Zehn Jahre AfD in Brandenburg - Vom "gärigen Haufen" zur parlamentarischen Fundamentalopposition

So 16.04.23 | 10:13 Uhr | Von Thomas Bittner
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Symbolbild: Mitglieder der Partei Alternative für Deutschland (AfD) stimmen ab. (Quelle: dpa/H. Schmidt)
Video: rbb|24 | 16.04.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: dpa/H. Schmidt

Die Brandenburger AfD wird am 28. April zehn Jahre alt. Die Partei hat sich seither deutlich gewandelt und wird mittlerweile vom Verfassungsschutz als extremer Verdachtsfall eingestuft. 2024 will sie die Machtfrage stellen. Von Thomas Bittner

  • Seit 2014 sitzt die AfD im Landtag
  • Die Landesvorsitzende Bessin wünscht sich Andreas Kalbitz in die Partei zurück
  • Partei will bei Landtagswahl 2024 stärkste Kraft werden - und mit CDU regieren

Mit einer Euro-Münze und einer D-Mark fing es an. Alexander Gauland hielt beide 2013 in eine rbb-Kamera. Es war Wahlkampf. Der Potsdamer Publizist gehörte zu den Gründungsvätern der "Alternative für Deutschland". Er wollte in den Bundestag.

Kritik an der Eurorettungspolitik stand am Anfang dieser Alternativpartei. Schnell wurde sie als "Professorenpartei" verspottet, den Einzug in den Bundestag verpasste sie 2013 noch knapp mit 4,7 Prozent der Stimmen. Heute, zehn Jahre danach, ist die Partei fest im Politikbetrieb etabliert. Viele Professoren sind längst weg, Gauland ist noch da. Er ist, inzwischen 82 Jahre alt, Ehrenvorsitzender der Partei.

Die Themen haben gewechselt. Nach dem Euro kam die Migration, später die Kritik an rigiden Corona-Maßnahmen. Heute machen einzelne AfD-Politiker mit Russland-Positionen zum Ukraine-Krieg Schlagzeilen. Und die Migrationsdebatte nimmt wieder Fahrt auf. Was ist geblieben, was ist der Kern der AfD-Positionen? Alexander Gauland spricht von "deutschen Interessen, die wir vertreten, hier im Land und draußen in der Welt".

AfD spricht von "Überfremdung"

Als Hunderttausende Flüchtlinge von draußen aus der Welt kamen, hatte die AfD ihr Thema gefunden: Kritik an der Migrationspolitik, Angst vor Fremden. Damit schaffte sie es in die Parlamente. Seit 2014 sitzt sie im Brandenburger Landtag, seit 2017 im Bundestag. René Springer aus Eberswalde, der 2014 zur Partei stieß und heute Bundestagabgeordneter ist, sagt: "Wir wollen die ungesteuerte Migration begrenzen. Wir wollen dafür sorgen, dass man durch unsere Städte gehen kann und nicht das Gefühl hat, auf einem afrikanischen Basar zu sein."

Selbst in seiner Heimatstadt Eberswalde sehe er eine "Form der Überfremdung". Mit der Haltung gegen Minderheiten und Migranten, mit der Verächtlichmachung des politischen Systems und ihrer Vertreter hat die Partei die Verfassungsschützer auf den Plan gerufen. Sie stufen die Partei inzwischen als rechtsextremen Verdachtsfall ein.

AfD hat vier Untersuchungsausschüsse einsetzen lassen

Seit die AfD mit ihrer Fundamentalopposition im Landesparlament sitzt, hat sich manches geändert. Sie nutzt ihre Oppositionsrechte, ließ seit 2019 vier Untersuchungsausschüsse einsetzen, zur Corona-Politik, dem BER-Flughafenbau und zur rbb-Krise. Sie stellt ein Fünftel der Abgeordneten und kann deshalb zu diesem Mittel greifen. Die Fraktion hält mit detaillierten Anfragen die Regierung auf Trab.

