Nachruf auf verstorbenen Landrat Dietmar Schulze - "Gimme Shelter" zum Gruß und Kornblumen aus der Uckermark

Do 31.08.23 | 18:02 Uhr | Von Sabine Tzitschke
Landrat Dietmar Schulze (Quelle: dpa/Bernd Settnik)
Audio: Antenne Brandenburg | 31.08.2023 | Sabine Tzitschke | Bild: dpa/Bernd Settnik

Dietmar Schulze kannte die Uckermark wie die Taschen seiner Cordjacke und hat sich mit seiner Meinung selten zurückgehalten, setzte sich für Angel-Unterricht und gegen die Kreisgebietsreform ein. Nun ist der SPD-Politiker gestorben. Von Sabine Tzitschke.

Dietmar Schulze ist am Dienstag im Alter von 70 Jahren gestorben. Der ehemalige Landrat der Uckermark galt in Brandenburg als Schwergewicht - im besten Sinne. Ein märkisches Urgestein, auch wenn er erst mit 25 Jahren - nach dem Studium der Agrarwirtschaft - als Ingenieur in den damaligen Kreis Angermünde zog. Der Junge aus der Magdeburger Börde liebte gute Böden, freilaufende Rinder, Mähdrescher und offene Landschaften. Es zog ihn in die Uckermark, da wo sie am schönsten ist - nach Schöneberg, Stützkow, Criewen. Dort wo die Oder beginnt einen Nationalpark zu formen.

Mit unpassender Krawatte zum passenden Anzug für die Uckermark

Schiebermütze und immer Vollbart, dazu die hellbraune Breitcordjacke, die abgewetzte Aktentasche mit Thermoskanne und Brotbüchse. Ein weiteres Markenzeichen waren die Schlipse, die nie wirklich zum Hemd passten, aber für offizielle Anlässe immer parat waren. So war Dietmar Schulze immer unterwegs, am liebsten in seiner Uckermark. "Bis hin nach Prenzlau und Templin, von Wismar bis Bölkendorf und von Mescherin bis Beenz. Dörfer, die am Rande liegen, haben jetzt mit mir eine Stimme", sagte Schulze selbst einmal. Und er erklärte gern Gästen aus Berlin, die beim Kreiserntefest sogar den Kornblumenschmuck kaufen wollten, sich doch bitte mal selbst einen Strauß auf den Feldern zu pflücken. Das würde entspannen.

Angeln als Schulfach?

Für Agrar- und Umweltfragen, für Gewässer- und Bodenschutz war er als Ministerialbeamter landesweit zehn Jahre, von 2000 bis 2009, zuständig. Er kämpfte mit der Treuhand um volkseigene Böden und Güter, verteidigte die großen Ex-DDR-Agrarstrukturen und engagierte sich für Angelunterricht in Schulen für Kinder schon ab acht Jahren, was einen bundesweiten Aufschrei von Tierschützern provozierte. Dazu sagte er im November 2000: "Wenn wir in den Schulen von Klein auf etwas anbieten, gemeinsam mit dem Anglerverband, was Spaß macht und informativ ist, dann ist das einfach richtig."

Seine politische Krönung war am 19. Mai 2010 die Wahl zum Landrat der Uckermark. Dort kämpfte er beispielsweise gegen Holperstrassen in Casekow, stritt für schnelles Internet und hatte immer ein Auge auf den Hochwasserschutz. "Ich finde jedenfalls, dass das Land Brandenburg, was die Oder anbetrifft, da eigentlich schon sehr gut aufgestellt ist."

"Referenten-Entwurf ist untauglich und nicht geeignet.“

Dann kam im März 2017 der Eklat - mit der eigenen SPD. Brandenburg sollte Großkreise bekommen. Frankfurt (Oder), Märkisch-Oderland und Oder-Spree sollten fusionieren, aber auch im Nordosten sollte mit "BARUM" Deutschlands größter Landkreis entstehen - mit Eberswalde als Kreissitz. Prenzlau wäre in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Das konnte der Mann im großen roten Backsteinbau in der Prenzlauer Karl-Marx-Straße 1 nicht zulassen. "Ich kann es kurz und einfach machen: Dieser Referenten-Entwurf ist untauglich und nicht geeignet."

Landrat Schulze setzte sich durch. Die Uckermark blieb pur die Uckermark. Doch als Landrat wurde er im Frühjahr 2018 nicht wiedergewählt. Karina Dörk von der CDU schnappte ihm den Posten weg. Schulze kommentierte nach der verlorenen Wahl: "Offensichtlich hat diese Nummer gezogen, dass ich bis zum heutigen Tag dafür verhaftet werde, ich würde für die Kreisgebietsreform sein, obwohl ich viel dafür getan habe, dass sie nicht stattgefunden hat".

Auf Tour mit den Stones

Politisch ist er abgetaucht und hat noch bis zur offiziellen Altersruhe mit 66 Jahren an Partnerschaftsprojekten im Nationalpark Unteres Odertal gearbeitet. Dann blieb Zeit sich um seine große Leidenschaft zu kümmern: die Rolling Stones. Zufällig hatte er den Keyboarder der Band kennengelernt und blieb jahrelang mit ihm in Kontakt. Schulze hatte die Band während eines Urlaubs durch ganz Südamerika verfolgt und als Fan über 12.000 Tonträger von ihnen gesammelt, meist in Vinyl gepresst aus allen Ecken der Welt. "Gimme Shelter" war seine liebste Begrüßungsformel, wenn er auftauchte - egal ob auf politischem Parket oder zum Beatles-Abend im Schwedter Theater. Erst in der vergangenen Woche brachte der Postbote wieder ein neues Paket. Die Stones-Sammlung hat Dietmar Schulze liebevoll digitalisiert, wenn er nicht im heimatlichen Criewen Skat gespielt hat. Seinen Abschied hat er auch geregelt. Es soll eine Seebestattung sein.

Sendung: Antenne Brandenburg, 31.08.2023, 16:10 Uhr

Beitrag von Sabine Tzitschke

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