Berliner Klimaschutzrat - Experten sehen "ernsthafte Gefährdung der Klimaschutzziele" durch Sparkurs

Fr 29.11.24 | 06:19 Uhr | Von Viktoria Kleber und Sabine Müller
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Symbolbild: Der Tiergarten in Berlin. (Quelle: dpa/Muhs)
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Video: rbb24 Abendschau | 28.11.2024 | Autorin: Viktoria Kleber | Bild: dpa/Muhs

Wenn wie geplant im Umweltsektor fast ein Viertel des Etats gekürzt wird, hat das Auswirkungen auf viele kleine und größere Projekte in Berlin. Aber es geht noch um viel mehr: Experten fürchten, dass Berlin seine Klimaziele verfehlt. Von V. Kleber und S. Müller

Unter dem Hultschiner Damm in Mahlsdorf rauscht aus einem dicken Rohr Regenwasser Richtung Elsenteich. Mit sich bringt es schädliche Stoffe wie Phosphate und Schwermetalle, die das Teichwasser und die Tiere darin belasten. Deshalb ist hier – wie auch an anderen Orten in Berlin – eigentlich ein modernes Filtersystem geplant. Allerdings sollen bei diesem Haushaltsposten fünf von sieben Millionen Euro gestrichen werden.

"Es wäre natürlich von großem Vorteil, wenn wir den Filter haben, um die Qualität des Wassers zu steigern", betont Nadja Zivkovic, CDU-Bezirksbürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf. Bisher weiß sie aber nicht, ob der Filter noch kommt.

So sehen die geplanten Kürzungen aus

Der Gewässerschutz ist einer von vielen Bereichen, in denen im Haushalt 2025 teils drastisch gespart werden soll. Geplant ist, dass Senatorin Ute Bonde (CDU) im nächsten Jahr für Umwelt- und Klimaschutz nicht wie ursprünglich geplant 350 Millionen Euro bekommt, sondern 85 Millionen weniger. Ein Minus von 24 Prozent.

Teilweise wird sogar deutlich mehr gekürzt als dieses knappe Viertel:

  • 40 Prozent weniger Geld gibt es für zwei große Klimaschutzprogramme (BENE II und BEK), mit denen unter anderem erneuerbare Energien und Gebäudesanierung für weniger CO2-Ausstoß gefördert werden. Hier sind insgesamt fast 28 Millionen Euro an Kürzungen vorgesehen.
  • 25 Prozent weniger (- 22 Mio.) bekommt die landeseigene Gesellschaft Grün Berlin, die für Parks und Grünanlagen zuständig ist. Gekürzt wird vor allem bei Investitionen, etwa in den Spreepark.
  • 21 Prozent weniger (knapp 4 Mio.) bekommt die "Strategie Stadtlandschaft". Es wird Geld fehlen für neue Bäume in der Stadt.
  • 28 Prozent (1 Mio.) weniger gibt es für den Unterhalt der Wälder in Berlin.
  • 30 Prozent weniger bekommen freie Träger, die zum Beispiel Umweltbildung für Schulklassen anbieten.

Die Umweltverwaltung äußert sich nicht zu konkreten Einsparungen, sie schreibt dem rbb nur, es werde vor allem da gekürzt, wo bereitgestelltes Geld in den vergangenen Jahren gar nicht ausgegeben worden sei.

Die Kürzungen wären bitter im Kleinen…

Die Naturschutzstation Marienfelde hat allerdings jeden Cent der 400.000 Euro gebraucht, die sie bisher vom Land bekam. Leiter Björn Lindner schaut "schockiert" auf die geplante 30-Prozent-Kürzung. "Das würde Konsequenzen in unserer qualitativen Arbeit haben. Es gäbe Stellenabbau", sagt er dem rbb. Von acht bezahlten Mitarbeitenden müssten vermutlich zwei oder drei gehen, so Lindner, Öffnungszeiten und Angebote würden reduziert.