Sebastian Walter, als linker Fraktions- und Landesvorsitzender selbst in der Opposition, sagte dem rbb, er habe nie wirkliche Lösungsvorschläge von der AfD erlebt. Die Untersuchungsausschüsse nutze die AfD vor allem dafür, Mittel zu bekommen, um ihre eignen Strukturen zu finanzieren. Es gehe immer darum, die Gesellschaft zu spalten und Einzelne für große gesellschaftliche Probleme verantwortlich zu machen. Die AfD sei nicht wirklich für Meinungsfreiheit. "Es geht ihr darum, immer recht zu haben. In der Demokratie geht es aber darum, dass es verschiedene Meinungen gibt. Und man muss mit Widerspruch leben", so Walter.

Machtkämpfe gehören bis heute zum Alltag

Ein "gäriger Haufen" sei die Partei, so wie alle jungen Parteien. Das sagte Gauland einst. Parteien seien eben kein Kindergeburtstag, sagt auch René Springer. Bis 2009 war er in der SPD. Er habe einen Eindruck, was Parteien eigentlich ausmache: "der ständige Konflikt, das ständige Ringen um gute Lösungen". Nichts anderes geschehe hier.

In der AfD gehören Machtkämpfe bis heute zum Alltag. Die ehemaligen Vorsitzenden Bernd Lucke, Frauke Petry und Jörg Meuthen sind nicht mehr in der Partei. In Brandenburgs Landesverband hat sich 2022 bei der Wahl der Parteispitze vor allem das Lager um Birgit Bessin durchgesetzt, sie wurde Landesvorsitzende.

Landesvorsitzende wünscht sich Kalbitz zurück in der AfD

Die 45-jährige gilt als Vertraute von Andreas Kalbitz. Die Causa Kalbitz gehört zur Brandenburger AfD-Geschichte. Der ehemalige Berufssoldat war Fraktions- und Landeschef. Weil er über vergangene Mitgliedschaften in rechtsextremen Organisationen nicht informiert hatte, wurde ihm vom Bundesvorstand die Mitgliedschaft entzogen. Beim Verfassungsschutz sieht man in Kalbitz einen Mann, der tief im organisierten Rechtsextremismus verwurzelt sei.

In der AfD-Landtagsfraktion durfte er aber auch als Parteiloser bleiben. Ein Teil der Fraktion steht weiter zu ihm. Im Gespräch mit dem rbb sagte die Landesvorsitzende Birgit Bessin: "Ich persönlich würde es gut finden, wenn Herr Kalbitz wieder den Weg in die Partei zurückfinden würde, weil ich die Art und Weise, wie er ausgeschlossen wurde, falsch finde."

Die AfD will 2024 die Machtfrage stellen. In Brandenburg will die Partei bei der Landtagswahl die stärkste Kraft werden. Eine INSA-Umfrage Anfang April sah die AfD bereits vorn. "Und wir werden aus der Kraft der Stärke mit den anderen Parteien ins Gespräch gehen. Und werden schauen, wie insbesondere die CDU in der Lage ist, sich zu wenden und mit uns zusammenzuarbeiten", sagt René Springer. Es sei Aufgabe der CDU, die Brandmauer niederzureißen.

Auch Alexander Gauland sieht die Christdemokraten am Zug. "Wenn die CDU nicht mehr in der Lage ist, Macht zu gewinnen, weil sie keine Partner mehr findet außer uns, dann entsteht ein Druck der Basis. Und darauf hoffe ich." Der Brandenburger CDU-Landesvorsitzender Jan Redmann hat eine Zusammenarbeit mit der AfD stets abgelehnt. In der AfD aber hofft man, dass ihm in der Partei nicht alle folgen. In anderen CDU-Landesverbänden – vor allem in Thüringen und in Sachsen – sei die Mauer gegen die rechte Partei nicht so hoch wie in Brandenburg. Im Sommer und Herbst 2024 werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landesparlamente gewählt.

