Initiative "Sport vernetzt" in Berlin - Sozialer Ausgrenzung einen Korb geben

Sa 08.07.23 | 08:26 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Archivbild: BBL Alba Berlin - Rostock Seawolves: Vernetzt Initiative. (Quelle: imago images/T. Wiedensohler)
Bild: imago images/T. Wiedensohler

Die viel diskutierten Haushaltskürzungen in Neukölln werden auch den Sport im Bezirk betreffen. Initiativen wie "Sport vernetzt" wollen Abhilfe schaffen und die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen stärken. Von Marc Schwitzky

"Wenn du dich hier umguckst: Es ist äußerlich alles nicht so schön", sagt Alexander Horstmann. Er ist Erzieher und Trainer an der Albert-Gutzmann-Schule in der Weddinger Pankstraße. "Innerlich aber umso mehr, hier steckt schon viel Liebe drin – das kriegen wir auch als Feedback von den Kindern. Die finden die Schule allesamt gut. Sie vergessen, wie es hier aussieht, was rundherum ist. Es geht darum, womit es gefüllt wird."

Für das Füllen sorgt der Basketball-Klub Alba Berlin. Seit 2005 hat Alba an neun Standorten in Berlin Netzwerke geschaffen (bis 2024 sollen es 16 sein), um Partnerschaften mit lokalen Organisationen und Sportvereinen einzugehen. Alles für ein Ziel: Kinder und Jugendliche in sozialen Brennpunkten leichter zum Sport, zur Bewegung und dadurch zur sozialen Teilhabe zu bringen. Die niedrigschwelligen Angebote finden sich an rund 50 Kindertagesstätten und 175 Schulen wieder – finanziert durch zwei Stiftungen.

"Sport und Bewegung können sich mit einer unheimlichen Magie auf Lebensläufe auswirken. Gerade in sozial benachteiligten Gegenden haben es Kinder aber viel schwerer, in den Sport zu finden", erklärt Henning Harnisch, Vizepräsident von Alba Berlin und Initiator von "Sport vernetzt" bei einem Treffen von Politik und Sport an der Albert-Gutzmann-Schule.

Drei Berliner Senatsverwaltungen schließen sich für die Initiative zusammen

Seit August 2022 knüpft die Initiative "Sport vernetzt" daran an, was Alba Berlin schon seit langer Zeit praktiziert, und weitet das soziale Bestreben deutschlandweit aus. Das Projekt läuft derzeit an rund 25 Standorten bundesweit, in Berlin derzeit an fünf Standorten. Kitas und Schulen sollen beim Aufbau ihrer Bewegungsprogramme Unterstützung aus den professionellen Sportvereinen erhalten, um dadurch ein breiteres Sportangebot zu bewerkstelligen.

Die Ausweitung der Initiative geht auf den Berliner Senat zurück. "In Berlin sind wir auf die Idee gekommen, ressortübergreifend eine Gemeinschaftsinitiative zu gründen – aus der Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Familie, Senatsverwaltung Inneres und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Wir gucken, wie wir Kiezen Anreize geben können, damit sich das Quartier entwickelt", erklärt Stephan Machulik, Staatssekretär für Wohnen und Mieterschutz. Zu den bislang fünf Standorten kommen nun das Kosmosviertel, Neukölln-Nord, Marzahn-Nord und das Märkische Viertel hinzu. Die Projektkosten sollen sich auf 200.000 Euro belaufen, die die jeweiligen Senatsverwaltungen zu gleichen Teilen stemmen werden.

"Wir sind sehr dankbar, dass der Senat die Initiative unterstützt und wir diese Idee auch in Berlin auf verschiedene Sozialräume übertragen können. Hier läuft vieles bereits sehr gut, deshalb bin ich überzeugt: Berlin kann ein echtes Vorbild werden, wie man Kindern bessere Wege in den Sport bietet", bekräftigt Alba-Vizepräsident Harnisch.