…und bitter fürs große Ganze

Der Berliner Klimaschutzrat, ein Expertengremium, das die Regierung berät, warnt mit deutlichen Worten. "Essenzielle Klimaschutzmaßnahmen" würden "erheblich kürzt", heißt es in einer Pressemitteilung, das sei eine "ernsthafte Gefährdung der Klimaschutzziele". Bis 2030 will Berlin seinen CO2-Ausstoß eigentlich um 70 Prozent reduzieren, bis spätestens 2045 klimaneutral sein. Der grüne Abgeordnete Stefan Taschner beklagt: "Was der Senat hier macht, ist ein geplanter Gesetzesbruch auf Kosten unserer Kinder und Enkelkinder."

Hier könnte es noch Änderungen geben:

Dass Oppositionsfraktionen wie Grüne und Linke die Sparpläne scharf kritisieren, ist nicht überraschend. Erstaunlich ist, wie deutlich auch Koalitionsexpertinnen wie die SPD-Abgeordnete Linda Vierecke sagen, für wie grundfalsch sie die 85-Millionen-Sparliste halten. "Wenn ich davorsitze, sehe ich Größenordnungen von 30 bis 40 Millionen Euro, die ich gerne zurücknehmen würde", sagt Vierecke.

Sie weiß natürlich, dass das nicht realistisch ist. Auch weil der Koalitionspartner CDU den Vorschlag ablehnt, durch einen deutlich verteuerten Anwohner-Parkausweis viele Millionen zusätzlich in die Haushaltskasse zu spülen.

Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass die Einsparsumme gleich bleibt und es vor allem darum geht, das weniger gewordene Geld anders zu verteilen. "Umschichten wird möglich sein", sagt Danny Freymark von der CDU, aber auch das werde weh tun. Konkrete alternative Streichvorschläge nennt Freymark nicht.

Er würde sich wünschen, dass das Wasserfilterprojekt unter anderem in Mahlsdorf kommt wie geplant. Die Filter könnten statt aus dem normalen Haushalt von den Wasserbetrieben selbst finanziert würden, schlägt er vor, mit Eigenmitteln oder durch neue Kreditaufnahme. Außerdem will Freymark, genau wie Vierecke, auf jeden Fall die Kürzungen bei den Umwelt-Bildungsangeboten abmildern. Für Natur-Ranger Björn Lindner wäre das eine gute Nachricht. "Ich will die Hoffnung nicht aufgeben", sagt er.

Eine Partei lobt die Kürzungen

Während Grüne und Linke befürchten, dass allenfalls noch kosmetische Verbesserungen drin sind, schaut die AfD größtenteils erfreut auf die Sparliste. Beim Naturschutz würde sie zwar nicht kürzen, aber die massiven Einsparungen bei den Klimaschutzprogrammen findet sie genau richtig. "Das Klima kann man nicht schützen", betont der Abgeordnete Frank-Christian Hansel. Sein Fazit: "Gut, dass dieser Senat jetzt kein Geld dafür hat, die Klimaziele umzusetzen."

Sendung: rbb24 Abendschau, 28.11.24, 19:30 Uhr

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Beitrag von Viktoria Kleber und Sabine Müller

93 Kommentare

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  1. 93.

    Ich habe von der BEW Post bekommen. Die Bereliner Energie und Wärme, BEW, hat geschrieben. Es geht um Erschließung mit Fernwärme. Das Fernwärmenetz werde ausgebaut, heißt es. Die BEW Übersicht bzgl der Fernwärmeleitungen listet die bekannten Ostberliner Standorte aus. Einzelheiten möge man https://www.bew.berlin/ erfragen. Macht man das und gibt dort auf der bew Seite die Postleitzahl vom hiesigen Wohngebiet an, wo jetzt die Erschließung lt. BEW Schreiben bewerktsteligt werden soll, kommt der Hinweis "Für das ausgewählte Gebiet liegen uns keine Zertifikate vor."

    Mir ist auch nicht klar, wo hier in der Gegend Fernwärme als industrielle Abwärme genutzt werden kann. Denn industrielle Abwärme gibt es hier weit und breit nicht. Kurzum, woher soll denn hier überhaupt CO2 freie Abwärme kommen, wo jetzt kein industrieller Abwäreproduzent existiert? Zumal als Ausführungszeitraum für die Erschließung Dez.24 nis Sept. 25 im Schreiben genannt wird.

  2. 92.

