Kommentar | Koalitionsvertrag in Berlin - "Das Beste für Berlin" - mal wieder

Mo 03.04.23 | 16:37 Uhr | Von Thorsten Gabriel
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Raed Saleh (l-r), Franziska Giffey (SPD), Kai Wegner (CDU) und Stefan Evers stehen bei einem Pressetermin zur Vorstellung des ausgehandelten Koalitionsvertrags zusammen. (Quelle: dpa/Monika Skolimowska)
Audio: rbb24 Inforadio | 03.04.2023 | Thorsten Gabriel | Bild: dpa/Monika Skolimowska

CDU und SPD versprechen in ihrem Koalitionsvertrag ziemlich viel: Die Stadt soll wieder funktionieren. Eine Aufgabe, an der schon viele Landesregierungen gescheitert sind. Diesmal also soll es gelingen? Zweifel sind angebracht, kommentiert Thorsten Gabriel.

Kleiner hatten sie es nicht: Nicht weniger als "das Beste für Berlin" versprechen CDU und SPD der Stadt. Das Titelblatt des Koalitionsvertrags strotzt nur so vor Marketing-Sprech: "Aufbruch", "Erneuerung", ein Regierungsprogramm "für alle", das Ganze "sozial, innovativ, verlässlich" und - natürlich! - "nachhaltig". Müssten sie für jedes Wortgeklingel Geld ins Phrasenschwein stecken, der Haushalt wäre schon so gut wie saniert. Aber, ach, geschenkt. So ist das nun mal mit Koalitionsverträgen. Sie sind keine Unterhaltungsliteratur, sondern bestenfalls Bedienungsanleitungen für ein Regierungsteam.

Das, was beide Parteien auf 135 Seiten zusammengeschrieben haben, ist wie so oft in diesen Verträgen: viel versprechend und wenig revolutionär zugleich. Das meiste davon hätte die SPD auch mit Grünen und Linken so vereinbart oder auch die CDU mit den Grünen. Die Unterschiede stecken oft im Detail: Wo hat welche Partei ihre Reizwörter für die eigene Basis unterbringen können? Bei der SPD sind das etwa die fairen Löhne oder auch die kostenlosen Bildungsangebote, für die CDU das Existenzrecht des Autos oder die Rückenstärkung für die Polizei.

Vieles kommt auf den neuen Regierungschef an

Über allem aber steht: Die Stadt soll wieder funktionieren. Eine Aufgabe, die banal klingt - an der sich aber doch schon viele Landesregierungen die Zähne ausgebissen haben. Wie oft wurde schon versucht, das Zuständigkeits-Pingpong zwischen Land und Bezirken zu beenden? Wie oft schon sollten Verwaltungsprozesse beschleunigt werden? Wie oft ist uns schon versprochen worden, dass man die meisten Behördengänge online erledigen können soll? Man muss kein Pessimist sein, um auch von dieser möglichen Koalition keine großen Würfe zu erwarten.

Viel wird einerseits davon abhängen, ob CDU-Chef Kai Wegner das Amt des Regierungschefs gut ausfüllen kann. Politisches Gespür bringt er zwar mit, Verwaltungserfahrung allerdings: null. Und andererseits wird es darauf ankommen, wie viele Anfängerfehler ihm die SPD durchgehen lassen wird, bevor sie sich Schwächen zunutze macht.

"Das Beste für die Stadt" versichern beide Parteien zwar einmütig - aber klar ist auch: So sicher wie die CDU das Rote Rathaus so schnell nicht wieder hergeben will, so schnell will die SPD es ihr wieder abjagen. Will heißen: Der Wahlkampf könnte auch bei dieser Koalition ziemlich schnell wieder eröffnet sein – jedenfalls noch bevor die Stadt wieder "funktioniert".

Sendung: rbb24 Abendschau, 03.04.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Thorsten Gabriel

44 Kommentare

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  1. 44.

    "Das Beste" für Spandau ist es bspw. nicht, was sich Raed Saleh, der Franziska Giffey-Flügel der SPD und die CDU da ausgedacht haben: Eine Verlängerung der U 7 in Richtung Heerstraße und eine Verlängerung der U 2 durch faktisch spärlich bebautes Gebiet nach Rathaus Spandau und ins Falkenhagener Feld macht Spandau faktisch zu einem Wurmfortsatz von Berlin, als dass GLEICHFALLS die Stadt in der Stadt zum Ausdruck käme. Damit meine ich die innerstädtischen Verbindungen innerhalb von Spandau, die ungefähr die Hälfte aller Verkehrsverbindungen innerhalb von Spandau ausmachen. Die werden durch die tiefer liegende U-Bahn eher erschwert als erleichtert. Das schafft nur ein Verkehrsmittel auf Straßenniveau, in einer Großstadt wie Spandau IN Berlin idealerweise die Tram.

