Kritik aus eigenen Reihen - Senat will erneut zu 2G-Option für Kinder beraten

Mi 15.09.21 | 12:17 Uhr
Symbolbild: Vor einer Bar steht ein Hinweisschild, welches auf den Einlass nach der 2G-Regel hinweist. (Quelle: dpa/A. Heimken)
Audio: Inforadio | 15.09.2021 | Jan Menzel | Bild: dpa/A. Heimken

Berliner Einrichtungen sollen selbst entscheiden können, ob sie 2G oder 3G anwenden. Das hat der Berliner Senat beschlossen - Ausnahmen für Kinder unter 12 sollte es nicht geben. Nach heftiger Kritik will der Senat neu beraten.

Nach breiter Kritik an seinem 2G-Optionmodell arbeitet der Senat daran, die Regelung wieder zu entschärfen. Das teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit mit. Es gehe um "die übergangsweise Erweiterung des 2G-Optionsmodells für Kinder unter 12 Jahren, bis die Impfung dieser Kinder möglich ist", hieß es. Sie dürften dann auch dort mit dabei sei, wo 2G gilt.

Keine 24 Stunden nach dem Beschluss deutete die Senatsverwaltung damit eine umfassende Kursänderung an. Eine Sondersitzung des Senats - wie sie von Kritikern gefordert wurde - ist für diese Änderungen nicht erforderlich. Die Korrektur der am Dienstag beschlossenen 2G-Regel kann auch im so genannten Umlaufverfahren beschlossen werden. Dem Vernehmen nach soll das im Laufe des Tages geschehen.

Am Dienstag hatte der von SPD, Linken und Grünen getragene Senat beschlossen, dass am Samstag in etlichen Bereichen Betreiber selbst entscheiden können, ob sie den Zutritt zu Innenräumen wie bisher Geimpften, Genesenen und Getesteten (3G) erlauben oder unter Wegfall etwa der Maskenpflicht und mit mehr Teilnehmern nur noch Geimpften und Getesteten (2G).

Kritik aus den eigenen Reihen

Die Berliner Gesundheitssenatorin Dikel Kalayci (SPD) hatte in einer Pressekonderenz am Dienstag betont, dass es keine Ausnahmen für Kinder geben werde. Ihr widersprach Parteikollegin und SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey am Mittwoch: Es müsse eine Ausnahme von der Zugangsbeschränkung auf Geimpfte und Genesene (2G) geben. "Die gestrige Entscheidung des Berliner Senats zum Optionsmodell 2G muss korrigiert werden", forderte sie auf Twitter.

"Kinder unter 12 können noch nicht geimpft werden", argumentierte Giffey. "Sie und ihre Familien werden so massiv bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben benachteiligt." Eine höhere Impfquote müsse erreicht werden, aber nicht auf Kosten von Kindern und ihrer Familien.

Pop gesteht Fehler ein, Jarrasch kritisiert Kalayci

Auch die Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) will den Beschluss, an dem sie am Dienstag selber mitgewirkt hatte, korrigieren. "Gestern ist auch mir ein Fehler unterlaufen. Ich habe versäumt auf Ausnahmen für Kinder unter 12 Jahren bei der #2GRegel zu drängen. Noch ist sie nicht in Kraft. Wir werden diese Entscheidung korrigieren, um Kinder nicht von der Teilhabe auszuschließen", twitterte sie.

Auch die Spitzenkandidatin der Grünen zur Berliner Abgeordneteshauswahl, Bettina Jarasch, sieht in dem Beschluss einen Fehler. Der Senat solle "den gestrigen Fehler in einer Sondersitzung schnell beheben", schrieb sie auf Twitter, und: "Wir dürfen nicht schon wieder Kinder ausschließen".

Die Vorsitzenden der Grünen Fraktion, Antje Kapek und Silke Gebel teilten mit: "Kinder haben in der Corona-Pandemie auf so vieles verzichten müssen, das für ihr Aufwachsen essenziell ist." Sie dürften nicht schon wieder benachteiligt und ausgeschlossen werden.

Auch Lederer will 2G für Kinder öffnen

Klaus Lederer (Linke), der als Kultursenator auch im Senat sitzt, erklärte auf Twitter, dass er schon während der Senatssitzung Bedenken gegen eine Regelung gehabt habe, die Kinder ausschließe.

CDU verspottet den Beschluss

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner kommentierte die Vorgänge in der Koalition und im Senat mit einer gehörigen Portion Spott: "Dieser Senat braucht eine 1D2H-Regel: Erst-Denken-Dann-Handeln", so Wegner. Grundsätzlich sei ein 2G-Optionsmodell wünschenswert, betonte der CDU-Politiker. Dies dürfe aber nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden.

Kinderhilfswerk zweifelt an Rechtmäßigkeit

Das Deutsche Kinderhilfswerk hat das Optionsmodell als "kinderfeindlich und familienfeindlich" kritisiert. "Wir werden überprüfen, inwieweit hier ein verfassungsrechtlicher Widerspruch besteht", kündigte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann demnach an.

Hier würden "auf dem Rücken der Kinder die Freizeitinteressen der Erwachsenen befördert", sagte Hofmann. "Die Gastronomen beispielsweise werden lieber ihr Restaurant mit Geimpften vollmachen als weiter mit halber Kapazität zu operieren und dafür auch Familien zu empfangen." Und niemand habe an die Situation der Familien oder Sportvereine gedacht, die für die Gesundheit der Kinder wichtig seien.

Gemischte Reaktionen aus Wirtschaft und Kultur

Aus Wirtschaft und Kultur kommt für die neue "2G"-Option Lob und Kritik. Der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands Brandenburg, Olaf Schöpe, befürchtet, dass die neue Regelung für Unruhe bei Mitarbeitern und Gästen sorgen wird. Bei Familienfeiern würden Menschen ausgeschlossen, wenn sie nur negativ getestet sind. Das sei ein großes Problem. Bei Mitarbeitern müssten diejenigen vom Dienst ausgeschlossen werden, die noch nicht geimpft seien, sagte Schöpe dem rbb. Er verwies außerdem darauf, dass Betreiber ihre Mitarbeiter nicht nach dem Impfstatus fragen dürfen. Dazu gebe es noch keine rechtliche Regelung.

Dagegen hat der Hauptgeschäftsführer des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands, Thomas Lengfelder, die Wahlmöglichkeit begrüßt. Das sei die Präferenz des Verbands gewesen, sagte er.

Grips-Theater will bei 3G bleiben

Der Leiter des Grips-Theater, Philipp Harpain, reagierte ablehnend. In sein Haus kämen viele Eltern mit ihren Kindern - deshlab bleibe man bei der 3G-Regel. Ähnlich hält es auch Robert Rueckel, Leiter des Spionagemuseums. Die strikte 2G-Regel halte er für "katastrophal", sie schließe Kinder von der gesellschaftlichen Mitgestaltung aus.

Der Intendant des Berliner Ensembles, Oliver Reese, kritisierte hingegen in der rbb-Abendschau, dass es schwierig sei, die Entscheidung den Häusern zu überlassen.

Sendung: Abendschau, 14.09.21, 19:30 Uhr

Was Sie jetzt wissen müssen

Nächster Artikel