    Deutschland schiebt doch ab. Oft lese ich von Integrierten, die arbeiten und Steuern zahlen, sich in ihrer Freizeit gemeinnützig engagieren, Freunde haben usw, die abgeschoben werden sollen. Dann gibt es die Kriminellen, die aus irgendwelchen Gründen nicht abgeschoben werden können, weil sie untergetaucht sind, weil sie mehrere Identitäten haben aus vielen unterschiedlichen Ländern, wo D gar nicht weiß, wohin sie abgeschoben werden sollen. Die AfD hat nur große Klappe und würde letzteres Problem auch nicht lösen können. Sparen kann Berlin, wenn es auf die TVO und andere Straßenneubauten und -Erweiterungen verzichtet und sich auf SPNV+ÖPNV konzentriert. Der Umwelt+Klimaschutz ist sehr wichtig. Wird hier gespart, werden die Folgekosten vielfach höher.

  3. 91.

    Das Geld geht uns an ganz anderer Stelle verloren. Ein Großteil des Geldes was wir in diese Leute stecken, bleibt in unserer Wirtschaft, ähnlich wie bei den Bürgergeldempfängern. Die Kürzungen dort haben auch Konsequenzen, die man dann live bei sich in der Umgebung sehen kann.
    Die Sozialkassen werden in den nächsten Jahren explodieren, aber hauptsächlich wegen eines Postens, der da nie vorgesehen war. Jetzt schon 10% unseres Haushaltes, aber es ist nicht Asyl oder Bürgergeld.

  4. 90.

    Woher wollen Sie denn wissen, dass das einige Menschen nicht schon längst tun? Ich denke, Menschen denen der Klimaschutz wichtig ist, haben das schon lange in ihren realen Alltag integriert. Es ist genauso wie bei der Flüchtlingshilfe, viele arbeiten ehrenamtlich für eine Sache, die ihnen wichtig ist, aber der Senat oder das Land sollte sich nicht immer und überall zu sehr auf diese Menschen verlassen. Natürlich wird es auch jetzt wieder Menschen geben, die diese Einsparungen irgendwie versuchen werden aufzufangen, wie es schon immer war. Ohne diese Menschen ginge vieles noch schlechter. Was meinen Sie eigentlich mit den Worten:

    "Also wer von euch hier was für den Klimaschutz tun will, nicht nur immer sagen die anderen müssen, finanziert doch das eine oder andere selbst...."

    Meinen Sie damit auch sich selber oder möchten Sie, dass andere das für Sie tun. Eigentlich sollte jedem von uns Klimaschutz wichtig sein oder?

  5. 89.

    Wenn man so liest wo Geld eingespart werden soll und sich hier viele aufregen der Klimaschutz kommt zu kurz, dann liegt es doch allen frei die Stadt durch finanzielle Zuwendungen eurerseits zu unterstützen ,damit die Projekte weitergeführt werden können.
    Letztens ein Beitrag im MDR über Dresden ,wo das pflanzen eines Baumes einer Allee mit allem was dazu gehört ca 10.000 Euro kostet (in Berlin muss es ja nicht so teuer sein).
    So ,warum übernehmen jetzt nicht einfach die Einwohner von sich aus die Kosten für zB solche Vorhaben ,da ja Berlin auch hier Geld einsparen will,selbst.
    Also wer von euch hier was für den Klimaschutz tun will, nicht nur immer sagen die anderen müssen, finanziert doch das eine oder andere selbst indem ihr ZB den Klima Euro in Berlin über einen Volksentscheid einführt oder ein Klima Zertifikat ,jeder in der Stadt gibt seinen Beitrag für bestimmte Klimaprojekte, die er für wichtig hält ,jeder ist selbst der Mann oder die Frau.

  6. 88.

    Es geht um die Verhältnismäßigkeit.
    Ob und in welcher Höhe dann ein Bußgeld verhängt wird, wird man sehen und dann wird man sehen ob dies vor Gericht bestand hat…. derzeit wo kein Kläger….

  7. 87.

