn sie ne Allergie haben , z.B. gegen ein Schmerzmittel haben oder nicht bekannt ist , das sie zu krampfungen leiden.
    Selber Schuld.

  6. 51.

    Ich habe widersprochen und schriftlich zugesichert bekommen, dass für mich keine ePa angelegt wird. Szenario Unfall auf der Landstraße: dem Notarzt ist es sowas von egal, welche Blutgruppe Sie haben. Er hat nämlich keine Konserven dabei, und die vorgeschriebene Kreuzprobe vor einer Transfusion wird er auch nicht machen können. Blutzucker feststellen ist eine Sekundensache. Auch die Medikation ist erst mal völlig egal: wenn es ums Überleben geht, heißt es Atmung und Herztätigkeit sichern und den Kreislauf vor dem Zusammenbruch bewahren. Alles andere erfolgt in der Klinik. Dort könnte die ePa tatsächlich was nützen, allerdings werden so schwer Verunfallte auf die ITS gelegt und dort per Monitoring überwacht und man kann jederzeit mit Medikamenten eingreifen, wenn etwas entgleist.

  7. 50.

    Sehr geehrter Janus,

    warum denn nicht?
    Bin seit 2006 FAcharzt für Kinder- und Jugendmedizin, seit 2008 in eigener Praxis.
    DArf ich da zur ePa nicht eine eigene Meinung haben.

  8. 49.

    Für all jene hier, die/der nun den gläseren Patienten befürchten. Er ist längst da. Jedes Smartphone, egal welches Betriebssystem und Marke - sammelt ohne Ende detaillierte Gesundheitsdaten (unter vielen anderen Daten)und sendet sie an den Hersteller und Anbieter des Systems. Wer von Ihnen hat sich je darum gekümmert? Abstellen lässt sich das allemal.

    Seit wir alle mit so einem Gerät durch die Gegend laufen, tragen wir die perfekte Wanze mit uns herum. Und zahlen tun wir dafür auch noch. Was soll also das Gejammer?

    Gruß
    Navan

  9. 47.

    Der Gläserne Patient hat eine höhere Wahrscheinlichkeit zu überleben
    Unfall auf der Landstraße , der Notarzt kann ersehen , Blutgruppe , wichtige Medikationen , Zuckerkrank , Herzinfarkt und und und .
    Dies ist diese Karte wert.

  10. 46.

    Der PAtient kann die ePA quasi mit Freischalten oder Leseberechtigungen einschränken. Trotzdem füllt sich die ePA trotzdem.
    Jedes e-Rezept wird in der ePA gespeichert.
    Jede vom Arzt verschlüsselte Diagnose wird gespeichert.
    Jede vom Arzt bei der KAsse abgerechnete Leistung wird gespeichert.
    Jeder Apotheker kann die Medikationsliste einsehen.
    Ob jeder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gespeichert wird, weiss ich nicht.
    Manche eine frühe Diagnsoe kann den Eintritt den private Krankenverschicherungen erschweren oder verteuern.
    Eine ADHS-Diagnose kann ggf. vom Polizeidienst ausschließen.
    Wir Ärzte sollen den PAtienten ab 15.2.25 zur ePa beraten, sicher hat ihr Hausarzt dafür unendliche zeitliche Ressourcen.
    Meine 84-Jährigen Eltern ohne Smartphone nutzt auch die Stuermöglichkeit über dei App wenig.

    Für 99% meiner Patienten sehe ich weni Sinn in der ePA, nut für eine HAndvoll schwer chronische kranker Kinder.


  11. 45.

    Ich musste zwar etwas suchen, aber Danke für den Link! Einige Inhalte dort haben mich allerdings total verwirrt, widersprechen diese ja den „offiziellen“ Informationen bzw. den Auskünften die man von seiner Krankenkasse bei Nachfrage erhält!
    Hauptpunkt (im Rechtswesen nennt man sowas wohl „Beweisumkehr“) ist das überall die Info steht man müsste Akten und Informationen explizit für bestimmte Praxen etc. freigeben (wird auch in der App selbst so dargestellt!) und da schreibt die KBV das man explizit das betreffende Objekt sperren müsste! Und die Formulierung „Kontextbezogen“ ist ja sowieso so ein Ding….
    Also um Missverständnissen vorzubeugen: Ich halte soetwas wie die ePA für sinnvoll, in manchen Fällen sogar für notwendig - aber diese Umsetzung?
    Übrigens mal ganz davon abgesehen: der Lauterbach ist nicht immer Schuld, die ePA als Modellversuch gibt es seit 2011, offiziell gestartet ist sie am 1.Januar 2021- wer damals regiert hat bzw. Gesundheitsminister war kann man nachschlagen!

  12. 44.

    Der gläserne Patient hat (Kosten)Vorteile... Soll heißen, dass man „mich Patient bezahlen kann“.... und das System wird so durch Anreize günstiger. Stück für Stück.

  13. 43.

    Aber mit diesem Internet kommen sie mittlerweile gut zurecht?

  14. 41.

    genau so entscheiden sie selbst, was für andere Ärzte sichtbar ist
    über lahme Verwaltung und langes Warten auf Arzttermine, jammern, aber selber in der Steinzeit bleiben, steht jedem frei.

  15. 40.

    Kein danke! Mein Zahnarzt muss nicht wissen, dass ich auch beim Psychiater oder Kardiologen bin.

  16. 39.

    Alles Ausreden
    Ich bewahre notwendige Unterlagen zu Hause auf. Röntgen CD habe ich massenweise.

    Der pharmazeutischen Industrie geht es nichts an ob ich Rheuma im Knie habe oder ggfs Hormone bekomme.
    Falls ein Dokument benötigt wird habe ich dieses auch digital auf einem verschlüsselten Speicher.
    Außerdem ist die Freigabe nicht optional und es Bedarf eines Widerspruches.
    Typisch Lauterbach

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