Sendung: Brandenburg aktuell, 14.04.2023, 19:30 Uhr

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Beitrag von Thomas Bittner

119 Kommentare

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  1. 119.

    "Forschungen zum Rechtsradikalismus ergeben laut Beichelt seit vielen Jahren, "dass in Deutschland zwischen zehn und 20 Prozent der Menschen rechtsradikales Gedankengut pflegen". Dieser Kern sei vor allem in Ostdeutschland von der AfD "geschickt genutzt" worden."

    Wenn das Gedankengut von 20 Prozent der Menschen als "radikal" eingestuft wird, kann mit den Einstufungskriterien etwas nicht stimmen. 20 Prozent sind viel zu viel, um als "extrem" oder "radikal" bezeichnet zu werden. Das sollte ein Timm Beichelt eigentlich wissen. Die Erklärung dafür ist jedoch ganz simpel: Vieles, was noch vor wenigen Jahren als konservativ Meinung galt, wird heute als "radikal" verunglimpft.

  2. 118.

    "Was wollen Sie mit Ihrem wirren Beitrag aussagen? Dass Rechtsextremismus toleriert werden sollte? Und auch Ihre letzte Aussage ist nicht korrekt. Intoleranz ist kein notwendiger Bestandteil einer toleranten Gesellschaft. Ohne Intoleranz wäre es nicht mehr notwendig, Toleranz und Intoleranz zu benennen. Dass es ohne Intoleranz keine Toleranz geben würde, wie von Ihnen behauptet, ist falsch."

    Soviel zum Thema "wirrer Beitrag"...

  3. 117.

    ""Teilweise gehen die Zustimmungswerte des gärigen Haufens schon Richtung 30 %." Dort wo schon immer rechtsextrem gewählt wurde, ja. Aber dort hat man sich selbst abgehängt."
    Ja.Ja. Ja. Sie haben nun wirklich of genug betont, was Sie von den Menschen in den neuen Bundesländern halten.
    Hat schon was penetrant rassistisches. Etwas, was Sie bei jeder Gelegenheit anderen vorwerfen.

  4. 116.

    Im Zweifel sollten satirische Beiträge auch als solche gekennzeichnet werden...

  5. 115.

    Menschenfeindlichkeit ist keine Meinung sondern ein Verbrechen.

    Des weiteren bin ich Anhänger von durch Fakten begründeten Meinungen und nicht von dümmlich Stammtischgelaber...

  6. 114.

    Früher nannte man das " Deutschland Deutschland über alles ... ( 1 verbotene Strophe der Nationalhymne) oder "Am deutschen Wessen soll die Welt genesen".

    Natürlich machen das nationalistische Regierungen weltweit. Aber das ist altes Denken und nicht moderne internationale (Wirtschafts-)Politik.

  7. 113.

    Ja stimmt Trump ist auch ein Rassist und Wirtschaftsimperialist.

    Sein Umfeld sind die US Bazis und Querdenker, nicht demokratische US Bürger.

    Amerikan fist bedeutet auch Vorherrschaft des weißen Mannes aus der bürgerlichen Mittelschicht und ist damit rassistisch.

    Auch das war Hitlers bevorzugstes Wählerpotential.

    Bedenklich ist idas due Republikanische Partei durch christliche Fundamentalisten ( das Umfeld von Bush ) und jetzt Trumps Anhänger immer undemokratischer geworden ist. V.a. in den Südstaaten.


  8. 111.

    Ich verstehe das so, dass die Altparteien jegliches demokratische Recht der AfD fundamental bekämpfen. Da stecken sich die Altparteien im Jahr 60 Millionen Steuergeld für ihre "Stiftungen" in die Tasche, das Bundesverfassungsgericht findet dafür keine Rechtsgrundlage und kein Hahn kräht. Alles Banane, oder was?

  9. 110.