    Saleh sieht das anders: Das Kleinere hat sich dem Großen hundertprozentig zu fügen.

  2. 43.

    "Lasst die das doch erstmal machen". Das haben wir Berliner doch gemacht, das Ergebnis war eine Milliardnpleite, der Ausverkauf der Stadt, ein Öffentlicher Dienst kurz vor dem Zusammenbruch, keine bezahlbaren Wohnungen und eine verpatzte Wahl.

    Nochmal eine solche rot/schwarze Versagertruppe kann sich Berlin einfach nicht leisten.

  3. 42.

    Der Titel des Koalitionsvertrages lässt schlimmes befürchten.
    Ich möchte nicht wissen, wie viele Eltern noch immer die guten Kitas aus dem Gute-Kitas-Gesetz vermissen.

  4. 41.

    Dem deutschen Michel kann man alles versprechen. Hörig und schleimend glaubt und befolgt er alles. Wie vor 90 Jahren!

  5. 40.

    Wie bitte?
    Ich soll "wegziehen" weil Parteifunktionärinnen und -funktionäre mit Wahlergebnissen nach Gutdünken verfahren?
    Zudem ist das alternativlos und kann nur achselzuckend hingenommen werden?
    Ausserdem soll man solche "erst mal machen lassen"?

    Was für eine Bankrotterklärung.

  6. 39.

    Ist ja vorher auch nix geworden.Mein Gott noch mal.Dieses dumme Gerede ständig. Lasst die das doch erstmal machen.Allen kann man es in dieser Stadt eh nicht Recht machen.Wer hier nicht klar kommt kann ja wegziehen.Es steht ja jedem frei. Eine andere Lôsung gibt es gerade eh nicht Schauen wir Mal etwas optimistisch drein.

  7. 38.

    Danke für deine Kommentare. Ein Lichtblick hier. Es interessante Diskussionsbeiträge mit Niveau.

  8. 37.

    Nur mal als Denkanstoß was die Ampelregierung mit der Wahl in Berlin gemacht hat.
    Großspurigen versprach die Ampel 144 Großprojekte. Davon entfallen auf Berlin/neue Bundesländer = 0!
    Der Osten wird eher Deindustrialisiert (PCK, Kohle usw). Streckenausbau Bahn/BAB nicht. Man bestraft und hängt uns wieder ab. Investitionen auch damit 0! Nur weiter östlich (Ukraine) soll der deutsche Aufschwung ankommen. Also - 2026! Nicht vergessen - nie mehr Ampel

  9. 35.

    Der Mietendeckel
    war der Versuch einer LANDESregierung an EINEM Punkt den Hebel anzusetzen, an dem er angesetzt werden muss: Die Macht der Immobiienspekulation zerstört die Fähigkeiten einer demokratische Gesellschaft, eine der zentralsten und knappsten Ressourcen fair verteilen und gestalten zu können.
    Wer das mit dem rein ideologischen Satz "der Markt regelt das" erledigt, beschönigt einen funktionell, im Alltagsergebnis antidemokratischen Prozess von Enteignung. Könnte "der Markt" es regeln, hätten wir kein Wohnungsproblem. Es hat ihn niemand gehindert es zu regeln. "Der Markt" kann es offensichtlich nicht.
    "Mietendeckel" war eine Krücke. Bewusst auch jenen, die ihn initiierten. Aber er war praktische Politik, die über Bande des Verfassungsgerichts das Thema an die Bundespolitik verwies. Schaffte Klarheit. Für jene die das Problem gerne demagogisch einer aktuellen Landesregierung anlasten. Das Öffentlichkeit, Politik, Medien mit diesem Ergebnis nichts anfangen ist das Problem.

  10. 34.

    "eine Ausprägung der Verbotspolitik"

    Dies ist ein Begriff des reaktionären Rollbacks. Ausfluss des real existierenden, substantiell wirkmächtigen rechten Mainstreams seit Jahrzehnten. Zu dessen Demagogie auch die Behauptung eines angeblich dominanten "linken Mainstreams" gehört.

