Interview | 100 Tage Cottbuser Oberbürgermeister - "Die Sicherheitskonferenz für die Innenstadt war das Dringendste"

Fr 10.03.23 | 11:57 Uhr
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100 Tage ist der Cottbuser Oberbürgermeister Tobias Schick im Amt. Vor der Wahl hatte er sich die Themen Wirtschaft, Sicherheit und Strukturwandel vorgenommen. Im Interview zieht der SPD-Politiker eine erste Zwischenbilanz.

Am 9. Oktober 2022 ist Tobias Schick (SPD) zum neuen Cottbuser Oberbürgermeister gewählt worden. Seiner Wahl ging ein harter Wahlkampf mit dem AfD-Kandidaten Lars Schieske voraus. Zum Amtsantritt am 30. November betonte er, als Oberbürgermeister sein "Parteibuch zur Seite legen" und mit allen Cottbusern und Stadtverordneten gemeinsam arbeiten zu wollen.

rbb|24: Herr Schick, 100 Tage Ihrer Amtszeit sind nun vorbei. Vor der Wahl wollten Sie sich vor allem um das Sicherheitsgefühl in der Stadt kümmern. Was hat sich schon getan?

Tobias Schick: Wir haben eine Sicherheitskonferenz, zunächst erstmal für die Innenstadt, durchgeführt. Das war das Dringendste. Viele Akteure waren dabei: Polizei, Staatsanwaltschaft, Ordnungskräfte, aber auch Unternehmerinnen und Unternehmer und Anwohner. Wir haben dabei organisiert, dass wir jetzt wieder gemischte Streifen haben - mit der Polizei und Mitarbeitern des Ordnungsamtes.

Es gibt auch erste Maßnahmen. Das klingt vielleicht etwas simpel, aber im Puschkinpark soll es beispielsweise mehr Lichtachsen geben, der Japanische Pavillon wird videoüberwacht. Gleichzeitig haben wir darüber nachgedacht, warum sich dort so viele junge Menschen aufhalten und nichts mit sich anzufangen wissen. Welche Angebote kann man ihnen machen?

Es ist eine Mischung aus vielen Maßnahmen, die auch zum Teil schon greifen. Besonders freut mich, dass die Bürger mit den Polizisten und Ordnungskräften wieder ins Gespräch kommen und dadurch auch ein anderes Gefühl für ihre Innenstadt und ihre Sicherheit entwickeln.

Auch mit dem Thema Rechtsextremismus hat Cottbus Probleme, der Verfassungsschutz spricht von einem "toxischen Gebilde". Was hat sich da getan?

Das Thema ist uns wichtig. Wir haben ein Handlungskonzept verabschiedet und sind auch hier mit verschiedenen Akteuren im Gespräch. Jeder hat da eine andere Herangehensweise, aber was mich freut, ist, dass wir wieder das gemeinsame Ziel gefunden haben. Dass wir uns nicht in Details verlieren, sondern sagen: Es geht um klare Haltung, es geht um Aufklärung. Nicht nur bei jungen Menschen, auch bei Junggebliebenen.

Und es geht darum klar zu sagen: Wir sind die Mehrheit, wir wollen in dieser Stadt keinen Platz für neue oder alte Nazis, keinen Platz für Gewalt oder Hass. Wir wollen sagen: Wir sind weltoffen, wir sind Cottbuserinnen und Cottbuser. Wir sind nicht nur gastfreundlich, sondern wir integrieren Menschen, die gern hier herkommen. Egal woher sie kommen.

Auch der Wirtschaftsstandort Cottbus war ein wichtiges Thema im Wahlkampf. Wahrscheinlich hat ein Bürgermeister noch nie zu einem besseren Zeitpunkt eine Stadt übernommen: Die Stadt ist fast schuldenfrei, es gibt zahlreiche Fördermittel durch den Strukturwandel, ein Wirtschaftsbeirat ist auf den Weg gebracht worden. Was gibt es darüber hinaus?