Hier sind teilweise 100 bis 200 Kinder auf dem Platz. Der Platz ist ein richtiger Magnet.

Alexander Horstmann, Erzieher und Trainer

"Brennpunktschule – den Begriff mag ich nicht"

"Das Projekt zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, die verschiedenen Akteure in einem Sozialraum zusammenzubringen und welchen Mehrwert das hat", erklärt Katharina Günther-Wünsch, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie. "Bei der Albert-Gutzmann-Schule sprechen wir von einer sogenannten 'Brennpunktschule', wobei ich den Begriff gar nicht mag, da jede Schule eine gute Schule ist." Am Beispiel der Albert-Gutzmann-Schule würde man sehen können, wie durch ein gutes Ganztagsangebot soziale und kommunikative Kompetenzen der Kinder geschult werden. "Ein Leuchtturmprojekt", sagt Staatssekretär Machulik.

Beide stehen auf dem blau-gelben Boden des zum Jahresbeginn von Alba erbauten Basketballplatz der Albert-Gutzmann-Schule. Der Basketball-Klub ist nicht nur Kooperationspartner der Grundschule, sondern auch Freier Träger. "Wir sind nach Corona relativ schnell gestartet, es gab sofort einen riesigen Run auf die AGs. Man hat den Kindern deutlich angemerkt, dass es durch den Lockdown einen riesigen Bedarf gab. Alle hatten Bock, sich zu bewegen", blickt Trainer Horstmann auf die Entwicklung zurück. "Die AGs waren picke-packe-voll, sie möglichst vielen Kindern anbieten zu können, hat sogar zu Problemen mit den Hallenzeiten geführt. Ein weiterer Push war dieser Freiplatz. Hier sind teilweise 100 bis 200 Kinder auf dem Platz. Der Platz ist ein richtiger Magnet."

Ohne die Hilfe von engagierten Vereinen wird es schwer

Nach Schulschluss können die Kinder AGs besuchen und dafür aus gleich mehreren Sportarten wählen. "Sie haben dann die Möglichkeit, noch eine zweite AG zu besuchen. Nach 16 Uhr geht es aber noch weiter, da können sie weiter auf dem Freiplatz spielen – da ist auch immer ein Pädagoge aus dem Team mit dabei", erklärt Horstmann, während er mit einem weiteren Betreuer ein Trainingsspiel der Kinder, die geschlechtergemischt spielen, beaufsichtigt. Die Kinder haben sichtlich Spaß, der Leistungsgedanke steht nicht im Vordergrund, auch wenn es immer wieder Hilfestellungen seitens der Trainer gibt.

Von der regionalen Unterstützung der Profi-Vereine wie Alba profitieren auch die lokalen Player. Das schulische Bewegungsangebot kann die Kinder für Sportarten begeistern. So können beispielsweise die Weddinger Wiesel, der lokale Basketball-Klub, von der Initiative an der Albert-Gutzmann-Schule in Form von mehr Zulauf profitieren.

Aber auch die Politik wird auf das Engagement der Profi-Klubs angewiesen sein. Zuletzt ist bekannt geworden, dass das Bezirksamt Neukölln wohl akute Sparmaßnahmen im sozialen Bereich vornehmen muss. "Nach der Zuweisung durch den Senat fehlen dem Bezirksamt Neukölln für die Haushaltsjahre 2024/2025 pro Jahr 22,8 Millionen Euro, um den Status Quo zu halten", heißt es dazu in einer Mitteilung. 80 Prozent der Geldmittel sind zweckgebunden, die restlichen 20 Prozent verteilen sich hauptsächlich auf Personal und Soziales.

Die Entscheidung des Bezirksamtes Neukölln, zahlreiche soziale Angebote zukünftig zu streichen, erntete große Kritik in der Bevölkerung – über die Grenzen Berlins hinaus. Besonders einen Bezirk wie Neukölln könnten solche Sparmaßnahmen empfindlich treffen, da dadurch die benötigte soziale Teilhabe noch weiter geschwächt werden könnte. Die Berliner Bezirksbürgermeister hatten bereits vor einigen Tagen in einem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) vor Einsparungen bei der Finanzierung der Bezirksämter gewarnt.