    Ordnungspolitik ist das unverzichtbare Instrument staatlicher, gesellschaftlicher Organisation des Gemeinwesens in allen seinen Belangen. Wer das derart grundsätzlich und demagogisch an den einzelnen Sachverhalten vorbei in Frage stellt, zieht sich eine Gesellschaft gross, in der Regeln nicht mehr ausgehandelt werden können. Interessenkonflikte nicht mehr politisch eingegrenzt werden können. Es ist Bedingung von zunehmend entgrenzter Gewalt.
    Ausdruck eines totalitären Freiheitsbegriffs. Denn selbstverständlich ist das wahr: Die grösste Freiheit habe ich, bin ich möglichst asozial. Denn die soziale Umsicht, Einsicht, das aushandeln von Interessen, Verteilung, schränkt meine Freiheit ein.

  11. 33.

    "RRG stand aber auch nicht zur Wahl.(...)"

    Sekundenerfolg im Gesprächskreis. Für diesen nicht so ganz exklusiven Kalauer.

    Mag sein, dass Sie sich von Parteien für dumm verkaufen lassen. Während die jeweils so tun, sie könnten (noch) in einer Wahl die absolute Mehrheit erringen. Mich ärgert dieser blankäugig verkündete Quark schon im Wahlkampf. Während Spitzenpersonal sich in der Pose des zukünftigen Alleinsiegers gerieren. Mischung zwischen Kindisch und Aggression gegenüber den Wählenden. Nach Regeln entpolitisierten Wettbewerbs. Während alle schon vorher wissen: Es wird Koalitionen geben müssen. Also sollte man als ernst genommene Wählende selbst einschätzen können, welche Koalitionen denkbar sind. Für mich substantiell für eine Wahlentscheidung. Hier: Redliche Sozialdemokratie würde niemals mit einer (Berliner) CDU koalieren die konkret so wahlkämpfte. Meine Stimme ist kein Freibrief für Beliebigkeit nach Art der Giffeys ohne Prinzipien. Das ist kaltschnäuzige Enteignung.

  12. 32.

    Bezüglich der SPD empfehle Ihnen auch den letzen Satz zu lesen.
    was der Rest betrifft, da werden wir uns uneinig, was Erfolge oder Misserfolge zu werten ist. ÖPNV haben wir schon unter dem anderen Artikel diskutiert.
    Ferner erachte den Mietdeckel selbst als eine Ausprägung der Verbotspolitik, die Verzweiflung und Hilflosigkeit ausdrückt. Denn für ein Verbot der Mieterhöhung wird kein Können gebraucht, nur eine Abstimmung. Aber mit Erhöhung der Menge der neu gebauten Wohnfläche scheint RRG völlig überfordert zu sein.

  13. 31.

    RRG stand aber auch nicht zur Wahl. Oder ich hatte einen anderen Wahlschein. Bei mir gab es keine Blockwahl.

  14. 30.

    An Martina, Ausländerfreund, Lars &Co :
    Euer Gejammer und Gejaule ist herrlich, weint und greint, ich lese es zu gern.

  15. 29.

    Denke Berlin hat eine Veränderung verdient.
    Klar ihre gewähltem Parteien sind dann wohl nicht in der Regierung. Das drücken Sie durch eine Vielzahl von Beiträgen hier wirklich ausreichend aus. Aber vielleicht blamiert sich die Stadt bei der nächsten Wahlorganisation, zwangsweise Rücknahme eines Mietendeckels, Flughafenbaus ...... dann weniger in der Welt

  16. 28.

    Sicher passt Ihnen die CDU nicht, aber so ist nun mal in der Demokratie.
    Somit hat es eine Chance auf Veränderung.
    Schlimmer kann es eh nicht werden, rot, rot,grün hat m.E. in den meisten Feldern komplett versagt, bis hin zu den Wahlen, nicht einmal diese konnten ausreichend organisiert werden.

  17. 27.

    "Existenzrecht des Autos" das steht doch da nicht ernsthaft drin, oder?

    Wie wäre es mit Eigentum verpflichtet. Wer Auto fährt, soll dafür halt auch die kompletten Kosten tragen und diese nicht auf die Gesellschaft abschieben dürfen.

  18. 26.

    Es gab keinen Koalitionsbruch.
    Es gab eine Wahl mit einem CDU-Sieg.
    Dies haben Giffey und SPD kapiert.
    Meiner Meinung nach haben die Grünen die SPD in die Arme der CDU getrieben.
    Bei der Linken bin ich neutral.
    Kipping und Giffey haben wenigstens ohne Zank zusammengearbeitet.

  19. 25.

    Sicher, das RGR schlimmer war, als die letzte CDU Regierung in Berlin? Sie haben doch diepgen nicht vergessen oder?!

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