    Was wollen Sie mit Ihrem wirren Beitrag aussagen? Dass Rechtsextremismus toleriert werden sollte? Und auch Ihre letzte Aussage ist nicht korrekt. Intoleranz ist kein notwendiger Bestandteil einer toleranten Gesellschaft. Ohne Intoleranz wäre es nicht mehr notwendig, Toleranz und Intoleranz zu benennen. Dass es ohne Intoleranz keine Toleranz geben würde, wie von Ihnen behauptet, ist falsch.

  10. 109.

    Für viele Wähler scheint die AfD ....."
    Das ist sehr fein formuliert.
    Sie scheint nur, ist aber keine Alternative.

  11. 108.

    Sie sollten sich vielleicht mal intensiv mit dem Begriff der " Toleranz " auseinander setzen. Das hat etwas mit ertragen zu tun. Es gibt aber auch unerträgliches, wie z.B. Schmerzen. In diesem Land ist man aber so tolerant, dass es bis zur freiwilligen Selbstaufgabe geht. Ohne Intoleranz kann es keine Toleranz geben.

  12. 106.

    Anmaßender Name? Für viele Wähler scheint die AfD in Meck-Pom, Thüringen, Sachsen und Brandenburg wirklich die Alternative zu sein.

  13. 105.

    ""Es geht ihr darum, immer recht zu haben. In der Demokratie geht es aber darum, dass es verschiedene Meinungen gibt. Und man muss mit Widerspruch leben", so Walter."
    Wie sieht's denn bei Walter selbst aus, mir dem Aushalten von anderen Meinungen?

  14. 104.

    Warum stehen die Wähler der Partei mit dem anmaßenden Namen eigentlich nicht wenigstens dazu, dass sie die am weitesten rechts stehende Partei im deutschen Bundestag wählen? Das muss doch eine klare Entscheidung sein. Sie könnten sonst ja auch gemäßigtere Parteien wählen, die in ihren Reihen nicht unzählige bekennende Ultrarechte haben. Offensichtlich wirken Fremdenfeindlichkeit, Nichtanerkennung des Klimawandels und Ablehnen einer klimafreundlichen Politik, Sympathie mit Autokraten wie Putin und Orban, Intoleranz gegenüber Minderheiten aller Art - um nur einige in dieser Partei populäre Themen zu nennen - doch anziehend auf ihre Wähler.

  15. 103.

    "Meiner Meinung nach sind diese Ansätze auch jetzt Jahre später noch besser nachvollziehbar. "

    "Forschungen zum Rechtsradikalismus ergeben laut Beichelt seit vielen Jahren, "dass in Deutschland zwischen zehn und 20 Prozent der Menschen rechtsradikales Gedankengut pflegen". Dieser Kern sei vor allem in Ostdeutschland von der AfD "geschickt genutzt" worden."

  16. 102.

    Ich bin kein Freund der AFD. Dennoch erstaunen mich einige parlamentarische Anfragen. Bsp. Abgeschobene Vergewaltiger und Gewalttäter wieder zu Hunderten im Land.
    Die aktuellen Verantwortlichen machen einfach nichts, treiben somit der AFD weitere Wähler zu.

  17. 101.

    Grob ergibt, dass das gleiche Bild. Kommt eben manchmal auf das Cluster an. Im Osten sind es noch eher Ältere bis 60.

    Man kann das noch mehr verfeinern. Im Osten wählen durchaus auch ganz junge AFD. Man könnte familiäre Prägung vermuten, siehe Familie Ritter (Stern TV)

    Und und und...

    Im übrigen rede ich öfter mit AFD Anhängern (sind hier ja überall) und bin immer wieder erstaunt über die Menschenfeindlichkeit. Keine Ahnung ob der RBB dass veröffentlicht, aber da wird schonmal von Erschießungskomandos für Flüchtlinge (oder Politiker) fabuliert etc. Wie bleibt man da sachlich?

  18. 100.

    Das ist völlig egal wer den rechtsextremistischen Haufen anführt, keine demokratische Partei würde jemals mit den Rechtsextremisten koalieren.

    Mal abgesehen von den Bundesländern wo man noch Nachholbedarf in Demokratie hat.

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