    Das Umwelt-, Klima- und Naturschutz wichtig sind steht ausser Frage. Letztlich sind wir genau davon abhängig. Trotz aller negativen Nachrichten sollte aber erwähnt werden, das Berlin bundesweit auf Platz 11 von 50 der energieeffiziensten Städte steht. Dies wurde zumindest in einer Studie der BuVEG (Schirmherr BMWK) festgestellt. Pressemitteilung vom 28.11.24. Platz 1 und 2 belegen übrigens Chemnitz und Dresden. Ein Grund zum Ausruhen ist das zwar nicht, aber auch keine schlechte Nachricht.

  8. 86.

    Es wird nicht gespart!!!
    Sparen ist etwas ganz anders. Der Haushalt ist doch groß. Sehr groß sogar...Nimmersatt ist out.

  9. 85.

    Eben weil wir uns "der Nächste" sind, sollte gehandelt werden.
    Schaut euch mal zum besseren Verständnis das Interview an (auf youtube z.B.). Ich bin sicherlich kein Fan von Hirschhausen, aber, wo er Recht hat, hat er Recht.

    "Im Gespräch mit Dr. Eckart von Hirschhausen: „Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns.“

  10. 84.

    Die Ressourcen reichen nicht, allen auf der Welt ein Leben wie in Europa zu ermöglichen. Deshalb soll wohl unser Standart sinken, damit am Ende alle gleich ärmlich leben.

  11. 83.

    Dadurch, daß sich der mensch selber der Nächste ist (FDP), wird es in Punkto Umweltschutz und Schutz der Flora und Fauna, sobald keine Verbesserungen geben! Es kostet vfiel, aber unsere Kinder werden es und danken!

  12. 82.

    Zum Glück hat unsere Außenministerin mit ihrer globalen Geldgießkanne bald ausgedient. Vielleicht bleibt dann der Zaster im eigenen Land und kann sinnvoll eingesetzt werden.

  13. 81.

    Was heißt schon ,,lebensstandart? Der ist so unterschiedlich, wie es Schuhmodelle gibt! Und wir sind auch nicht mehr das begehrteste Land der Welt!

  14. 79.

    Irgendwie sitzt hier immer noch der Kolonialgeist des 1900 Jahrhunderts fest. Europa ist schon lange nicht mehr der Nabel der Welt, geschweige denn, das es noch viel mitzureden hat. Wir müssen unseren Teil tun. Jedoch spielt das Weltweit keine große Rolle mehr. Berlin schon garnicht. Für uns selber können wir selber Belin in eine zukunftsorientierte an die veränderten Bedingunngen angenehmere Stadt umbauen. Ja auch das kostet höchstwahrscheinlich einiges.

  15. 78.

    „ dass Schwellenländer wachsen“
    Ich glaube deshalb soll unser Lebensstandard sinken, um deren Wünsche abzufangen.

  16. 77.

    Warum müssen dann diejenigen, die schon immer fünf mal im Jahr in den Urlaub geflogen sind, keine CO2 Steuer nachzahlen ? Diese sind doch maßgeblich am Istzustand beteiligt.

  17. 76.

    Niemand möchte sparen, und wenn schon gespart werden muss, bitte immer bei anderen. Wie bei jedem Thema ist niemand objektiv. Daher bleiben die Diskussionen immer stecken. Und die Politik ist im Wahlkampfmodus.

  18. 75.

    Das sind die Strafen bei Verstößen gegen das Heizungsgesetz aber nicht rechtsstaatlich.

  19. 74.

    Auch nicht Klimawandelleugner haben es satt , daß jede Diskussion abgewürgt wird, die eine echte, machbare Alternative ist. Nur einseitig zu Denken hat keinen Sinn. Auch die ärmsten Länder haben ein Recht auf Entwicklung. Am Beispiel Chinas und Indiens und in Folge Südostasiens sieht man, daß ist möglich und bisher von einem massiven Anstieg der Treibhausgasemission begleitet. Dieser ist Weltweit seit den ersten Anstrengungen Europas am Ende der 70er, aufs doppelte gestiegen. In Europa aber gesunken, auch weil viel in diese neuen "aufstrebenden Staaten" verlagert wurde. Billige Medikamente und andere Produkte werden bei Lieferkettenproblemen Mangelware. Da hat zum Beispiel nur eine Verlagerung stattgefunden. Ist eben die einfache Lösung.

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