Das Wichtigste ist natürlich: Wie partizipieren regionale Unternehmen am Strukturwandel? Wir haben hier unglaubliche Know-how-Träger, großartige Unternehmen, die meistens im Ausland oder in anderen Bundesländern viele Aufträge haben und dort ihre Wertschöpfung machen. Wir müssen uns fragen, wie wir die vernetzen können, auf erneuerbare Energien umstellen können. Auch die Themen Digitalisierung und Gesundheitswirtschaft sind wichtig. Diese Akteure zusammenzubringen hört sich vielleicht simpel an, aber es ist ein entscheidender Punkt. Gleichzeitig wollen wir die Kreislaufwirtschaft ankurbeln. Messen kommen nach Cottbus. Landes- und Bundesinstitute siedeln sich an und bringen gut bezahlte Arbeitskräfte. Das sorgt auch für einen Aufschwung in der Gastronomie und in der Immobilienbranche. Das ist gar nicht nur auf Cottbus bezogen, die gesamte Region wird einbezogen. Und ein großes Thema betrifft uns alle: Wie gewinnen wir Fachkräfte für die Region?

Welche Projekte sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten, welche laufen bereits?

Die Entscheidung vom Bund zur Universitätsmedizin steht jetzt an, da müssen wir ins Handeln kommen. Mit dem Carl-Thiem-Klinikum (CTK) und mit dem Land müssen wir bauen, gleichzeitig müssen wir die Mitarbeiter im CTK, die schon gut gefordert sind, mitnehmen. Auch dort brauchen wir dringend neue Fachkräfte.

Gleichzeitig müssen wir die Infrastruktur ausbauen. Da denken wir nicht nur an Straßen und an Verwaltungsgebäude, sondern auch an Straßenbahnen und das Thema Mobilität. Deshalb gibt es die gemeinsame Forderung aus Brandenburg und Sachsen, wir brauchen das zweite Gleis [zwischen Cottbus und Lübbenau, Anm.d.Red.]. Das hat auch eine Strahlkraft. Auch der Lausitz-Science-Park muss erschlossen werden und gleichzeitig gibt es ganz viele kleinteilige Projekte, die den Alltag der Menschen verbessern. Auch da sind wir auf einem guten Weg.

Entscheidend ist: Wir kriegen Geld, wir müssen bauen, wir müssen Planungen vorantreiben und wir brauchen Fachkräfte, die mit uns gemeinsam anpacken.

Es entstehen viele Arbeitsplätze, dazu die Infrastruktur. Doch die Menschen brauchen auch Wohnungen. Wie steht es um den Wohnraum in Cottbus?

Ich freue mich in dem Bereich auf die Unterstützung vom Land und danach auf die der lokalen Wohnungsunternehmen GWC und EG Wohnen und auch auf private Investoren und viele Familien. Wir können in Neu Schmellwitz die erschlossenen Grundstücke für ganz verschiedene Wohnformen nutzen und diesen Stadtteil wirklich aufpeppen und ihm eine Zukunft geben. Wir werden auch in den Schulen wieder einige Aktivitäten haben und hoffentlich auch Schulen neu zu bauen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Sebastian Schiller für Brandenburg Aktuell und Antenne Brandenburg.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 10.03.2023, 19:30 Uhr

4 Kommentare

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  1. 4.

    Wenn alles so sicher ist, warum werden dann immer mehr Waffenscheine beantragt ? Wie konnte es soweit kommen, dass eine Sicherheitskonferenz nötig ist und dass die Bürger mit den Polizisten und Ordnungskräften wieder ins Gespräch kommen müssen ?

  2. 3.

    "Wieder ne handvoll Akademiker die vom Strukturwandel in Lohn und Brot kommen"
    Totaler Quatsch, allein bei der Bahn werden hunderte Facharbeiter (Mechaniker, Mechatroniker, Elektriker) eingestellt.

  3. 2.

    Ich verstehe nicht, was das mit dem Sicherheitsgefühl soll. Was nützt mir ein Sicherheitsgefühl, wenn ich nicht sicher bin? Gar nichts! Es schadet sogar. Schafft Sicherheit! Für unsere Gefühle sind wir selbst zuständig. Eine Scheinsicherheit, die nur gefühlt ist, wollen die Menschen sicher nicht.

  4. 1.

    Aha, die üblichen Blasen aus der Wohlfühlzone.Erst wenn die Proleme in der schicken Innenstadt ankommen besteht Handlungsbedarf!Natürlich besteht Cottbus nur aus der Innenstadt(hust).
    Von was für Fachkräften wird hier ständig gefaselt?
    Wieder ne handvoll Akademiker die vom Strukturwandel in Lohn und Brot kommen?Und der Rest?
    Nur hohles Gelabber!Aber stimmt ja, können ja nicht alle in der Kommunalverwaltung arbeiten.In Cottbus ist das ein Familienunternehmen wo schon Oma,Opa und der Rest tätig war!

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