Neuköllns Sportbudget schrumpft um 200.000 Euro

Auch das Budget für den Sport in Neukölln wird von den Haushaltskürzungen betroffen sein. Nach rbb-Informationen werden dem Bezirksamt zukünftig mindestens 200.000 Euro weniger für die Unterhaltung der lokalen Sportanlagen zu Verfügung stehen. Zwar sollen Schließungen ganzer Anlagen nicht vorgesehen sein, weniger Geld führt aber zwangsläufig zu einem schlechteren Gesamtzustand. "Unser Ziel ist es, trotz aller Kürzungen aufgrund der Haushaltslagen, ganz genau hinzuschauen, wo wir die verbleibenden Mittel einsetzen. Auf gar keinen Fall – dafür werde ich mich auch stark machen – werden solche Projekte wie 'Sport vernetzt' oder die, die soziale Teilhabe fördern, davon betroffen sein", stellt Senatorin Günther-Wünsch klar. Sie weist darauf hin, dass die bisherigen Zahlen der Einsparungen nur vorläufig sein.

Klar ist allerdings, dass die Streichung zahlreicher sozialer Einrichtungen und Initiativen wie auch die Budgetkürzung für den Unterhalt von Sportanlagen in Höhe von 200.000 Euro nicht allein von Projekten wie "Sport vernetzt" aufgefangen werden können. Die vom Senat zur Verfügung gestellten 200.000 Euro werden schließlich auf die gesamte Stadt verteilt, nur ein Bruchteil davon wird in Neukölln landen. So ist damit zu rechnen, dass der Sport in Neukölln unter den Kürzungen leiden wird, und somit auch die soziale Teilhabe der Heranwachsenden.

Der Besuch der Albert-Gutzmann-Schule zeigt: Projekte wie "Sport vernetzt" haben einen spürbaren Effekt auf junge Menschen. Inwieweit sie jedoch politisch-strukturelle Mängel ausgleichen können, ist fraglich.

Sendung: rbb24 inforadio, 17.15 Uhr, 07.07.2023

Beitrag von Marc Schwitzky

2 Kommentare

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  1. 2.

    "fehlen dem Bezirksamt Neukölln für die Haushaltsjahre 2024/2025 pro Jahr 22,8 Millionen Euro, um den Status Quo zu halten" Mit der Massenzuwanderung aus den Armutsgebieten dieser Welt ist wohl jetzt in Westeuropa das Ende der Fahnenstange erreicht. In den Niederlanden ist die Regierung zerbrochen, weil verschiedene Linksparteien die Begrenzung der Armutsmigration des langjährigen Regierungschefs Rutte nicht mittragen wollen. Wie andere europäische Länder auch ringen die Niederlande mit der Frage, wie sie mit der Massenzuwanderung der Armutsflüchtlinge umgehen sollen. Auch hier wie in Deutschland der beachtliche Zuwachs von konservativen Strömungen. Die BBB in den Niederlanden wird einen Erdrutschsieg hinlegen, lautet die Einschätzung politischer Beobachter. Italien, Schweden, Finnland, Niederlande, demnächst wohl auch Spanien und die Europawahl, dann Frankreich - die europäische "Zeitenwende" vollzieht sich schier unaufhaltsam.

    Ein Problem was ganz Europa auf die Füße fällt.

  2. 1.

    Der neue Senat muss halt ausbauen, was RRG zuvor angerichtet hat. RRG hat das Geld halt mit vollen Händen zum Fenster rausgeworfen. Allein der verfassugswidrige Mietendeckel kostete den Steuerzahler 4,8 Millionen Euro. Das Geld fehlt jetzt an anderer Stelle.

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